"Werde immer ein Getriebener sein" Dopingjäger Werner Franke wird 75
31.01.2015, 15:34 Uhr
Sein 75. Geburtstag ist für Werner Franke noch lange kein Anlass sich aus dem Doping-Kampf zurückzuziehen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschlands bekanntester Anti-Doping-Kämpfer bezeichnet sich selbst als "Getriebenen". Ans Aufhören denkt Werner Franke deshalb auch an seinem 75. Geburtstag nicht: "Das Alter als Maßeinheit für Schaffenskraft herzunehmen, ist bescheuert."
75 Jahre - und kein bisschen müde: Wer hofft, Deutschlands berühmtester Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke würde seinen Ehrentag zum Anlass nehmen, allmählich den geordneten Rückzug aufs Altenteil einzuleiten, ist auf dem Holzweg. Franke begegnet der 75 mit der Klarheit eines positiven Dopingtests. "Das Alter als Maßeinheit für Schaffenskraft herzunehmen, ist bescheuert", sagt Franke: "Ich bin ein Getriebener und werde es immer bleiben."

Werner Franke ist ein international geachteter Zell- und Molekularbiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg.
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So legte der unbequeme Geist nur eine kleine Verschnaufpause ein, als ihm zu Ehren am Freitag zahlreiche seiner Doktoranden zu einer Feierstunde nach Heidelberg kamen. An seinem heutigen Geburtstag kommt die Familie zum Zuge. Danach wird Franke wieder seinen Finger in Wunden legen, ohne Rücksicht auf Verluste.
Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
Der Anti-Doping-Kampf, der ihn berühmt gemacht hat, ist für Franke eine Art notwendiges Übel, das sein ausgeprägter Hang zu Gerechtigkeit ihm abverlangt. Es sind viel mehr seine Verdienste um die Krebsforschung, die ihn mit Stolz und Zufriedenheit erfüllen. "Wenn ich in der Grube liege, und das ist ja gar nicht mehr so weit hin, tragen immer noch Proteine und Gene, die ich entdeckt habe, den Namen, den ich ihnen geben durfte", sagt Franke: "Das stellt mich zufrieden.
"Die "Dopingsache", sagt er, mache ihn dagegen "nur ärgerlich".
Mehrere Dutzend Prozesse haben er und seine Frau Brigitte Franke-Berendonk im Anti-Doping-Sinne geführt - und die meisten und wichtigsten gewonnen. Franke-Berendonk, die Ende der 1960er Jahre als desillusionierte Diskuswerferin den Anti-Doping-Kampf in Deutschland quasi aus der Taufe gehoben hatte, hat sich, entkräftet und angewiedert, längst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Nun kämpft ihr Mann für sie mit, leidenschaftlich und verbissen. "Ich bin Ostwestfale", sagt der gebürtige Paderborner, "und an uns sind 9 nach Christus noch nicht mal die Römer vorbeigekommen."
DDR-Staatsdoping enttarnt
Der weltweit geachtete Molekularbiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum ist ausgestattet mit einem phänomenalen Gedächtnis, messerscharfem Verstand und immenser Erfahrung. Der Aufklärer aus Passion rückt Dopingbetrügern mittlerweile seit über 30 Jahren zu Leibe.
Und er bereut kaum etwas. In einer legendären Sportstudio-Sendung im Jahr 1977 sprang er seiner Frau, die von der deutschen Sportmediziner-Legende Joseph Keul sexistisch-plump attackiert wurde, zur Seite. Er tat es analytisch zurückhaltend - und fand kaum Gehör. "Seitdem nenne ich Dinge beim Namen, so, dass sie verstanden werden", sagt Franke.
Ihr Meisterstück lieferten Franke und seine Frau kurz nach der Wiedervereinigung. Das Paar schleuste hochbrisante Dokumente aus dem Tresorraum der Nationalen Volksarmee in Bad Saarow, bevor die Papiere im Reißwolf landeten. Die "vertraulichen Verschlusssachen" in den Händen der "ehrenwerten und gewissenhaften Quälgeister" (FAZ) brachten das Staatsdoping der DDR ans Licht, 1991 aufgeschlüsselt in dem weltweit beachteten Buch "Doping-Dokumente".
Bundesverdienstkreuz für Doping-Kampf
Die DDR-Spitzenfunktionäre Manfred Ewald und Manfred Höppner kamen in den Berliner Prozessen 1999/2000 mit Geldbußen und Bewährungsstrafen davon, Berendonk/Franke mussten sich allein in dieser Zeit in insgesamt zwölf Zivil- und zehn Strafprozessen zur Wehr setzen. Das Paar verlor keinen einzigen. Franke gewann später auch einen vierjährigen Prozessmarathon gegen Jan Ullrich, dessen tiefen Fall er maßgeblich beschleunigte.
"Er ist unerbittlich gegen alles, was er als ungerecht empfindet", sagt Frankes Anwalt Michael Lehner, der ihn in gut 30 Prozessen vertreten hat: "Er ist ein Dickschädel, der bis an die Schmerzgrenze geht. Er besitzt eine so überragende Intelligenz, dass man als Normalsterblicher oft dreimal nachdenken muss, ehe man sagt: Ja, das ist logisch, Franke hat recht. Ich möchte ihn nicht als Feind haben."
Gemeinsam mit seiner Frau erhielt Franke 2004 das Bundesverdienstkreuz für seinen Kampf gegen Doping, trotz immenser Widerstände aus dem Sport. Heute steht er dem Dopingopfer-Hilfe-Verein beratend zur Seite, stellt ihm auch sein Archiv zur Verfügung, das besser als jedes andere das Unrecht im deutschen Sport dokumentiert. Er will es weiter füllen, sein Ziel immer vor Augen: "Die Aufklärung, die Wahrheit."
Quelle: ntv.de, Jörg Mebus, sid