Reise

Ein Ticket für einen Kontinent Interrail ist schon 40

Manfred Weis mit der Kopie eines Interrail Tickets, mit dem er vor 25 Jahren einen Interrail-Rekord aufgestellt hat, und der Urkunde, mit dem ihm der Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde bestätigt wird.

Manfred Weis mit der Kopie eines Interrail Tickets, mit dem er vor 25 Jahren einen Interrail-Rekord aufgestellt hat, und der Urkunde, mit dem ihm der Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde bestätigt wird.

(Foto: picture alliance / dpa)

Reisen verbindet. Getragen von diesem Gedanken haben die Bahnen in Europa 1972 das Interrail-Ticket aus der Taufe gehoben. Wer unter 21 Jahre alt war, konnte für 235 Mark (118 Euro) vier Wochen lang durch 20 europäische Länder rattern. Durch den Aufstieg der Billigflieger sank die Bedeutung von Interrail - aber sie steigt gerade wieder.

In den 31 Tagen seiner letzten Interrail-Tour hat Manfred Weis nur fünfmal außerhalb des Zuges geschlafen - einmal davon im Haus einer Finnin auf dem Fußboden. 25 Jahre ist das her, ein Vierteljahrhundert. Noch 15 Jahre älter ist die Interrail-Fahrkarte und wegen dieses Jubiläums ist Weis am Wochenende aus Karlsruhe nach Berlin gekommen. Die Bahn feierte dort mit den Fans der Langstreckenfahrkarte mit Kultstatus deren Geburtstag.

Weis kann für sich in Anspruch nehmen, das Ticket am besten genutzt zu haben. Genau 36.030 Kilometer, immer an Europas Außenkanten entlang, legte er 1987 innerhalb eines Monats zurück und schaffte damit den Sprung ins Guinnessbuch der Rekorde. Da steht er heute noch.

Billigfluggesellschaften zu starke Konkurrenz

Nachdem die Eisenbahngesellschaften in Europa das Interrail-Ticket 1972 ins Leben riefen, wurde es schnell populär. In den 70er und 80er Jahren wurden Interrail-Erlebnisse zum festen Bestandteil vieler Jugendbiografien. In den 90er Jahren verlor das Ticket seine Anziehungskraft. Billigfluglinien machten die Anfahrtswege zu Europas Metropolen zu Katzensprüngen. Die Bahnfahrkarte geriet ins Abseits.

"Seit wenigen Jahren steigen die Zahlen wieder", sagt aber Sascha Oberbüscher, Marketingreferent bei der Deutschen Bahn. Insgesamt hätten zwischen 1972 und Ende 2011 rund acht Millionen Europäer Interrail genutzt. Mit rund 1,3 Millionen Nutzern stehen die Deutschen demnach an erster Stelle, gefolgt von Skandinaviern und Schweizern.

Altersbegrenzung aufgehoben

Oberbüscher handelt für die Bahn die Preise für das Ticket aus. Zurzeit kostet es 422 Euro für Jugendliche bis 25 Jahre. Doch die Bahn hat die Begrenzungen für die Nutzer längst aufgehoben. Auch ältere Erwachsene dürfen es heute nutzen, in der zweiten Klasse kostet ein Monat Interrail 638 Euro, in der ersten 977 Euro. Daneben gibt es längst zusätzliche, flexible Angebote: Fünf Fahrtage innerhalb von zehn Tagen etwa für 175 Euro oder "One-Country-Pässe" für einzelne Länder.

Einer, der Europa in der ersten Klasse gesehen hat, ist Roland Tögel. Der Angestellte der IHK Augsburg gewann das Ticket im vergangenen Jahr und legte immerhin 20.000 Kilometer auf Schienen zurück. "Für mich war die Fahrt das Ziel", sagt der 38-Jährige. Im Zug schlief er nur dreimal, denn er fuhr meist tagsüber, um die Landschaft zu betrachten. Er reiste von Nordschweden bis nach Porto, von Monaco über Venedig nach Zagreb.

Die Mathematikerin Berit Bender aus Lübeck hatte andere Ziele. "Ich wollte das Nordlicht sehen", sagt die 45-Jährige, die in diesem Februar zu ihrer ersten Interrailtour aufbrach. Inzwischen bietet die Bahn auch kürzere Reisezeiten an, zum Beispiel ein Zehn-Tage-Ticket, bei dem man an fünf Tagen im Zug sitzen darf. Es kostet für Erwachsene in der zweiten Klasse 267 Euro. Bender fuhr nach Lappland, um sich ihren lange gehegten Traum zu erfüllen. "Ich sah eine grüne Lichterscheinung", beschreibt sie. Ihr 14-jähriger Sohn sitzt bei dem Bahntreffen neben ihr. Vielleicht fahren sie demnächst gemeinsam.

"Wieder im Aufschwung"

"Interrail befindet sich wieder im Aufschwung", sagt Oberbüscher. Ein Grund sei der "Modeaspekt Umwelt". Die Bahn sei ökologischer als das Flugzeug. Ein anderer Aspekt sei, dass die Reisenden wieder erleben wollten, "wie ich hinkomme". Hauptziele der Interrailer seien die Metropolen, Italien, Skandinavien und Osteuropa. Der Süden, der Balkan oder Griechenland würden weniger angefahren. Das Ticket reicht sogar bis in den Osten der Türkei.

Die 28-jährige Referendarin Silke Schade aus Hamburg hat zwischen 2006 und 2008 dreimal Interrail gemacht. Der Zug hat sie fast durch ganz Europa gebracht. Dabei sah sie auch viele historische Orte, darunter das Konzentrationslager in Auschwitz. Sie fuhr allein und suchte vor allem den Kontakt zu den Menschen des Landes. Dafür machte sie zum Beispiel "Couchsurfing", sie übernachtete bei Privatleuten. "Man lernt so viel", sagt sie. Dazu gehöre auch die Begegnung mit sich selbst.

Rekordhalter Weis will in diesem Jahr mit Frau und 15-jährigen Sohn erstmals wieder auf Interrailtour gehen. Im Zug wird aber nicht geschlafen. "Mein Sohn fragt jetzt schon, wie viele Sterne unsere Hotels haben", sagt er.

Quelle: ntv.de, Mechthild Henneke, AFP

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