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Mit 85 keinen Spaß an Sprintern Der "blonde Blitz" grollt über die Leichtathletik

Hary war ein Sprinter, der abseits der Bahn aneckte.

Hary war ein Sprinter, der abseits der Bahn aneckte.

(Foto: dpa)

10,0 Sekunden. Als Armin Hary 1960 diese Zeit über 100 Meter rennt, können es die Kampfrichter nicht glauben. Er muss noch einmal laufen und schafft erneut die 10,0. Bis heute ist der Deutsche der letzte weiße Weltrekordler. Die Legende wird nun 85 Jahre alt.

21. Juni 1960. Zürich, Letzigrund. Um kurz nach 20 Uhr hämmert Armin Hary seinen Startblock mit Nägeln besonders fest auf die Aschenbahn, er zupft sich das Trikot zurecht. Nichts darf schiefgehen. Es soll sein großer Abend werden. Hary ist in Top-Form.

10,0 - unfassbar schnell.

10,0 - unfassbar schnell.

(Foto: dpa)

"Ich habe mich auf den Knall gestürzt wie ein Boxer auf den Gegner", sagte Hary einmal. Er trommelt die 100 Meter runter. 10,0 Sekunden. Zehn Komma Null! Weltrekord, eine Sensation. Die Kampfrichter sind so geschockt, dass sie die handgestoppte Zeit nicht anerkennen - Fehlstart sagen sie. "Da war die Sache für mich eigentlich erledigt", sagte Hary, doch er bekommt einen Wiederholungslauf zugestanden. Und der "Unbekannte vom Dorf" rennt 35 Minuten später noch einmal 10,0 Sekunden, bis heute ist er der letzte weiße Weltrekordler.

Seit diesem 21. Juni 1960 ist Hary eine Legende des deutschen Sports, nur 72 Tage später holt der damals 23-Jährige in Rom als bisher einziger Deutscher Olympiagold über 100 Meter, eine Woche später auch mit der 4x100-Meter-Staffel. Am heutigen Dienstag feiert er nun seinen 85. Geburtstag.

Immer noch Autogrammwünsche

"Ich denke nicht täglich daran, dass ich früher mal ein toller Hecht war", sagt Hary. Aber natürlich wird der "blonde Blitz", der Usain Bolt seiner Zeit, immer wieder auf die alten Zeiten angesprochen, die Menschen haben ihn nicht vergessen. "Jede Woche erhalte ich noch immer fünf bis zehn Autogrammwünsche aus der ganzen Welt", sagt er.

Was heute unvorstellbar klingt: Hary war auf dem Höhepunkt seines Schaffens kein gefeierter Star. Der Sohn eines Bergmanns aus dem saarländischen Quierschied wurde stets skeptisch beäugt. Er hatte den unbedingten Willen, sich nach oben zu arbeiten - auf seine Weise.

Hary war einer, der aneckte, sich wenig sagen ließ, ungestüm, aufsässig, für die Generation nach dem Krieg war er der deutsche James Dean der Aschenbahn. Bei den konservativen Funktionären wurde er aber als Rebell abgestempelt, ein Liebling der Presse war er zunächst auch nicht, wurde sogar einmal als der "zornige junge Sprinter" betitelt. "Zu meiner Zeit war der mündige Athlet noch nicht erfunden", sagte Hary süffisant: "Ich habe mir nicht viel gefallen lassen."

Ständiger Ärger mit Funktionären

Nach drei kurzen Sommern, dem Doppel-Gold bei der EM 1958 und einem weiteren aberkannten 10,0-Lauf, dem Weltrekord 1960 und dem Olympia-Triumph von Rom, macht Hary 1961 als 24-Jähriger schon Schluss. Nach dem x-ten Ärger mit Funktionären wegen eines Interviews und angeblich falscher Spesenabrechnung, und sicher auch wegen der Knieprobleme in Folge eines Autounfalls. "Es war nicht leicht, aufzuhören. Aber sie haben es mir leichter gemacht", sagte Hary. Und: "Ich hatte ja alles erreicht."

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Heute engagiert sich der Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande für seine AHA-Stiftung zur kommunalen Förderung jugendlicher Sporttalente aus sozial benachteiligten Familien. Wie er damals eines war. Täglich sitzt er am Telefon oder besucht Unternehmen, um Geld zu sammeln. "Ich bin der größte Bettler Deutschlands", sagt Hary im Scherz.

Die Leichtathletik interessiert Hary nach wie vor, aber "es macht keinen Spaß mehr", sagt er: "Es knistert nicht mehr." Und er geht mit seinen Nachfolgern hart ins Gericht. "Bei Olympia dabei zu sein, kann doch nicht alles sein. Ich kann doch nicht zu den Spielen fahren und dann da Urlaub machen." Er wollte es "in Rom allen zeigen und gewinnen. Schluss. Aus."

Quelle: ntv.de, ara/sid

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