Reise

Für sehbehinderte Touristen Hallig Hooge neu entdecken

Auch mit 66 Jahren macht Annegret Walter noch ganz neue Erfahrungen. Sie ist blind und "sieht" erstmals ein Haus auf der Hallig Hooge (Kreis Nordfriesland) - dank eines neuen satellitengestützten Audiosystems.

Das Projekt mit dem Namen "Ich höre und fühle, was Du siehst" sei einmalig in Deutschland, sagt Matthias Piepgras, Vorsitzender des Fremdenverkehrsausschusses der Hallig. Mit dem neuen Angebot will Hooge mehr blinde und sehbehinderte Touristen anlocken. "Es ist eine Riesenbarriere abgebaut worden. Es macht mich unabhängiger", betont die in Bargteheide (Kreis Stormarn) wohnende Walter.

Detailreich und aufmerksam

Ein tragbares Gerät, das aussieht wie ein Navigationssystem und mit einem Lautsprecher ausgestattet ist, informiert Blinde künftig über viele Sehenswürdigkeiten der Hallig. Über GPS wird gemessen, wo sich der Blinde befindet. Nähert er sich einem Informationspunkt, startet das Gerät automatisch mit der Beschreibung. Die Satelliten übernehmen die Zuordnung der Texte. "Es erzählt, was Sehende gerade sehen. Die Beschreibung ist sehr aufmerksam und detailreich", erzählt Annegret Walter, die Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Schleswig-Holstein (BSVSH) ist. Zudem wird die Geschichte der Warften erzählt. Das Gerät sei allerdings kein Navigator, betont sie.

Mit den Audiobeiträgen werde vor allem der Partner entlastet, der oft weniger detailreich erzähle, berichtet Walter, die seit rund 20 Jahren blind ist. "Nach dem Hörbeitrag kann ich mir das Haus innen und außen gut vorstellen. Ich weiß nun, wo der Eingang ist. Sehr interessant ist die Beschreibung der Türen."

Karte mit Blindenschrift

Das System startet bereits bei der Überfahrt von Schlüttsiel zur Hallig. "Das umliegende Festland wird durch einen hohen grasbewachsenen Deich geschützt. Wenn bei lockerer Bewölkung die Sonne durchbricht, legen sich oft dunkle Wolkenschatten auf die Wasseroberfläche", tönt es aus den Lautsprechern des Fährschiffes "Rüm Hart". Dazu gibt es für die Touristen eine großformatige Karte der Hallig mit Blindenschrift. Später einmal soll die Audio-Führung auch über das Handy abrufbar sein.

In Schleswig-Holstein gibt es 5000 blinde und rund 20.000 sehbehinderte Menschen. Das Projekt kostet rund 50.000 Euro. "Wir wollen die Hallig für alle Menschen zugänglich machen. Die Halligwelt spricht alle Sinne an, deshalb ist es für Blinde besonders geeignet", sagt Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Mit dem Projekt sei die Hallig in punkto Barrierefreiheit ein großes Stück vorangekommen. Nach dem ersten Test will Annegret Walter nach Hooge wiederkommen - mit mehr Zeit, um einmal allen Beiträgen vollständig zu lauschen und die Hallig mit ihren Augen zu sehen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen