Kulturhauptstadt Vilnius So weit im Osten wie nie
06.01.2009, 11:19 UhrIn der Rolle als Kulturhauptstadt Europas 2009 soll in Vilnius nicht nur Kulturelles zelebriert werden. Ganz Litauen feiert dann wie die Hauptstadt die erste verbürgte Erwähnung des Landesnamens vor genau tausend Jahren in den Quedlinburger Annalen. "Das sind schon zwei Gründe zum Feiern", freut sich Vilma Janulythe, Sprecherin des Organisationskomitees für die Kulturhauptstadt - bisher die am weitesten östlich gelegene seit Einführung des Ehrentitels 1985.
Auf die Frage, was denn wichtiger sei, zögert sie nicht mit der Antwort: "Die Millennium-Feier unseres Landesnamens." Das könnte mit dem noch frischen Status des größten Staates im Baltikum zu tun haben, das nach der Lösung von der früheren Sowjetunion erst 1991 wieder unabhängig wurde und seit 2004 der EU angehört.
Kostenlose Service-Kurse
Für buchstäblichen Glanz als Kulturhauptstadt sorgte beim Auftakt unter anderem der Deutsche Gert Hof mit einer gigantischen Light- und Feuerwerks-Show. Im Gefolge sind zahlreiche Veranstaltungen mit erwarteten drei Millionen Besuchern geplant. Allerdings mussten die Planer schon vor dem Startschuss Tribut an die gerade für die baltischen Länder höchst bedrohliche Finanz- und Wirtschaftskrise entrichten. 12 Prozent des zunächst auf umgerechnet 85 Millionen Euro veranschlagten Budgets für die europäische Kulturhauptstadt sind wieder gestrichen worden. Dabei war der Schwerpunkt mit 55 Millionen Euro ohnehin auf langfristig wirkende Infrastrukturprojekte gelegt.
"Die Streichungen werden die Qualität des Programms nicht beeinträchtigen", sagt Komiteesprecherin Janulythe. Für Besucher sollen 60 Prozent aller Veranstaltungen kostenlos sein. Damit Touristen sich auch davor und danach in Litauens Hauptstadt mit einer halben Million Einwohner wohlfühlen, haben 500 Taxifahrer, Kellner, sowie Hotelangestellte und -manager kostenlose Kurse in "freundlichem Service" absolviert.
Chor mit 30.000 Stimmen
Das schien manchen Planern wegen immer noch spürbaren Auswirkungen auf die Alltagsstimmung aus den Jahren der Sowjet-Herrschaft nötig. "Natürlich wären die Auswirkungen der Kulturhauptstadt für uns viel größer, wenn das Ganze schon 2008 gelaufen wäre und nicht jetzt gleichzeitig mit der Finanzkrise", sagt Violeta Makauskiene, Marketing-Direktorin in Vilnius, die ausländische Investoren in die Kulturhauptstadt locken will. "Natürlich müssen wir jetzt mit sehr viel weniger Besuchern aller Art rechnen."
"Licht-Architekt" Gert Hof hat in der Neujahrsnacht mit seiner 20 Minuten langen Show die tausendjährige Geschichte Litauens aufleuchten lassen. "Culture Live" lautet nun das Motto für rund offizielle 120 Kulturhauptstadt-Projekte. Sie spannen sich vom Ersten Internationalen Opernfestival in Vilnius über eine Ausstellung mit den Hauptwerken des georgischen Malers Nikolos Pirosmanaschwili bis zu einer riesigen Freiluft-Modenschau auf dem Gedimino prospektas, der Verbindungsstraße zwischen Kathedrale und Parlament in Vilnius.
Als einen der glanzvollsten Höhepunkte erwarten viele der 3,4 Millionen Litauer vom 1. bis 6. Juli ein riesiges Sänger- und Tanzfestival. Hier soll ein Chor mit 30.000 Stimmen zu hören sein. Am Abend des Nationalfeiertages, dem 6. Juli, sollen außerdem auf 1000 Burgbergen im Land 1000 Feuer entzündet werden.
Quelle: ntv.de, Mike Collier und Thomas Borchert, dpa