Erste Frau für Deutschland Bokel zieht ins IOC ein
21.08.2008, 12:47 UhrDeutschland gewinnt in der Weltregierung des Sports an Einfluss. Degenfechterin Claudia Bokel zog bei den Sommerspielen in Peking überraschend ins Internationale Olympische Komitee (IOC) ein. Bei der Abstimmung über die Besetzung der Athletenkommission wurde die Tauberbischofsheimerin mit den drittmeisten Stimmen für acht Jahre gewählt und wird nun von der Vollversammlung als IOC-Mitglied aufgenommen.
Als im Olympischen Dorf ihr Name verlesen wurde, jubelte die 34-Jährige laut auf. "Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss. In meiner Wahl schwingt große Wertschätzung für den deutschen und europäischen Sport mit", sagte Bokel, die seit Mai 2005 Chefin der Athletenkommission der Europäischen NOK ist und sich gegen 28 Konkurrenten durchsetzte.
Erste deutsche Frau im IOC
Die Mannschafts-Olympiazweite von Athen, die dreimal bei Sommerspielen startete (1996, 2000 und 2004), wird das dritte deutsche IOC-Mitglied neben Vize Thomas Bach und dem ehemaligen NOK-Präsidenten Walther Tröger. Letzterer muss 2009 wegen Erreichens der Altersgrenze (80) ausscheiden. Insgesamt ist die Chemikerin das 23. deutsche IOC-Mitglied seit 1895, aber die erste Frau.
Sie hatte einen engagierten Wahlkampf in fünf Sprachen geführt und stand seit Öffnung der Wahllokale am 5. August täglich im Olympischen Dorf. Als Vertreterin einer kleinen Sportart waren ihr im Vorfeld nur geringe Chancen eingeräumt worden. Weil sie einmal im "Wahlkampf" ihren Degen dabeihatte, erhielt Bokel zwischendurch sogar eine Verwarnung. Taekwondo-Olympiasieger Moon Dae Sung, der im Kampfanzug auf sich aufmerksam machen wollte, erging es ähnlich.
"Anti-Doping-Kampf und duale Karriere"
Der Einsatz der beiden machte sich allerdings bezahlt. Moon bekam mit 3220 die meisten Stimmen vor Schwimm-Olympiasieger Alexander Popow (Russland/1903), Bokel und Volleyballerin Yumilka Ruiz Luaces (Kuba/1571).
"Das Resultat ist der Lohn für einen engagiert und intensiv geführten Wahlkampf", sagte DOSB-Präsident Thomas Bach, der Bokel zu ihrem Erfolg gratulierte. Zwei Themen liegen der Chemikerin, die in Goch am Niederrhein lebt und nach Studienabschluss gerade auf Jobsuche ist, besonders am Herzen: "Anti-Doping-Kampf und duale Karriere halte ich für sehr wichtig."
Die IOC-Mitgliedschaft ist ein Ehrenamt. "Ich weiß nicht, was auf mich zukommt. Aber ich werde mich nicht komplett verstellen, nur weil ich in einem neuen Gremium bin", meinte Bokel, die künftig regelmäßig für das IOC unterwegs sein wird: "Das kann zwischen vier Einsätzen im Jahr und einem Fulltime-Job sein. Aber ich denke, irgendwo dazwischen wird es sich einpendeln." Dass Bokel ihre Fechtkarriere fortsetzt, ist unter diesem Gesichtspunkt unwahrscheinlich.
Kampf für Meinungsfreiheit
Ihren größten Auftritt auf der internationalen Bühne der Sportpolitik hatte Bokel kürzlich im April bei der Generalversammlung aller 205 NOKs in Peking. Dort drängte sie darauf, dass sich NOKs und IOC-Präsident Jacques Rogge klar zur Meinungsfreiheit der Athleten bei Olympia bekannten.
Mit 71,6 Prozent war die Wahlbeteiligung so hoch wie noch nie. Insgesamt gaben 7216 Sportler ihre jeweils vier Stimmen ab. Zuletzt waren deutsche Athleten zweimal bei der Wahl gescheitert. 2004 (Hürdensprinter Florian Schwarthoff) und 2006 (Rodler Georg Hackl) gingen Anläufe schief.
Von den zwölf für je acht Jahre gewählten Athletenvertretern im IOC fallen acht auf den Sommer- und vier auf den Wintersport. Hinzu kommen sieben Mitglieder, die der IOC-Präsident selbst ernennt. Zum Chef der Athletenkommission war vor dem Auftakt der Spiele für zwei Jahre 200-m-Hallenweltrekordler Frankie Fredericks (Namibia) gewählt worden.
Christian Klaue, sid
Quelle: ntv.de