Doping-Fiasko bei der Tour Eigene Rennliga im Gespräch
29.07.2007, 12:07 UhrZwischen dem Radsport-Weltverband UCI und der Tour-Organisation ASO fliegen die Giftpfeile, das Peloton ist in zwei Lager gespalten und die TV-Kanäle schalten das Bild ab. Nach dem Doping-Fiasko bei der 94. Tour de France steht der Radsport sogar vor einer großen Revolution. Die Rufe nach einer Entmachtung der UCI werden immer lauter, eine neue Rennserie ist im Gespräch.
"Es gibt nur eine Lösung - und das ist der Rücktritt der UCI-Offiziellen", forderte ASO-Präsident Patrice Clerc und ergänzte: "Der UCI fehlt jede Klarheit und Transparenz. Sie ist zutiefst gewissenlos." Man werde sich Ende Oktober mit allen zusammensetzen, die eine Veränderung wollen. Die UCI ist bei dem Treffen nicht vorgesehen.
Eigene Rennliga
Eine Abspaltung vom alten System der UCI wird inzwischen offen diskutiert. "Ein Private Equity Fonds zeigt Interesse, eine eigene Rennliga mit 60 bis 80 Renntagen auf die Beine zu stellen", sagte Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer dem Focus. So könnte unter dem Dach der ASO eine saubere Profiliga installiert werden, in enger Zusammenarbeit mit der Welt-Anti-Doping-Agentur und einem strikten Ethikcode als Eintrittskarte.
UCI-Chef Pat McQuaid kanzelte die Forderung der Tour-Offiziellen als "lächerlich" ab. "Vielleicht ist die Tour sogar der Grund für das Doping-Problem. Sie ist nur Geld-orientiert. Doping ist seit vielen Jahren Teil der Tour, und die Organisatoren haben lange nur zugeschaut. Doch jetzt, wo vieles transparenter geworden ist, lässt sich das Problem nicht mehr so einfach verstecken. Die ASO täte gut daran, auf den Weg der Vernunft zurückzukehren. Doping kann nur gemeinsam bekämpft werden", sagte der Ire, der bei der "Grand boucle" zur unerwünschten Person geworden ist.
Gemeinsame Lösung nicht in Sicht
Angesichts derart verhärteter Fronten ist eine gemeinsame Lösung kaum vorstellbar. Der Streit war durch den Fall Rasmussen ausgebrochen. Die Tour-Organisatoren warfen der UCI vor, Fakten verschwiegen und entgegen des eigenen Reglements gehandelt zu haben.
Laut UCI-Code muss ein Fahrer von einer großen Rundfahrt ausgeschlossen werden, wenn er sich 45 Tage davor einer Dopingkontrolle entzieht. Die UCI habe mit der Starterlaubnis für Rasmussen der Tour, die sich seit Jahren der ProTour verweigert, damit schaden wollen. McQuaid wertet diese Regel derweil als "zu hart" und will sie künftig sogar entschärfen.
"Es gibt eine Instrumentalisierung des Doping-Problems im Kampf zwischen UCI und ASO. Wenn so ein ernstes Problem dazu benutzt wird, sich gegenseitig zu bekriegen, kann man der Sache nicht dienen", bemängelt Holczer.
"Die UCI redet notgedrungen mit uns"
Auch beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR) ist man auf die UCI nicht allzu gut zu sprechen. "Die UCI redet notgedrungen mit uns. In Deutschland findet im Herbst die Rad-WM statt. Die UCI hat ein Interesse daran, dass sie auch stattfindet", sagt BDR-Präsident Rudolf Scharping.
So hatte die UCI nach einem Ultimatum erst in letzter Sekunde der Anti-Doping-Vereinbarung zugestimmt. Ob und inwieweit die WM über die Bühne geht, ist immer noch offen. Auch hinter dem Ablauf der Deutschland-Tour (10. bis 18. August) steht ein Fragezeichen, und die TV-Übertragung ist immer noch nicht gesichert.
Doch nicht nur an oberster Stelle wird gestritten, auch das Peloton ist gespalten. Die sechs französischen und zwei deutschen Rennställe wollen für einen sauberen Radsport stehen. Auf der anderen Seite würden insbesondere die spanischen Teams liebend gern so weitermachen wie bisher.
Tour-Chef Christian Preudhomme will in Zukunft aber auch nicht vor gravierenden Maßnahmen zurückschrecken: "Wir haben kein Problem damit, in Zukunft mit einem kleineren Peloton zu fahren. Auch wenn dadurch weniger Geld von den Sponsoren fließt."
Quelle: ntv.de