Reise

"Das Böse kann nie ganz besiegt werden" Wildwest in Bad Segeberg

Es geht feurig zu in Bad Segeberg.

Es geht feurig zu in Bad Segeberg.

(Foto: dpa)

So wird ein Gangster wohl nur im Wilden Westen von Bad Segeberg empfangen: Kaum reitet Martin Semmelrogge als Schurke Cornel Brinkley - ganz lässig im Sattel, frech grinsend und immer eine Hand am Colt - in das Freilichttheater, begrüßt ihn donnernder Applaus. Der 53-Jährige, der in zahlreichen Filmen den Bösewicht gab, feierte am Samstagabend sein Debüt bei den Karl-May- Spielen. Gegen Winnetou, zum dritten Mal vom smarten Frauenschwarm, dem 40-jährigen Erol Sander gespielt, hat er jedoch keine Chance - weder im Stück noch in der Zuschauergunst. Das Publikum am Kalkberg liebt den stolzen Apachenhäuptling und jubelt allein bei dessen Erscheinen, als würden Pierre Brice und Gojko Mitic zusammen auf einem Pferd sitzen. Bis zum 6. September verteidigt er nun den "Schatz im Silbersee".

Action-Spezialist Donald Kraemer, ebenfalls zum ersten Mal dabei, inszenierte den Klassiker für die 58. Spielzeit als temporeichen Mix aus Theater und Show. So rasen gleich zum Auftakt acht Pferde wild an den Zuschauern vorbei, eine Kutsche steht in Flammen, und Brinkley erschießt sein erstes Opfer. Auch sonst sorgt Kraemer in dem Abenteuer, das als eines der berühmtesten Karl Mays (1842-1912) gilt, für viel Pulverdampf in der Prärie. Mehr als 80 Schauspieler und Komparsen sowie 25 Pferde wirken mit. Stunts, rasante Ritte und Explosionen bringen immer wieder Action in die 7500 Plätze bietende Arena. Komische Momente liefern ein Engländer, der von einem sächselnden skurrilen Wild-West-Abenteurer ("Nu klar doch, mei Gutster") durch den Abenteuerurlaub bei Cowboys und Indianern geführt wird.

Aufmerksamkeit gefragt

Winnetou will für Frieden sorgen.

Winnetou will für Frieden sorgen.

(Foto: dpa)

In schnellen Szenenwechseln erzählt Kraemer die Geschichte vom legendären Schatz, der in den Tiefen eines Bergsees ruhen soll. Hinter ihm ist der gewissenlose Brinkley her, der vor keiner Schandtat zurückschreckt. Winnetou und Old Firehand (Joshy Peters) wollen für Frieden sorgen und bekommen es mit gnadenlosen Gangstern zu tun. Bei der Verfolgungsjagd ist auch im Publikum die ganze Zeit über Aufmerksamkeit gefragt, denn ständig und überall passiert etwas. Mal lauern Brinkley und seine Mannen hinter den Zuschauern, mal kreist ein Falke über deren Köpfen, dann wieder schwebt Winnetou am Seil über die Bühne. Gelungene Tanzeinlagen zu Trommelklängen runden das Spektakel ab.

Vor der romantischen Kulisse des Kalkbergs kommt zwischen Saloon und Erzmine natürlich auch die Liebe nicht zu kurz: Dorkas Kiefer schlüpft in die Rolle der Revolverlady Jolene Blenter, die mit Charme und Colt die Männerwelt auf den Kopf stellt. Sie springt auf Tische, nimmt es in Schlägereien gleich mit mehreren Männern auf und gesteht einem von ihnen am Ende dann doch ihre Liebe - unter lautem "Oh" und "Ah" des nur allzu gerne mitschmachtenden Publikums. Semmelrogge dagegen hat mit Selbstironie immer wieder die Lacher auf seiner Seite. Mit Sprüchen wie "Besoffen fahren ist bei mir nicht drin!" oder "Sehe ich aus wie einer, der lügt?" spielt er auf eigene Erfahrungen mit Gesetzeskonflikten an.

Die vom TV-erfahrenen Regisseur ("Notruf Hafenkante", "Die Rettungsflieger") dynamisch gestaltete Handlung dürfte die Jüngsten bei den traditionell zahlreichen Familien bisweilen überfordern. Deren Spaß tut das am Premierenabend jedoch keinen Abbruch: "Das Böse kann nie ganz besiegt werden, mein Freund, so sehr wir es uns auch wünschen", sagt Winnetou gerade noch - da sind Kinder schon nach vorn gestürmt und warten geduldig in der Schlange, um ihrem Helden nach der Show die Hand schütteln zu können. Erol Sander dürfte in diesem Sommer noch viele Hände schütteln: 2008 besuchten rund 259.000 Zuschauer die Festspiele.

Quelle: ntv.de, Dorit Koch, dpa

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