Peking auf Olympia-Kurs Der politische Makel
08.08.2007, 09:09 UhrDie Vergabe der Olympischen Spiele 2008 an Peking war einst mit der vagen Hoffnung verbunden, dass der Olympische Geist neue Freiheiten nach China bringen würde. Ein Jahr vorher fällt die Bilanz von Menschenrechtsgruppen ernüchternd aus. Trotz der Reformen bei der Todesstrafe und größerer Bewegungsfreiheit für ausländische Journalisten "gibt es wenig Hinweise auf Verbesserungen in anderen Menschenrechtsbereichen, die mit den Olympischen Spielen zu tun haben", urteilt Amnesty International. Im Gegenteil: Da die Behörden hauptsächlich damit beschäftigt seien, "Stabilität" zu wahren und "ein gutes soziales Umfeld" zu schaffen, nähmen offenbar Festnahmen oder Hausarrest von Bürgerrechtlern und die Kontrolle der staatlichen chinesischen Medien noch zu, findet die Menschenrechtsorganisation.
Überschattet von Politik
"Das IOC kann nicht Olympische Spiele wollen, die den Makel von Menschenrechtsverletzungen tragen - seien es Familien, die aus ihren Häusern vertrieben werden, um Platz für Sportstätten zu machen, oder die wachsende Zahl friedlicher Aktivisten, die unter "Hausarrest" gehalten werden, um sie daran zu hindern, die Aufmerksamkeit auf Menschenrechtsfragen zu lenken", sagte die für Asien zuständige Vizedirektorin von Amnesty, Catherine Baber. Unbeirrt hält aber der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, an seiner Argumentation fest, dass die Spiele "eine Kraft für das Gute" seien und langfristig positive Auswirkungen auch auf Chinas Gesellschaft haben werden.
Dass die Spiele der kommunistischen Führung zur Legitimation dienen und die Ein-Parteien-Diktatur festigen, wie Kritiker hervorheben, wird beim IOC ignoriert. "Wir wollen nicht in irgendwelche politischen Fragen verwickelt werden", sagte der Chef der IOC-Koordinierungskommission, Hein Verbruggen. Auf Chinas umstrittene Fremdherrschaft in Tibet oder die Boykottaufrufe wegen Chinas Rolle in dem Flüchtlingsdrama im sudanesischen Darfur angesprochen, sagte Verbruggen: "Wir sind nicht in der Lage, Regierungen Anweisungen zu geben, wie sie sich verhalten sollen."
Mängelliste
Erste Proteste von Aktivisten wegen des Fackellaufes durch Tibet, das die Volksbefreiungsarmee 1950 besetzt hatte, geben einen Vorgeschmack darauf, was zu den Spielen noch alles kommen mag. Die Kritiker haben an China viel auszusetzen: Menschenrechtsverstöße, Lagerhaft ohne Gerichtsverfahren, Folter, die massive Anwendung der Todesstrafe, die Unterdrückung der Tibeter oder der muslimischen Uiguren in Nordwestchina, die Verfolgung von Christen oder der in China verbotenen Kultbewegung Falun Gong. Trotz aller Versprechen Pekings 2001 bei der Olympia-Bewerbung "sind bislang keine bedeutenden Fortschritte in der Menschenrechtslage weder von einzelnen Bürgern noch von ethnisch-religiösen Gruppen gemacht worden", urteilte der in München ansässige Weltkongress der Uiguren.
Verbruggen distanzierte sich beim IOC-Treffen Anfang Juli in Guatemala klar von der Kritik: "Die Art, wie die Spiele von Gruppen als Plattform für ihre politischen und sozialen Ziele benutzt werden, ist oft bedauerlich." Politischen Streit gibt es aber auch mit Taiwan, das als eigenständiger Staat in den olympischen Fackellauf eingebunden werden will, von Peking aber nur als abtrünnige Provinz angesehen wird. Die politischen Kontroversen und die Menschenrechtskritik weist die Führung in Peking gebetsmühlenartig mit dem Hinweis zurück, niemand solle die Spiele "politisieren". Es verstoße gegen den Olympischen Geist und "verletzt die Gefühle der Chinesen".
Von Andreas Landwehr, dpa
Quelle: ntv.de