Regionalnachrichten

Rheinland-Pfalz & Saarland Deutsche Winzer trotz Top-Jahrgangs in Nöten

Die Lese verspricht einen Wein-Jahrgang von außerordentlicher Qualität. Dies ändert aber nichts an der tiefen Krise der Branche. Wie kann sie überwunden werden?

Mainz (dpa/lrs) - Steigende Produktionskosten, weniger Weintrinker, verunsicherte Verbraucher sowie US-Zölle: Die deutschen Winzer und Winzerinnen sind nach Einschätzung von Fachleuten in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Trotz eines voraussichtlich exzellenten 2025er-Jahrgangs, der gerade zügig gelesen wird.

Die Ausgangslage 

Der Fassweinpreis ist bis auf 30 Cent gesunken. Kellereien nehmen nicht mehr alle Trauben an, einige werden 2025 voraussichtlich hängen bleiben, heißt es in der Branche. Fast jeder dritte Betrieb stehe vor dem Aus.

Damit seien auch Landschafts- und Tourismusmagneten wie die Steillagen an Rhein und Mosel in Gefahr, mahnt die zuständige Ministerin im größten deutschen Weinbau-Bundesland, Rheinland-Pfalz, Daniela Schmitt (FDP). 

Versäumnisse der Branche

"Wir stehen vor riesigen Herausforderungen", sagt der Chef der Prädikatsweingüter (VDP) Steffen Christmann. "Am Ende sind es die Versäumnisse der Branche über Jahrzehnte", stellt der Bio-Winzer fest. "Gerade die jetzt am stärksten betroffenen Winzer waren jahrelang gegen jede Veränderung." 

Der Politik sind nach Ansicht von Christmann nur bedingt Vorwürfe zu machen. Der Deutsche Weinbauverband (DWV) - die Berufsorganisation der Winzer und Winzerinnen - habe schon 2003 die "Wein Vision 2020" angestoßen. Unter dem Motto "Deutscher Weißwein ist Kult" sollten starke Marken aufgebaut und deutscher Wein wieder an die Weltspitze geführt werden. "Passiert ist fast nichts", bedauert Christmann. Weinbauministerin Schmitt stellt auch fest: "Die Betriebe, die große Probleme haben, sind die, die lange nichts gemacht haben." 

VDP hält klares Profil und Export für den Ausweg

Der VDP-Präsident vermisse ein klares, international taugliches und enges Profil. Vielfalt, also dem Kunden alles zu bieten, was er will, sei ein Inlandsthema. Da es im Inland aber noch an der Preisbereitschaft vieler Kunden hapere, liege die Lösung im Export, sagt Christmann. "Im Export gilt das Gegenteil von Vielfalt, die Fokussierung. Natürlich ein langer Weg, der erst nach Jahren helfen kann."

Die Branche schaut nach Berlin 

Schmitt will den Winzern helfen, neue Märkte zu erschließen wie etwa in Japan oder Indien. Sie hat ein Unterstützungs-Paket für die Betriebe im Weinbauland Nummer eins geschnürt, 6 der 13 deutschen Anbaugebiete liegen hier. Vorgesehen sind unter anderem jährlich mehr als drei Millionen Euro für Vermarktung, Imagekampagnen und Gemeinschaftswerbung. Schmitt und der DWV sehen aber auch die Bundesregierung in der Pflicht. 

Das Weinpaket aus Brüssel enthalte viele gute Maßnahmen, die in Deutschland auch endgültig umgesetzt werden müssten, sagt DWV-Generalsekretär Christian Schwörer. Einen vorläufigen Anbaustopp, eine erweiterte Absatzförderung sowie eine Regelung zu Neupflanzungen für Rebstöcke nennt der Verband als Beispiele. "Rodung, grüne Lese und Destillation dürfen keine Tabus mehr sein." Grüne Lese ist eine Reduzierung des Ertrags, indem im Sommer grüne Trauben abgeschnitten werden. 

Bundesregierung reagiert

Nach einem Gespräch von Verbandsvertretern mit Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) in Berlin äußert sich Schwörer optimistischer. Denn: "Der Bund finanziert mit bis zu einer Million Euro eine Informationsoffensive, die den deutschen Wein als Botschafter für Qualität, Vielfalt und Innovation in Deutschland und weltweit stärken soll", teilte das Ministerium nach dem Gespräch am Freitag mit. 

Dabei werde auch die Förderung von Öko-Weinen berücksichtigt. Und: "Mit weniger Bürokratie, mehr Flexibilität bei Saisonarbeitskräften und einer sicheren Energieentlastung verschaffen wir unseren Betrieben Luft." 

Schwörer spricht von einem "deutlichen Signal für die Branche". Rainer habe außer dem Geld auch angekündigt, sich für Anliegen der deutschen Winzer in Brüssel einzusetzen, zudem sei für den Herbst eine Export-Strategie angekündigt. "Wir hoffen, dass es jetzt schnell geht." 

 

Branche hofft auf mehr "Weinpatriotismus" 

Derzeit kommt weniger als die Hälfte des Weins, den die Deutschen trinken, auch aus Deutschland, Tendenz sinkend. "Weil die Deutschen beim Weineinkauf sehr stark auf den Preis und weniger auf die guten Qualitäten achten, die vor der eigenen Haustür wachsen, wurden im vergangenen Jahr mehr günstigere Weine aus dem Ausland nachgefragt", sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Der Marktanteil der eingekauften heimischen Weine sank 2024 im Vergleich zum Vorjahr erneut - um einen Prozentpunkt auf 41 Prozent. Drei Jahre zuvor lag er noch bei 45 Prozent. 

Die von Rainer zugesagte finanzielle Unterstützung für die nationale Image- und Kommunikationskampagne stimmt auch das DWI zuversichtlich. 

Mehr deutschen Wein und Sekt in der Oper ausschenken  

Auch in der Hotellerie, Gastronomie sowie in den Theatern und Opernhäusern der Republik wird derzeit nach Ansicht der Branche zu wenig deutscher Wein ausgeschenkt. Dies gelte insbesondere für Rotwein und Sekt, hieß es unisono beim VitaeVino-Tag in der rheinland-pfälzischen staatlichen Weinbaudomäne Oppenheim. Die gleichnamige Kampagne wirbt weltweit für den Erhalt der Weinkultur und maßvollen Weingenuss.

Gerade in den Häusern der Hochkultur dominierten französische oder italienische Tropfen, hieß es. Dies werde oft auf das Angebot des Caterers geschoben, berichteten Branchenvertreter. 

Schmitt: Verbraucher entscheiden über Zukunft des Weinbaus mit

Verbraucher und Verbraucherinnen müssten auch dazu beitragen, dass die Weinwirtschaft wieder in Schwung komme, fordert Schmitt. Mit jeder Flasche entschieden sie über die Zukunft des Weinanbaus in Rheinland-Pfalz und in Deutschland. 

Jemand, der etwa in der Ahr-Region wandere, sollte die Sensibilität haben und mit einer Flasche von dort ein Signal setzen, sagt die FDP-Politikerin. Stattdessen sammelten die Winzer in dieser renommierten Rotweinregion aber liegen gelassene leere Chianti-Flaschen ein. 

Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft (DGE) für Ernährung gehen der FDP-Politikerin zu weit. Die DGE rät inzwischen dazu, gar keinen Alkohol mehr zu trinken. "Für uns in Rheinland-Pfalz ist Wein definitiv ein Kulturgut und in Maßen ein Genussmittel", betont die Ministerin, die internationale Kampagnen wie VitaeVino und Wine in Moderation unterstützt. Und an die Adresse ihrer Kritiker: "Uns geht es nicht um bedingungsloses Saufen, sondern um die Zukunft eines jahrtausendealten Kulturguts aus Deutschland." 

Bundesminister Rainer sieht auch "wertvolles Kulturgut" 

Auch Rainer sagt: "Der Weinbau in Deutschland ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern auch ein wertvolles Kulturgut, das die Identität und Landschaft vieler Regionen prägt." Und kündigt an: "Mir ist es wichtig, die Weinbranche in dieser schwierigen Phase zu unterstützen."

Quelle: dpa

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