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Stars geformt, Trump attackiert "Coach Pop" - der kultigste Kauz der NBA

Rekordcoach! Da kann man schon mal lächeln.

Rekordcoach! Da kann man schon mal lächeln.

(Foto: AP)

Gregg Popovich gilt als kauzig und kultig zugleich. Doch er ist vor allem eines: ein erfolgreicher Basketball-Trainer. Die San Antonio Spurs führte er zu fünf Meistertiteln. Nun ist er zum Coach mit den meisten Siegen aufgestiegen. Der 73-Jährige hat ausgerechnet seinen Freund und Mentor abgelöst.

Wenn ein LeBron James plötzlich zum Nebendarsteller wird, muss in Nordamerikas Basketball-Liga NBA schon etwas Besonderes passiert sein. So wie am Freitagabend (Ortszeit). Da war nicht nur etwas ganz Besonderes geschehen, sondern es wurde Liga-Geschichte geschrieben. Ein alter, schlohweißer Mann war wichtiger als der vielleicht beste Basketballer der Welt. Und deshalb unterbrach "NBA TV" die Übertragung der Partie zwischen LeBron James’ Los Angeles Lakers und den Washington Wizards kurz vor Beginn des zweiten Viertels.

Aus San Antonio meldete sich Kommentator Matt Winer mit "Breaking News". Die heimischen Spurs hatten soeben 104:102 gegen die Utah Jazz gewonnen. Es war zwar erst der 26. Sieg im 67. Saisonspiel - aber dennoch ein außergewöhnlicher Triumph. Einer, mit dem Gregg Popovich die letzte Stufe auf der Erfolgsleiter der NBA-Trainer hinaufgeklettert war. Nach ganz oben. Seit diesem 11. März 2022 ist der 73-Jährige der Coach mit den meisten Siegen. 1336 Mal hat "Pop" in der Punktrunde ein NBA-Parkett als Gewinner verlassen. Einmal mehr als sein Freund und Mentor Don Nelson.

Popovich lächelte - wenn auch nur kurz

Doch Popovich, der sogar bei gewonnenen Meisterschaften eher mit angezogener Handbremse feierte, wäre nicht Popovich, wenn er selbst in diesem historischen Moment seine Gefühle nicht unter Kontrolle gehabt hätte. Zwar stürmten seine Spieler auf ihn zu und hatten ihn an der Seitenlinie sofort umringt. Und wer genau hinschaute, ja, der konnte sogar ein Lächeln im Gesicht dieses Gregg Charles Popovich erkennen. Aber nach handgestoppten 16 Sekunden waren ihm Hüpferei und Huldigung dann doch zu viel und Popovich bahnte sich seinen Weg Richtung Katakomben.

"Ein Rekord wie dieser gehört nicht nur einer Person. Basketball ist ein Team-Sport. Das predigst du deinen Spielern und genauso ist es auch in meinem Leben gewesen", betonte Popovich auf der Pressekonferenz. Obwohl er im Mittelpunkt stand, redete er natürlich nicht über sich. Das hatte er in seiner 26-jährigen Karriere als Spurs-Trainer ohnehin nur selten getan. Nein, Popovich sprach davon, in diesem Zeitraum "mit so vielen wundervollen Spielern, Trainern, Mitarbeitern und Fans in dieser wunderbaren Stadt gesegnet gewesen" zu sein. Und eben deshalb seien diese 1336 Siege "nicht mein Rekord", sondern "unser Rekord. Hier in dieser Stadt." Und das, so Popovich, sei das Schöne daran.

San Antonio ist mit seinen rund 1,5 Millionen Menschen die zweitgrößte Stadt in Texas. Doch sie ist trotzdem nicht so berühmt wie Houston oder Dallas. Und bis zum Ende der Neunziger Jahre hatte San Antonio nur ein Wahrzeichen: The Alamo. In der ehemaligen, spanischen Missionsstation hatten sich mutige Einheimische im Frühjahr 1836 fast zwei Wochen lang gegen zahlenmäßig weitaus überlegene mexikanische Truppen verschanzt und gewehrt. Zwar letztlich vergebens, doch ihre Courage sprach sich schnell herum und motivierte viele Texaner, sich gegen die mexikanischen Besetzer zu erheben. Knapp sechs Wochen nach der verlorenen “Schlacht von Alamo” war der texanische Unabhängigkeitskrieg gewonnen.

"Coach Pop" schmiedete die großen Stars

"Das ist nicht mein Rekord. Das ist unser Rekord."

"Das ist nicht mein Rekord. Das ist unser Rekord."

(Foto: AP)

Seit rund einem Vierteljahrhundert ist San Antonio nicht mehr nur eine interessante Adresse für Liebhaber der amerikanischen Geschichte, sondern auch für erfolgreichen Basketball. Fünf Titel haben die Spurs zwischen 1999 und 2013 ins südliche Texas geholt. David Robinson, der bereits vor der Popovich-Ära ein Ausnahmespieler war und mit dem "Dream Team" der USA 1992 in Barcelona Olympiagold gewonnen hatte, krönte hier durch die Meisterschaften 1999 und 2003 endgültig seine legendäre Laufbahn. Und Talente wie Tim Duncan, Tony Parker, Manu Ginobili oder Kawhi Leonard sind hier zu Topstars geworden. Geformt, geführt und gefördert von Popovich.

Der war bereits 47 Jahre alt, als er im Dezember 1996 in seiner Funktion als Spurs-Manager den damaligen Coach Bob Hill nach nur drei Siegen aus den ersten 18 Spielen entließ - und selbst den Trainerposten übernahm. Dabei hatte er bis dahin lediglich vier Jahre in San Antonio als Assistent gearbeitet und ab 1992 zwei weitere Spielzeiten Don Nelson bei den Golden State Warriors zur Seite gestanden. "Ich bin stolz auf dich und konnte diesen Tag, an dem du mich auf Platz zwei verdrängst, gar nicht erwarten", meinte Nelson, der seit April 2010 der NBA-Trainer mit den meisten Siegen gewesen war und Popovich als “einen meiner besten Freunde im Leben” bezeichnete.

Warum, Nelson ihm damals eine Chance gegeben habe, wurde Popovich nach seinem Rekordsieg gefragt. Das wisse er bis heute nicht, lautete die Antwort. Aber es habe ja letztlich funktioniert. Allerdings: Jetzt in dieser Position zu sein, ausgerechnet Nelson den Rekord wegzuschnappen, das sei "unverdient und ziemlich unangenehm", so Popovich.

Schwieriger Start in San Antonio

Sein Start als Spurs-Chef war durchaus steinig. "Wer, verdammt nochmal, ist Gregg Popovich?", habe sich die NBA Community außerhalb von Texas damals gefragt, er selbst eingeschlossen, schrieb der mittlerweile anerkannte NBA-Insider David Aldridge im Internet-Portal "The Athletic". Und selbst David Robinson, das Gesicht des Vereins, betonte, dass man vielleicht doch mit Hill hätte weiterarbeiten sollen. Ihm jedenfalls habe dessen "Liebe fürs Gewinnen" sowie seine "akribische Arbeit" gefallen. Und insgesamt habe Hill “einen großartigen Job” gemacht. Nach Popovich’s Rekord sagte Robinson: "Glückwunsch Pop. Du verdienst es. Ich bin erfreut, ein Teil deines Vermächtnisses zu sein."

Zwar gewann Popovich sein Debüt am 14. Dezember 1996 gegen die Dallas Mavericks 106:105. Doch die Spurs beendeten die Saison mit nur 20 Siegen, aber 62 Niederlagen. Das war die drittschlechteste Bilanz aller Teams. Und das lag vor allem daran, dass Robinson aufgrund von Verletzungen nur sechs Partien absolvieren konnte. Doch das Abrutschen in den Ligakeller war letztlich die Basis für all die anschließenden Jubel-Jahre. Denn wenn viel verliert, darf, so läuft es in Nordamerikas Profiliegen, bei der Verteilung der größten Nachwuchstalente, früh zugreifen. In der Hoffnung, so möglichst bald wieder nach oben zu kommen. Die Spurs griffen gleich an erster Stelle beim so genannten Draft zu - und entschieden sich für Tim Duncan.

Duncan-Draft der Schlüssel zum Erfolg

Als Popovich vor einigen Monaten nach dem Schlüssel seines Erfolges gefragt wurde, musste er nicht lange überlegen. "Der Draft von Duncan. Und dann einfach am Leben zu bleiben." Eine Antwort typisch Popovich. Er mag mitunter kauzig und streng rüberkommen, macht aber gerne Witze über sich selbst, und versucht auch in scheinbar kritischen Momenten immer die Leichtigkeit und den Blick für das Wesentliche zu behalten. "Einer seiner Lieblingssätze war: Wenn das hier das Schlimmste in eurem Leben ist, dann lebt ihr ein unbeschwertes, gesegnetes und glückliches Leben", erinnerte sich Ginobili gegenüber ESPN.

Aber "Coach Pop" hatte auch noch eine andere Seite, eine politische. Er kämpfte gegen den Rassismus und fand bei Themen wie Polizeigewalt oder der gesellschaftsspaltenden Präsidentschaft von Donald Trump stets klare Worte: "Wenn Trump ein Gehirn hätte, auch wenn es zu 99 Prozent zynisch wäre, würde er etwas sagen, um das Volk wieder zu vereinen. Aber es interessiert ihn nicht, Menschen zusammenzubringen. Es geht ihm nur um sich selbst, um das, was ihm persönlich einen Vorteil bringt. Es geht nie um das Gemeinwohl", befand er vor zwei Jahren und nannte den US-Präsidenten einen "geistesgestörten Idioten".

Legendär waren Popovich’s Fernseh-Live-Interviews mit dem mittlerweile verstorbenen Craig Sager am Spielfeldrand. Sager war bekannt für seine schillernden Outfits. Als der Journalist ein dunkles, glänzendes Jackett mit weißen Punkten trug und von Popovich die Gründe für eine ganz schwache Halbzeit der Spurs wissen wollte, meinte der Trainer: "Ich denke, die haben auf deinen Anzug geguckt." Ein anderes mal griff Popovich noch vor der ersten Frage zu Sager’s knallbuntem Einstecktuch, wischte sich damit die Nase ab und stopfte es zurück ins Kleidungsstück.

Zu den zahlreichen Gratulanten zählte neben dem Verein unter anderem auch LeBron James. Ihm gelangen am Freitagabend beim 122:109-Heimsieg der Lakers gegen die Washington Wizards 50 Punkte. Eine herausragende Leistung. Und dennoch diesmal nur zweitrangig.

Quelle: ntv.de

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