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Legenden um Boll entthront Dang Qiu sprengt deutsche Tischtennis-Hierarchie

Dang Qui hat sich bereits in den Top Ten der Weltrangliste vorgespielt.

Dang Qui hat sich bereits in den Top Ten der Weltrangliste vorgespielt.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Wer sich in den vergangenen Jahren im deutschen Tischtennis fragte, wer die beiden besten Spieler sind, der bekam immer wieder Timo Boll oder Dimitrij Ovtcharov als Antwort präsentiert. Die Platten-Hierarchie war manifestiert - doch nun kommt Dang Qui.

Mit dem Dampfhammer zerschmettert Dang Qiu in diesen Tagen die deutsche Tischtennis-Geschichte. Niemand ist vor ihm sicher. Nicht die Legenden Jörg Roßkopf und Steffen "Speedy" Fetzner, auch nicht aktive Ikonen wie Timo Boll oder Dimitrij Ovtcharov. Dang Qiu ist die neue deutsche Tischtennis-Sensation. Seit dem 3. Mai 2022 erstmals in den Top Ten der Weltrangliste und seit dem vergangenen Wochenende Deutscher Meister. Mit 4:1 nach Sätzen (11:6, 11:5, 11:4, 3:11, 11:7) hatte er Titelverteidiger Benedikt Duda entthront.

Dang Qiu hat in Saarbrücken Geschichte geschrieben. Nicht nur, weil er zum ersten Mal den Einzeltitel gewann. Dang Qiu, der in Nürtingen geboren ist und dessen Eltern beide für die chinesische Nationalmannschaft spielten, ist der erste Deutsche Meister mit dem Penholder-Stil, also mit dieser besonderen chinesischen Schlägerhaltung. Wie sich so ein nationaler Triumph anfühlt, das weiß der 25-Jährige indes. Im Doppel ist er an der Seite seines unterlegenen Finalgegners seit Jahren nicht zu schlagen. Zum fünften Mal in Serie holten sie nun den Titel. Damit schmetterten Dang und Duda das frühere Weltmeister-Duo mit Bundestrainer Roßkopf und Fetzner endgültig aus der Rekordliste, das vor 31 Jahren als erste Kombination bei einer DM viermal in Folge triumphiert hatte.

"Viele Jahre sehr hart gearbeitet"

Der Aufstieg von Dang Qiu ist bemerkenswert. Im April 2019, also vor gut drei Jahren, hatte er sich gerade zum ersten Mal in die Top 100 der Weltrangliste gespielt - und ist jetzt bereits Zehnter. Zwei Plätze vor Boll (12.) und nur einen Rang hinter Ovtcharov, gegen den er am Wochenende vor den Titelkämpfen den größten Erfolg seiner Einzelkarriere gefeiert hatte. In der peruanischen Hauptstadt Lima gewann er erstmals ein WTT-Turnier. Lohn eines langen Wegs, der Bundestrainer Roßkopf reichlich Respekt abringt: "Dang ist in einer überragenden Form und hat über viele Jahre sehr hart für seine derzeitigen Erfolge gearbeitet. Sein Erfolg kommt nicht von ungefähr und nicht überraschend", lobte er in Saarbrücken.

Das Portal tischtennis.de lobte die Leistung von Dang Qiu im Finale gegen Duda als "Weltklasse". Sportdirektor Richard Prause befand gar: "Dang Qiu ist der Mann der Stunde. Dass er innerhalb von zwei Jahren eine solche Entwicklung nehmen würde, war nicht abzusehen. Er hat das Momentum für sich genutzt, sich den Titel aber auch redlich erarbeitet." Zu diesem Momentum gehörte auch die Abwesenheit von Boll und die Erkrankung von Ovatcharov. Boll verzichtet seit seinem 13. Titelgewinn vor drei Jahren aus Termingründen auf eine Teilnahme.

Boll als Vorbild? Eher nicht

Ovtcharov musste bei seinem ersten DM-Auftritt seit acht Jahren nach erfolgreichem Auftaktspiel aufgeben."Ich fühle mich total schwach und auch etwas fiebrig. Ich hatte mich schon im Flieger aus Lima übergeben. Leider ist es im Laufe der Woche nicht besser geworden. Ich will mit diesem starken Infekt einfach keine Verschlimmerung riskieren", sagte Ovtcharov in der saarländischen Hauptstadt. Bei der Deutschen Meisterschaft nun hatte der 33-Jährige nach seinem starken Comeback in Lima nach über achtmonatiger Pause als Folge einer Knöcheloperation weitere Matchpraxis sammeln wollen. Vor allem mit Blick auf die Heim-EM in München im August.

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Dort wird auch Dang Qiu fester Bestandteil der Nationalmannschaft sein. Wie schon im vergangenen Jahr, als er Gold im Teamwettbewerb gewinnen konnte. Die damalige Krönung seiner Karriere, die sich schon mit großen internationalen Erfolgen im Jugendbereich angedeutet hatte. Mit Medaillen bei Schüler- und U21-Europameisterschaften. Der rasante Aufstieg im Herrenbereich begann dann 2019 mit dem Einstieg in die Top 100. In der Bundesliga spielt er mittlerweile für Rekordmeister Borussia Düsseldorf, an der Seite von Boll. Über den deutschen Tischtennis-Helden sagte er dem Deutschlandfunk vor drei Jahren: "Timo habe ich einen unfassbaren Respekt gegenüber, er spielt fantastisches Tischtennis. Aber ich glaube, das ist wirklich ein Unikat, das kann man nicht kopieren - so wie er spielt, so viel Talent und Gefühl, wie er hat, auch die Übersicht im Spiel. Ich glaube, da konnte ich mir selbst von den Chinesen ein bisschen mehr abgucken - auch was Technik, Beinarbeit oder auch Spielzüge angeht."

Mit Erfolg. Und gegen die Empfehlung seines Vaters Qiu Jianxin. Der war selbst einst Penholder-Spieler, riet dem Sohn aber zum europäisch dominanten Shakehand-Stil. Dang Qiu lernte so, stellte später auf Penholder um - und ist nun auf dem besten Weg, die deutsche Ewigkeits-Hierarchie komplett zu zerschmettern.

Quelle: ntv.de, tno

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