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Nach Horror-Sturz in Polen Deutsche Radprofis sauer auf Veranstalter

Die Sekunden nach dem Crash: VDer Verursacher Dylan Groenewegen (links) versucht noch, sich auf dem Rad zu halten - Fabio Jakobsen war da schon schwer verletzt.

Die Sekunden nach dem Crash: VDer Verursacher Dylan Groenewegen (links) versucht noch, sich auf dem Rad zu halten - Fabio Jakobsen war da schon schwer verletzt.

(Foto: imago images/East News)

Bei der Polen-Rundfahrt kommt es zu einem üblen Sturz, ein niederländischer Radprofi wird im Etappenfinale schwer verletzt. Die Schuld suchen deutsche Spitzenfahrer vor allem bei den Veranstaltern, zwei erinnern aber auch an die eigene Verantwortung.

Der deutsche Radprofi Simon Geschke (Berlin/CCC Team) fordert nach dem folgenschweren Sturz eines Konkurrenten bei der Polen-Rundfahrt eine Entschärfung der gefährlichsten Passagen im Kalender. "Es geht darum, Risiken weitgehend zu vermeiden", sagte der 34-Jährige bei Sport1, Geschke sieht dabei die örtlichen Veranstalter ebenso in der Pflicht wie den Weltverband UCI und die Fahrervereinigung CPA.

Die CPA etwa könne sich Passagen wie den Bergab-Zielsprint in Polen "vorher anschauen. Diese Dinge stehen ja bereits Wochen vorher fest. Die CPA könnte dann grünes Licht geben, oder einwerfen, dass es so nicht geht, dass es einfach zu gefährlich ist. Wenn man am Tag zuvor die Strecke erst sieht, dann ist es zu spät, um etwas zu ändern."

Am Mittwoch war der Niederländer Fabio Jakobsen im Zielsprint bei einer Geschwindigkeit von über 80 km/h zu Fall gekommen. Der 23-Jährige war von seinem Landsmann Dylan Groenewegen abgedrängt worden. Er wurde schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert, nach einer fünfstündigen Operation war er in ein künstliches Koma versetzt worden, aus dem er am Freitag wieder erwachte.

"Jedes Jahr derselbe dumme Bergab-Sprint"

Der Sinn von Streckenabschnitten wie dem Etappenfinale vom Mittwoch erschließt sich Geschke nicht. Der Bergabsprint in Polen sehe "für die Fans am Bildschirm auch nicht spannender aus als ein normaler Sprint. Warum es dann immer noch schneller und noch steiler bergab gehen soll, verstehe ich überhaupt nicht." Auf Twitter hatte Geschke vorher noch klarere Worte gefunden: "Jedes Jahr derselbe dumme Bergab-Sprint bei der Polen-Rundfahrt. Jedes Jahr frage ich mich, warum die Organisatoren denken, das sei eine gute Idee. Massensprints sind gefährlich genug, man braucht kein Bergab-Finale mit 80 km/h", ergänzte der Tour-de-France-Etappensieger von 2015.

"Warum muss immer erst etwas Schlimmes passieren, bevor sich Dinge verändern, die UCI sich einschaltet und sagt: 'Jetzt müssen wir wirklich etwas ändern.'", fragte der deutsche Radprofi Nikias Arndt. Zugleich nahm der 28-Jährige aber alle Beteiligten in die Pflicht: "Es ist in der Verantwortung jedes Einzelnen, damit meine ich die UCI, die Veranstalter, die CPA, die Teams und die Fahrer, einen kleinen Teil dazu beizutragen, um die Anzahl und auch die Schwere der Stürze zu minimieren."

"Ich habe mir das Finale und den Crash bestimmt 30 Mal angeguckt und die Brutalität des Crash schockiert mich noch immer", twitterte Ex-Weltklassesprinter Marcel Kittel. "Ich will da jetzt niemanden angreifen. Ich bin die Polen-Rundfahrt noch nie gefahren, aber ich habe von anderen Rennfahrern gehört, dass die Rundfahrt eh schon sehr berühmt-berüchtigt ist. Ein Bergab-Sprint, bei dem man bis zu 85 km/h erreicht, da fragt man sich schon: Muss das sein?", sagte Rick Zabel, der in Polen nicht im Einsatz ist. "Ein normaler Sprint mit 50-60 km/h ist schon schnell genug. Da muss man es nicht noch riskanter machen. Solche Zielankünfte sollten verboten werden. Es ist immer schade, dass erst was passieren muss, ehe solche Diskussionen entstehen", sagte Zabel.

"Wenn sie geradeaus fahren würden ..."

Ähnlich sieht es Kittel. Er hoffe, dass die Frage nun ernsthaft diskutiert werde, ob es Bergab-Sprints mit Geschwindigkeiten von 80 km/h geben müsse, sagte der 14-malige Tour-Etappengewinner dem "Münchner Merkur". Auch Lotto-Soudal-Profi Roger Kluge stellte die Streckenführung in Frage und kritisierte zugleich das Verhalten einiger Kollegen. "Es ist ja schon seit Jahren die Frage, ob man an dieser Stelle das Ziel machen muss", sagte er der "Lausitzer Rundschau". "So etwas muss nicht sein. Einige Sprinter verlassen immer wieder ihre Linie. Wenn sie geradeaus fahren würden, dann würde es besser ausgehen."

Der ehemalige deutsche Spitzenfahrer Jens Voigt hat nach dem schlimmen Crash eine harte Strafe für Dylan Groenewegen gefordert. "Ich denke da schon an drei bis sechs Monate. Es müsste etwas sein, was weh tut und auch an alle anderen Profis das Signal sendet: Hier wurde eine rote Linie überschritten, das akzeptieren wir nicht mehr", sagte Voigt bei Sport1. Man könne nicht mit dem Leben, der Karriere oder Gesundheit eines Kollegen spielen, sagte der 48-Jährige. "Wenn die Linie so offensichtlich verlassen wurde, Leib und Leben willentlich riskiert wurden, muss es eben auch härtere Strafen geben."

Die Fahrervereinigung CPA hat den Radsport-Weltverband UCI aufgefordert, die für den folgenschweren Unfall Verantwortlichen "ausfindig zu machen und strafrechtlich zu verfolgen". In dem Statement fordert die Vereinigung außerdem "schwere Strafen für diejenigen, die Unfälle verursachen".

"Wir können die Sicherheit der Athleten nicht mehr dem Glück anvertrauen oder hoffen, dass der Veranstalter richtig handelt", sagte CPA-Präsident Gianni Bugno: "Strenge Regeln und noch strengere Kontrollen sind notwendig." Fehler zu machen sei "menschlich, aber manchmal kann es schwerwiegende Folgen haben. Die Fahrer müssen ausgebildet werden. Wir sind die ersten, die exemplarische Strafen für diejenigen fordern, die Fehler machen, aber wir erwarten dieselbe Professionalität von denen, die eine Veranstaltung organisieren."

Quelle: ntv.de, ter/dpa

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