Kasai ist tatsächlich wieder da Der Skispringer, der aus einer anderen Welt stammt
15.02.2024, 06:35 Uhr
Perfekte Haltung: Noriaki Kasai bei der Vierschanzentournee 1990/91.
(Foto: imago/WEREK)
Noriaki Kasai steht am Wochenende in Sapporo vor seinem Comeback im Skisprung-Weltcup - 35 Jahre nach seinem Debüt an gleicher Stelle. In den vergangenen Monaten hat er unermüdlich dafür gekämpft und sich über die 2. Skisprung-Liga wieder herangearbeitet.
Am dritten Dezember-Wochenende des Jahres 1988 steckte auch die Skisprung-Welt mitten in der Revolution. Matti Nykänen feierte in Sapporo im Parallelstil seinen vorletzten Sieg, einen Tag später Jan Boklöv seinen zweiten Triumph als "V-Springer", die DDR-Asse um Jens Weißflog waren aus vielerlei Gründen in der Heimat geblieben. Und ein 16 Jahre alter Japaner namens Noriaki Kasai bestritt sein Weltcup-Debüt.
Im Februar 2024 ist der unglückselige Nykänen seit mittlerweile fünf Jahren tot, V-Stil-Erfinder Boklöv fast vergessen, und Weißflog, heute Hotelier am Fichtelberg, wird im Juli 60. Nur "Nori", der ist immer noch da und wieder dabei, wenn der Weltcup dreieinhalb Jahrzehnte nach jenen Dezember-Tagen am Wochenende wieder in Sapporo Station macht. Und erlebt mit bald 52 Jahren seinen x-ten späten Frühling.
"Ich habe jeden Tag so sehr an meiner Ausdauer, im mentalen Bereich und an meinem Gewicht gearbeitet", sagt Kasai: "Und endlich zahlt sich das wieder aus." Auch wenn der dauerlächelnde Kasai mittlerweile gerne selbst belächelt wird: Der Flugsaurier brennt immer noch vor Ehrgeiz - und schreibt sich nicht ab. Im Januar wurde er in Sapporo beim Continental Cup, der zweithöchsten internationalen Wettkampf-Kategorie, Neunter und schlug dabei etwa den Deutschen Meister Martin Hamann. In der vergangenen Woche gewann er den nationalen TVH-Cup vor Keiichi Sato, immerhin Vierschanzentournee-14. 2020/21.
"Das wird ein solcher Druck für mich"
Und jetzt also wieder Weltcup, als Teil von Japans nationaler Gruppe. Im Vorjahr war Kasai in Sapporo noch in der Quali gescheitert, diesmal besitzt der Skiflug-Weltmeister von, jawohl: 1992 in deutlich besserer Form gute Chancen, den Wettkampf zu erreichen - und dann als erster "50er" auf diesem Level zu starten. "Das wird ein solcher Druck für mich, als ob es um den Sieg gehen würde. Aber ich möchte dem Druck standhalten", sagt Kasai: "Denn alle warten auf mich, und die will ich nicht enttäuschen."
Dabei hatten ihn viele schon abgeschrieben. Seinen letzten Sieg hatte er 2014 mit 42 Jahren gefeiert, sein letztes Podium 2017 mit 44 Jahren erreicht, seinen 569. und bislang letzten Weltcup 2020 mit 47 Jahren bestritten - allesamt (Alters-)Rekorde. Doch danach ging nicht mehr viel, die Knie meuterten, die Fitness schwand, Kasai war mehr als Teamchef der Werksmannschaft des Tsuchiya-Konzerns gefragt, der bis 2023 auch Tourneesieger Ryoyu Kobayashi angehörte. Doch ganz aufhören: Nicht mit Nori! Der arbeitete härter als je zuvor und ist nun wieder flugfähig, gegen alle Erwartungen.
Doch was ist sein Geheimnis? Ist "Nori" in Cranachs Jungbrunnen gesprungen, hat er wie Dorian Gray seine Seele verkauft und das Altern ausgelagert? "Ich gebe immer noch mein Bestes. Das ist alles", sagt Kasai. Und lächelt.
Quelle: ntv.de, tno/sid