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Erst bockig, dann raus Ein Weltklasse-Doppel produziert zwei kuriose Marathons

Rajeev Ram (links) und Joe Salisbury hatten zwischenzeitlich Spaß, am Ende nicht mehr.

Rajeev Ram (links) und Joe Salisbury hatten zwischenzeitlich Spaß, am Ende nicht mehr.

(Foto: IMAGO/Colorsport)

Aufregende Stunden für das Doppel-Team Rajeev Ram und Joe Salisbury beim Tennisturnier in Wimbledon: Zwei Marathons hintereinander liefert das Weltklasse-Duo. Einmal sorgt es für einen Eklat, beim zweiten Mal erlebt es einen sportlichen Albtraum.

Rajeev Ram und Joe Salisbury sind eines der besten Doppel-Gespanne der Tenniswelt, das Duo führt die Weltrangliste an, gemeinsam gewann es seit 2019 zwei Grand-Slam-Titel und stand 2021 zum Saisonabschluss im Endspiel um den inoffiziellen Doppel-Weltmeistertitel. Doch die letzten beiden Tage von Wimbledon werden den erfolgreichen Tennisprofis sicher in Erinnerung bleiben. Und nicht in bester. Denn das Turnier ging früher zu Ende als erhofft und gleichzeitig später, als es zwischenzeitlich aussah.

Da war zuerst das Viertelfinale am Dienstag, bei dem die US-Open-Sieger von 2021 für einen Eklat sorgten - und sich zwischenzeitlich weigerten, weiterzuspielen. Beim Stand von 5:5 glaubten Ram und Salisbury, dem französischen Duo Nicolas Mahut und Édouard Roger-Vasselin deren Aufschlagsspiel möglicherweise satzvorentscheidend abgenommen zu haben. Nein, sie glaubten es nicht, sie waren sich sicher. Einen Ball der Franzosen sahen sie deutlich hinter der Grundlinie, doch das elektronische Hawk-Eye-System war anderer Meinung: Der Ball hat die Linie noch gekratzt, meldete das System, das seit 2006 auf den Courts der wichtigsten Turniere der Welt im Einsatz ist.

Und das sorgte dafür, dass Ram/Salisbury so richtig sauer wurden: Die Entscheidung sei "absolut lächerlich", der Ball sei "auf keinen Fall" gut gewesen. Stuhlschiedsrichter Fergus Murphy, der sich der elektronischen Entscheidungsfindung anschloss, solle das "Falkenauge" sofort ausschalten, andernfalls werde man nicht weiterspielen, wütete das amerikanisch-britische Duo. "Wir schalten die Maschine ab. Wir sind hier nicht in der Zukunft, Mann", forderte Ram. "Sie wissen, dass es falsch ist. Können Sie Ihren Vorgesetzten holen?" Der Supervisor erschien, bei der Entscheidung blieb es jedoch - und das Hawk-Eye wurde auch nicht ausgeschaltet. Der Oberschiedsrichter versprach immerhin, eine Untersuchung durchzuführen, ob das System den knappen Ball richtig angezeigt hatte.

"Sollten alle mal Augen überprüfen lassen"

Das Top-Duo spielte dann doch weiter, aber anstatt das Break bejubeln zu dürfen, verloren Ram/Salisbury den Satz später schwer genervt im Tiebreak. "Wir haben uns natürlich ziemlich darüber aufgeregt, waren ziemlich frustriert. Wir hätten zum Satzgewinn aufschlagen müssen. Manchen Leuten hilft der Ärger. Mich macht es nur wütend und ich reagiere nicht wirklich gut darauf. Ich habe es geschafft, es aus meinem Kopf zu verdrängen", berichtete Salisbury von seinem Zustand Ende des zweiten Satzes.

Sein Partner Rajeev Ram saß zu Beginn des dritten Satzes mehrfach den Kopf schüttelnd auf seinem Stuhl, noch sichtlich irritiert vom Ende des zweiten Durchgangs. Nach dem dritten Spiel kam der Supervisor zurück auf den Platz und verkündete den ungläubigen Tennisprofis, dass das elektronische System alles richtig gesehen habe. Irgendwann war die Krise dann aber doch überwunden, nach 3 Stunden und 17 Minuten zog das an Position 1 gesetzte Duo mit einem 6:3, 6:7 (1:7), 6:1, 3:6, 6:4 ins Halbfinale ein.

"Ich glaube, das ist unser erster Fünf-Satz-Sieg", sagte Salisbury. "Wir haben vor ein paar Jahren schon einmal fünf Sätze gespielt und 13:12 im fünften Satz verloren. Ich glaube, wir waren einfach sehr glücklich darüber, dass wir das ganze Spiel über durchgehalten haben." Mit Blick auf den Aufreger des Spiels gab sich die Nummer eins der Doppel-Weltrangliste dann auch entspannt: "Wir dachten, er sei weit im Aus. Wir konnten nicht einmal glauben, dass sie ihn angefochten haben. Ich denke, es besteht die Möglichkeit, dass wir es alle falsch gesehen haben - der Linienrichter, der Schiedsrichter, wir", sagte Salisbury schmunzelnd. "Vielleicht sollten wir alle mal unsere Augen überprüfen lassen."

"Wie konnten sie den fünften Matchball nicht verwandeln?"

Im Halbfinale lief es für Ram/Salisbury dann so richtig gut. Zumindest sehr, sehr lange: 6:3 gewannen die beiden gegen das australische Duo Matthew Ebden und Max Purcell, 7:6 den zweiten und im dritten Satz hagelte es im Tiebreak Matchbälle: Fünfmal hatten Ram und Salisbury die Chance, das Match schnell zu beenden und den Finaleinzug perfekt zu machen. Und fünfmal schafften sie es nicht. So entwickelte sich auf Court Nummer 1 an der ehrwürdigen Church Road ein Doppel-Krimi, an dessen Ende eine bemerkenswerte Aufholjagd stand. Beim zweiten Matchball vergab Ram eine kurze Vorhand, beim vierten machte Salisbury einen Doppelfehler, "und die beiden müssen sich immer noch fragen, wie sie den fünften nicht verwandeln konnten", heißt es auf wimbledon.com. "Ram schlug einen Aufschlag-Return direkt auf Purcell am Netz, der instinktiv seinen Schläger in den Weg stellte und zusah, wie der Ball in einem spitzen Winkel von der Kante des Rahmens zu einem sauberen Winner flog."

Die Australier gewannen den Tiebreak schließlich 11:9, danach ging es dann schnell: 3:6 6:7 (1:7) 7:6 (11:9), 6:4, 6:2 hieß es am Ende des zweiten kuriosen Ram/Salisbury-Marathons binnen 48 Stunden für Purcell/Ebden. Im Schatten des Center Courts jubelten nach 3 Stunden und 59 Minuten diesmal die anderen, Ram und Salisbury mussten konsterniert eine bittere Niederlage quittieren. Es war die zweite gegen die Australier, schon im Halbfinale der Australian Open hatte man im Januar das Nachsehen. Purcell und Ebden treffen nun in ihrem zweiten Grand-Slam-Endspiel der Saison auf Mate Pavic und Nikola Mektic. Die Titelverteidiger setzten sich nach 4 Stunden und 22 Minuten im Champions-Tiebreak des fünften Satzes gegen die Kolumbianer Juan Sebastian Cabal und Robert Farah durch.

Quelle: ntv.de, ter

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