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Daniels reanimiert Washington Eine spektakuläre Last-Minute-Pleite wird zum großen Coup

Jayden Daniels ist der Top-Rookie der NFL.

Jayden Daniels ist der Top-Rookie der NFL.

(Foto: USA TODAY Sports via Reuters Con)

Es sieht ungewohnt aus, aber die Washington Commanders gehören nach vier Spielen tatsächlich zu den besten NFL-Teams. Das liegt auch an Jayden Daniels. Der Quarterback ist zwar Rookie, spielt aber schon routiniert - und hat bereits Liga-Rekorde aufgestellt. 

Es hätte auch anders kommen können. Ganz anders. Zwar möchten sie bei den Washington Commanders derzeit lieber nicht allzu viel darüber nachdenken. Doch ein Rückblick ist hier angebracht. Er ist sogar ein Muss. Und mit ihm die Frage, was wäre wohl gewesen, wenn? Wären sie in Amerikas Hauptstadt derzeit so glückselig wie schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr? Wären die Commanders nach vier Spielen Spitzenreiter der NFC East? Wäre das Trikot von Washington-Quarterback Jayden Daniels in den vergangenen Tagen das meistverkaufte der gesamten Liga gewesen? Nein. Nein. Und nochmals nein.

All das wäre nicht passiert ohne diese entscheidende Szene in der Partie der Commanders am 24. Dezember des vergangenen Jahres bei den New York Jets. Es waren nur noch wenige Sekunden zu spielen, Washington führte 28:27. Doch die Jets hatten noch eine letzte Chance, dieses Match zu gewinnen. Allerdings musste Kicker Greg Zuerlein dafür ein Field Goal erzielen, aus 54 Yards Entfernung. Keine einfache Aufgabe bei diesen tiefen Temperaturen. Doch Zuerlein meisterte die Herausforderung, traf und New York gewann 30:28.

Für die Commanders dürfte diese knappe Niederlage an Heiligabend rückblickend allerdings das allerschönste Weihnachtsgeschenk gewesen sein. Washington hatte dadurch eine Bilanz von 4:11 - und eben nicht von 5:10. Und da Washington anschließend auch die beiden letzten Hauptrunden-Partien gegen San Francisco und Dallas verlor, beendeten die Commanders die Saison zwar lediglich mit vier Siegen aus 17 Spielen - und somit mit der zweitschlechtesten Bilanz nach den Carolina Panthers (2:15).

Ohne Zuerleins Treffer kein Daniels in Washington

Doch in Nordamerikas Profiligen dürfen - damit, zumindest rein theoretisch, jeder Mal die Chance hat, Meister zu werden - die schlechtesten Teams beim Talentebasar Draft als erste auf die besten Nachwuchsspieler zugreifen. Die Commanders waren Ende April als zweites Team an der Reihe - und entschieden sich für Quarterback Jayden Daniels. Hätte Zuerlein sein Field Goal nicht verwandelt und Washington den Platz als Sieger verlassen, hätten die Commanders eben fünf Spiele gewonnen. Sie wären somit in der Rangliste der schlechtesten Vereine nicht ganz so weit unten gewesen und hätten sich deshalb erst später einen Nachwuchsspieler aussuchen dürfen. Der äußerst begehrte Jayden Daniels wäre dann sicherlich nicht mehr zu haben gewesen.

Doch nun ist der 23-Jährige in Washington. Und er ist ein Volltreffer. Der Neue avancierte sofort zum Anführer. Er ging voran, übernahm Verantwortung, suchte das Risiko. So, als wäre er nicht erst seit wenigen Wochen in dieser Liga, sondern schon seit einigen Jahren. Als hätte er alles, was da auf ihn zukommt, schon erlebt und gesehen - und zwar mehrfach. "Er sieht überhaupt nicht aus wie nein Rookie aus", lobte Legende Tom Brady. Und ein Lob vom erfolgreichsten Profi der NFL-Geschichte kommt in diesem Sport einem Ritterschlag gleich.

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Daniels habe seine Offensive "komplett unter Kontrolle", so Brady weiter. Er verteile den Football "an viele Receiver", laufe auch selbst mit dem Football. Kurzum: Er mache so viele Dinge und sein Team stehe an der Spitze der NFC East. Erstmals seit 2011 ist Washington wieder mit einer Bilanz von 3:1-Siegen gestartet.

Ewig strauchelnde Franchise lebt wieder auf

Und nicht nur Brady ist vom jungen Quarterback begeistert. Daniels hat die Liga in nur vier Spielen erobert, Fans und Fachleute euphorisiert. Er hat NFL-Rekorde aufgestellt und zugleich - und das ist vielleicht noch schwerer gewesen - eine, wie ESPN.com schreibt, "lange Zeit strauchelnde Franchise wieder aufleben lassen."

Colin Cowherd spricht von einer "wunderbaren Jayden-Daniels-Story." Der 60-Jährige ist einer der bekanntesten Sports-Talker in den USA. Seine dreistündige Show "The Herd with Colin Cowherd" wird werktags parallel live bei Fox Sports im Radio und Fernsehen übertragen. Als Kind, sagte Cowherd dieser Tage, sei Washington "in den frühen und späten 70ern" sein "Lieblingsverein" gewesen.

Vom Titelträger zur Trostlosigkeit

Jayden Daniels hat einen exzellenten Arm.

Jayden Daniels hat einen exzellenten Arm.

(Foto: dpa)

Zwischen 1983 und 1992 gewann die Franchise unter seinem berühmten Trainer Joe Gibbs dreimal den Super Bowl. Ab der Jahrtausendwende gab es unter Eigentümer Daniel Snyder dann allerdings zwei dunkle Dekaden. Aber nun, sagt Cowherd, mache Washington "wieder Spaß." Der Verein habe eine "unglaubliche Anhängerschaft". Sie erinnere ihn an "die Golden State Warriors vor Steph Curry."

Zur Einordnung: Der Basketball-Klub aus dem Großraum San Francisco war viele Jahre populär und wurde in der Saison 1974/75 Meister in der NBA. Dass die kalifornischen Krieger in der Finalserie gegen die favorisierten Washington Bullets die vier für den Titel benötigten Siege in nur vier Spielen holten, gilt immer noch als eine der größten Überraschungen in der Geschichte der Liga. Doch dann folgte eine 40-jährige Durststrecke. Erst 2015 waren die Warriors, angeführt vom 2009 gedrafteten Steph Curry, wieder Nordamerikas erste Basketball-Adresse. Bis 2022 folgten drei weitere Meisterschaften.

Offensiv-Statistiken wie in der letzten Meistersaison

Ob sich eine ähnliche Erfolgsstory in Washington schreiben lässt? Mit Jayden Daniels als Hauptakteur? Dazu ist es natürlich noch viel zu früh. Aber der Hype und die Begeisterung sind endlich wieder da. Vor allem nach den beiden Auswärtssiegen in Cincinnati (38:33) und in Arizona (42:14). Zwei gewonnene Spiele nacheinander mit jeweils mindestens 38 Punkten - das hatte Washington zuletzt in der Meistersaison 1991/92 geschafft.

Noch beeindruckender, weil bislang einzigartig in der NFL-Historie: 82,1 Prozent von Daniels’ Pässe fanden in den vier Partien den Mitspieler. Ein "absurder Wert", befand die "Sports Illustrated". Bei den Siegen in Cincinnati und Arizona hatte Daniels sogar jeweils eine "Completion Rate" von jeweils mindestens 85 Prozent. So genau hatte in der Liga-Geschichte noch nie ein Quarterback in zwei aufeinanderfolgenden Begegnungen geworfen.

Beeindruckend unbeeindruckt

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Doch Daniels hat nicht nur einen exzellenten Arm, sondern verfügt auch über ein starkes Laufspiel. Vier Mal trug er den Football bereits zum Touchdown in die gegnerische Endzone, verzeichnete insgesamt einen Raumgewinn von 218 Yards. Bei der Wahl zum "Rookie des Monats" konnte es im September nur einen Sieger geben: Jayden Daniels. Er spiele unter all den Neulingen "in seiner eigenen Liga", hieß es in der "Sports Illustrated."

Daniels selbst bleibt von all den Fanfaren, den Lobpreisungen und der Euphorie beeindruckend unbeeindruckt. "Ihr könnt sagen, was ihr wollt, ich bin immer noch ein Rookie", betonte er zuletzt auf einer Pressekonferenz. Und weil Daniels sich eben noch als Neuling sieht, überlasse er all das Gerede lieber anderen, so der 23-Jährige weiter. Ihm ist es wichtiger, auf dem Platz zu glänzen. Diesmal im Heimspiel gegen Cleveland.

Quelle: ntv.de

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