Sackgasse statt Weltcup Beim DSV verlaufen sich die Biathlon-Talente
25.02.2021, 12:08 Uhr
Danilo Riethmüller ist einer de Junioren-Weltmeister des DSV, der noch den Weg in den Weltcup sucht.
(Foto: imago images/Harald Deubert)
Deutschland ist historisch eine Biathlon-Weltmacht, bei Frauen und Männern gibt es große Siege und Medaillen satt. Die Zukunft aber sieht derzeit noch trüber aus, als die unbefriedigende Gegenwart. Ein Grund: Auf dem Weg in den Weltcup verlaufen sich viele der Talente offenbar.
Obwohl die Erwartungen im Vorfeld nicht wirklich überbordend sein durften, ist nach der Biathlon-WM 2021 eindeutig Ernüchterung ins deutsche Lager eingekehrt. Erst zum dritten Mal in der erfolgreichen Geschichte des DSV gab es keinen Titel zu bejubeln, die Ausbeute von zwei Medaillen bedeutete die Einstellung des gesamtdeutschen Negativ-Rekords. Über die Gründe lässt sich viel spekulieren, Versäumnisse liegen jedoch auf der Hand. "Wir haben an sich zwar Nachwuchs mit Potenzial, aber vielleicht ist in der Vergangenheit ein bisschen was bei der Förderung versäumt worden, dass Talente nicht rechtzeitig in den Weltcup gebracht worden sind, um dort zu wachsen", mutmaßt Michael Rösch im Gespräch mit "Sport1" und trifft den Nagel damit wohl auf den Kopf.
powered by sport.de - Transfer-Gerüchte, News und Liveticker - alle Infos aus der Welt des Sports finden Sie hier!
Rösch selbst war noch Teil der goldenen deutschen Biathlon-Zeiten. Mit der Staffel holte der 37-Jährige, der zwischen 2014 und 2019 noch einmal für Belgien im Weltcup an den Start ging und seine Karriere inzwischen beendet hat, dreimal WM-Bronze. 2006 krönte er sich mit dem DSV-Quartett zum Olympiasieger. Beim Blick auf die Laufbahn des Sachsen sticht allerdings besonders ein Detail ins Auge: Rösch ging einen konsequenten Weg. 2001 sammelte er seine erste Medaille bei einer Junioren-WM, 2004 folgte die letzte, 2006 - knapp zwei Jahre später - das erste Edelmetall bei den Herren. Genau dieser Weg, den selbstredend wohl die meisten im Nachwuchsbereich erfolgreichen Ski-Jäger anstreben, verlief sich aus Sicht des DSV zuletzt allerdings viel zu häufig in einer Sackgasse. An Beispielen mangelt es leider nicht.
Zwei Junioren-Weltmeister im Weltcup außen vor
Nimmt man Max Barchewitz (Gold im Einzel 2020) und Danilo Riethmüller (Gold im Verfolger 2020) aus, da ihre Erfolge für eine Bewertung noch zu frisch sind, heißen die letzten deutschen Junioren-Weltmeister Manuel Müller (Verfolger 2010), Tom Barth (Sprint 2011) und Johannes Kühn (Verfolger 2011). Podiumsplätze sammelten Benedikt Doll (Einzel 2011) und David Zobel (Einzel 2017, Sprint 2016).
In die Weltspitze hat es aus dieser Gruppe fraglos Doll geschafft, Kühn gehört regelmäßig zum Weltcup-Team, herausragende Ergebnisse sammelt der inzwischen 29-Jährige aber zu selten. Müller, Barth und Zobel konnten bislang keine weiteren nennenswerten Fußspuren hinterlassen.
Ein ähnliches Bild ergibt ein Blick auf die Ergebnisse bei den Juniorinnen. Hier heißen die Weltmeisterinnen der Ära nach Laura Dahlmeier, die 2013 abräumte, Luise Kummer (Einzel 2014) und Marie Heinrich (Verfolgung 2015). Aufs Treppchen schafften es Annika Knoll (2014), Anna Weidel (2017), Hanna Kebinger, Juliane Frühwirt und Franziska Pfnür (alle 2019). Hinzukommt ein WM-Titel bei den Jugendlichen durch Marina Sauter (2016).
Norwegen zeigt auf, was möglich ist
Die größten Erfolge feierte noch Kummer, die zwei Rennen mit der Staffel gewinnen konnte und 15 Mal in Einzelrennen in die Punkte laufen konnte. Inzwischen ist sie wie auch Heinrich und Knoll zurückgetreten. Gelegentlich im Weltcup findet sich nur Weidel wieder.
Ein WM-Titel im Jugendbereich ist natürlich keine Garantie für eine erfolgreiche Karriere im Weltcup-Team und ein abschließendes Urteil über Riethmüller, Barchewitz, Kebinger, Frühwirt oder Pfnür verbietet sich derzeit sicher noch, dennoch fällt auf, dass noch keines der in den vergangenen beiden Jahren erfolgreichen Talente im Weltcup debütieren durfte. Und das, obwohl die nationale Konkurrenz bei Weitem nicht mehr mit der vergangener Jahre zu vergleichen ist.
Dass es durchaus anders gehen kann, beweist zudem die erfolgreiche Konkurrenz. Riethmüller enterte 2018 bei jedem WM-Einzel-Rennen der Junioren die Top 10 und befand sich damit unter anderem auf Augenhöhe mit dem Russen Said Khalili oder den Norwegern Johannes Dale und Sturla Holm Laegreid. Dale belegt im Gesamtweltcup derzeit Rang drei, Laegreid ist Zweiter und holte unlängst viermal WM-Gold.
"Einiges an Arbeit vor uns"
"In Deutschland werden Kinder mit dem Ball am Fuß geboren, in Norwegen mit Skiern", fegte der deutsche Nachwuchs-Chefcoach Zibi Szlufcik den Vergleich mit den Norwegern vom Tisch. Völlig von der Hand weisen lässt sich die Aussage sicher nicht, ob sie sich auf Athleten anwenden lässt, die sich an der Schwelle vom Nachwuchs- in den Weltcup-Bereich noch auf Augenhöhe begegnen, ist allerdings zweifelhaft.
Immerhin gestand Bernd Eisenbichler, Sportlicher Leiter Biathlon beim DSV, unlängst ein: "Im Nachwuchsbereich haben wir meiner Ansicht nach noch einiges an Arbeit für die Zukunft vor uns, um langfristig konkurrenzfähig zu sein."
Quelle: ntv.de