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Andrew Gilding gewinnt UK Open Ex-Metzger vollendet gegen den Superstar ein Darts-Wunder

Die UK Open und ihr größtes Wunder: Andrew Gilding ist der neue Champion.

Die UK Open und ihr größtes Wunder: Andrew Gilding ist der neue Champion.

(Foto: Kieran Ceeves/PDC)

Darts-Wunder bei den UK Open: Der Weltranglisten-41. Andrew Gilding gewinnt den "FA Cup des Darts", bezwingt im Finale Superstar Michael van Gerwen mit 11:10. Der Triumph des gelernten Metzgers ist die größte Sensation in der Turniergeschichte.

Das Wort Sensation ist erfunden worden für das, was am späten Sonntagabend beim speziellsten Darts-Turnier des Jahres passiert ist. Andrew Gilding, 52 Jahre alt, in der Weltrangliste auf Platz 41 notiert, gewinnt die UK Open und sorgt damit für das größte Darts-Wunder in der Turniergeschichte. Im Finale gegen Superstar Michael van Gerwen spielt Gilding, als hätte er jahrelange Erfahrung mit großen Endspielen. Direkt seinen ersten Matchdart nutzt der gelernte Metzger, trifft die Doppel 20 und streicht umgerechnet rund 125.000 Euro Preisgeld ein.

"Ich kann das nicht glauben. Ich habe nicht erwartet, dass ich dieses Spiel gewinnen würde. Ich habe das ganze Wochenende über konstant gespielt, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich besonders gute Darts gespielt habe", sagte Gilding im Siegerinterview. Und tatsächlich war Gilding das gesamte Wochenende über eher ein Spieler, der unter dem Radar flog. Bis er am Sonntagnachmittag im Viertelfinale den Deutschen Martin Schindler klar mit 10:4 bezwang und am Abend auch das Halbfinale gegen den zweiten Sensationsmann Adam Gawlas (Weltranglistenplatz 62 vor dem Turnier, jetzt 48) souverän mit 11:6 für sich entschied.

Finale gegen Michael van Gerwen

Michael van Gerwen war der dominante Spiel des Turniers, dann kam Gilding.

Michael van Gerwen war der dominante Spiel des Turniers, dann kam Gilding.

(Foto: Kieran Cleeves/PDC)

Losglück gehört bei den UK Open naturgemäß dazu. Das Turnier wird als "FA Cup des Darts" betitelt, weil es das einzige Event im Jahr ohne eine Setzliste ist. Das heißt, die besten Spieler können sich frühzeitig aus dem Turnier nehmen und Außenseiter das Turnier ihres Lebens spielen, weiter kommen als es ihre Spielstärke im Normalfall zulässt. Ein solches Turnier hat Andrew Gilding an diesem ersten März-Wochenende gespielt. Im Finale stand dem wortkargen Engländer, dessen größte Regung auf der Bühne ein Daumen hoch nach einer 180 ist, jedoch der erfolgreichste Spieler der vergangenen zehn Jahre gegenüber.

Michael van Gerwen hatte sich auch ganz ohne Losglück souverän ins Endspiel gespielt. Der dreifache Weltmeister besiegte auf seinem Weg unter anderem die Top-10-Spieler Luke Humphries, Nathan Aspinall und Dimitri Van den Bergh.

Und das Finale begann dann auch so, wie es die Fans im südenglischen Minehead, die TV-Experten und wohl auch die Finalisten selbst erwartet hatten. Michael van Gerwen ging schnell mit 2:0 in Führung. Dann war "Goldfinger", das ist der Spitzname des Engländers wegen seiner goldenen Darts, aber plötzlich zur Stelle. Vier Legs in Folge gingen an Gilding. Van Gerwen musste kämpfen, zog sich aus seinem Loch aber heraus, gewann seinerseits vier Legs nacheinander. Im Anschluss hielt van Gerwen seinen Vorsprung, ohne sich aber entscheidend abzusetzen. Aus einem 5:8-Rückstand machte Gilding zunächst ein 7:8, schließlich ein 9:9.

Van Gerwen schaltete dann nochmal einen Gang höher, checkte 170 Punkte - das höchste Finish im Darts - zum 10:9. Doch Gilding bieb dran, glich erneut aus zum 10:10. Ein einziges Leg musste über Sieg und Niederlage entscheiden, über 110.000 Pfund Preisgeld für den Sieger und 50.000 für den unterlegenen Finalisten.

Michael van Gerwen hatte den Vorteil, anfangen zu dürfen, erspielte sich folgerichtig einen Matchdart auf der Doppel 16, verfehlte diesen aber ungewohnt deutlich. Gilding, als wäre es normal, dass der Weltranglisten-41. in einem Major-Finale steht, nutzte dagegen direkt seine erste Chance zum Triumph. Doppel 20 ins Glück.

"Habe aufgehört, faul zu sein"

Im Interview wurde Gilding anschließend auch gefragt, warum er im Alter von 52 Jahren plötzlich so gut geworden sei, dass er eines der größten Turniere des Jahres gewinnen konnte. "Ich habe aufgehört, faul zu sein. Ich habe mehr trainiert, hart gearbeitet, das zahlt sich jetzt aus. Ich habe Darts endlich ernst genommen", antworte Gilding lapidar und legte noch einen Schmunzler oben drauf: "Jetzt muss ich all diese großen Titel gewinnen".

Beide Daumen nach oben: Andrew Gilding zeigt nach dem Sieg bei den UK Open eine Gefühlsexplosion.

Beide Daumen nach oben: Andrew Gilding zeigt nach dem Sieg bei den UK Open eine Gefühlsexplosion.

(Foto: Kieran Cleeves/PDC)

Das wird zwar nicht passieren. Allein der Titelgewinn von "Goldfinger" bei den UK Open ist aber schon eine Sensation von historischem Ausmaß. Allenfalls der WM-Finaleinzug von One Hit Wonder Kirk Shepherd im Jahr 2008 oder der WM-Sieg beim Debüt von Rob Cross 2018 können mithalten. Wer vor dem Turnier auf Gilding getippt hat, der sollte jetzt konsequenterweise auf den SC Freiburg als Deutschen Meister oder den 1. FC Nürnberg als DFB-Pokalsieger tippen.

Gildings Sieg zeigt auch, wie unberechenbar der Dartsport mittlerweile geworden ist. Im Vorjahr gewann Danny Noppert die UK Open, im Herbst schnappte sich Ross Smith den Titel bei der European Championship, im Januar siegte Chris Dobey beim Masters und spielte sich damit überraschend noch in die lukrative Premier League. Sie alle standen oder stehen auch nach ihren Turniersiegen außerhalb der Top 16 in der auf dem Preisgeld der letzten zwei Jahre basierenden Weltrangliste. Das waren anders als der Gilding-Erfolg keine Sensationen von historischem Ausmaß, aber dennoch bemerkenswerte Leistungen.

Für Martin Schindler war im Viertelfinale gegen Gilding Endstation.

Für Martin Schindler war im Viertelfinale gegen Gilding Endstation.

(Foto: Kieran Ceeves/PDC)

Darts ist eine Sportart, die Überraschungen und Sensationen geradezu befeuert. Das Geld ist nicht so wichtig wie anderswo, die Einstiegshürden in den Sport sind marginal. Eine Dartscheibe kostet kein Vermögen und braucht kaum Platz. Und selbst ein höheres Alter ist kein K.-o.-Kriterium für eine große Karriere. "Ich hatte immer schon ein Dartboard zu Hause, aber habe erst angefangen, ernsthaft zu spielen, als ich 2008 meinem lokalen Pub-Team beigetreten bin", sagte der aus der Grafschaft Suffolk, nordöstlich von London, stammende Gilding vor neun Jahren. Damals hatte er der Lokalzeitung East Anglian Daily Times eines seiner rar gesäten Interviews gegeben.

Karrierestart erst mit 38

Im Alter von 38 Jahren begann Gildings Laufbahn also in einem Pub in Suffolk. Er spielte zunächst bei Turnieren des Amateurverbands BDO mit und feierte 2011 überraschend den Gewinn der Gibraltar Open. Kurz danach gab der gelernte Metzger und ehemalige Fabrikarbeiter auch schon sein TV-Debüt bei einem großen Turnier. Als Pub-Qualifikant durfte "Goldfinger" bei den UK Open 2011 der Profidartorganisation PDC mitmischen, erreichte überraschend die Runde der letzten 32. Im Jahr darauf schaffte Gilding sogar die Quali für die Profitour, 2015 stand er dann plötzlich im Halbfinale der UK Open. Es sollte jahrelang sein einziges Top-Ergebnis bei einem großen PDC-Turnier bleiben.

Zwischenzeitlich verlor Gilding den Status als Profispieler auch wieder, 2020 stand er am Jahresende nur noch auf Platz 146 der Weltrangliste. Im ganzen Jahr sammelte er gerade mal 6.600 Pfund Preisgeld ein. 2021 sah es zunächst besser aus, als dem Engländer überraschend die erneute Qualifikation für die Profitour gelang. Das erste Jahr im Kreis der 128 PDC-Profis verlief jedoch enttäuscht. Trotz Profistatus strich Gilding nur 8.000 Pfund Preisgeld ein.

Der Durchbruch in Richtung größerer Geldtöpfe sollte schließlich im Jahr 2022 aus dem Nichts folgen. Gilding qualifizierte sich für zwei Finals bei kleineren Turnieren auf der Pro Tour und zog am Ende des Jahres ins Endspiel eines European Tour Events ein. In Summe flossen 90.000 Pfund, umgerechnet etwa 100.000 Euro Preisgeld, auf Gildings Konto.

Mit dem Sensationssieg bei den UK Open hat Gilding aber nun selbst diese Summe in den Schatten gestellt. In der Weltrangliste ist der 52-Jährige nun auf Platz 25 notiert. Zum Vergleich: der fünffache Weltmeister Raymond van Barneveld ist die 31 der Welt, der zweifache Weltmeister Gary Anderson liegt nur zwei Plätze vor Andrew Gilding, der mit dem Sieg bei den UK Open einen Platz in den Geschichtsbüchern des Dartsports sicher hat.

Quelle: ntv.de

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