Spionage in der Formel 1 FIA macht Druck auf McLaren
07.09.2007, 16:35 UhrDer Internationale Automobil-Verband FIA ist in der ebenso brisanten wie ominösen Spionage-Affäre der Formel 1 in die Offensive gegangen und hat den Brief veröffentlicht, den er an die drei McLaren-Mercedes-Piloten wegen dieses Falls geschrieben hat.
Darin fordert FIA-Präsident Max Mosley den zweimaligen Formel-1-Weltmeister Fernando Alonso, den aktuellen WM- Spitzenreiter Lewis Hamilton und Ersatzfahrer Pedro de la Rosa auf, Kopien des ihnen "möglicherweise" zugegangenen geheimen Materials über den neuen Ferrari an den Dachverband zu schicken. Sollte sich später herausstellen, dass sie wichtige Informationen zurückgehalten hätten, würden ihnen ernsthafte Konsequenzen drohen.
Fairness und Rechtmäßigkeit
Das per Fax und Post verschickte Original stammt vom 31. August. Die FIA publizierte nun im Vorfeld des Großen Preises von Italien eine Kopie des Briefes an den Spanier de la Rosa. An dessen Landsmann Alonso und den Briten Hamilton seien identische Schreiben gegangen.
Darin heißt es: "Die FIA wurde über eine Unterstellung informiert, dass einer oder mehrere McLaren-Fahrer im Besitz von wichtigen schriftlichen Beweisen dieser Untersuchung seien oder kurzfristig gewesen sein könnten."
Detailliert aufgeschlüsselt forderte der Dachverband die Adressaten auf, alles im Zusammenhang mit der Spionage-Affäre stehende Material per Kopie zuzuschicken. "Sie werden begrüßen, dass es eine Pflicht aller Wettbewerber und Besitzer einer Superlizenz ist, Fairness und Rechtmäßigkeit in der Formel-1-Weltmeisterschaft sicherzustellen."
"Schlagkräftiger Gegenbeweis"
Mosley, der selbst Jurist ist, setzte die Verdächtigten unter Druck: Einerseits sicherte ihnen der Präsident für den Fall vollständiger Kooperation zu, es würde nicht gegen sie im Rahmen des Internationalen Sportgesetzes der Formel 1 ermittelt. Andererseits drohte Mosley: "Sollte jedoch später ans Licht kommen, dass sie irgendwelche potenziell wichtigen Informationen zurückgehalten haben sollten, könnten ernste Konsequenzen folgen."
McLaren-Mercedes bat in einer Presseerklärung um Verständnis dafür, dass die Betroffenen keine Stellungnahme zu der neuen Situation geben werde: "Unsere Anwälte haben uns geraten, dass das Team und unsere Fahrer keine weiteren Kommentare machen sollten, weil der Fall am Donnerstag vor dem Motorsport-Weltrat angehört wird und dies das richtige Forum ist, um die Angelegenheit zu diskutieren."
"Unser Team hat nichts getan, was nicht erlaubt ist", sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug nach dem Training zum Großen Preis von Italien dem Fernsehsender Premiere. Mit Blick auf die erneute Anhörung seines Teams sagte er: "Ich habe keinerlei Bedenken, dass die Wahrheit so beschrieben wird, wie sie ist." Zuvor hatte der Rennstall noch angekündigt, bei der Anhörung "einen schlagkräftigen Gegenbeweis antreten" zu wollen.
Hamilton beteuert Unschuld
Ferrari hielt sich ebenfalls zurück. Die italienische Zeitung "La Stampa" zitierte Fiat-Präsident Luca di Montezemolo: "Wir haben immer gesagt, dass das letzte Wort in dieser Geschichte nicht gesprochen war. Wir waren immer überzeugt, dass das ans Tageslicht kommen wird."
Hamilton hatte bereits am Vortag seine Unschuld versichert: "Ich war nicht online, um diese Daten zu checken. Ich bin nur hier, um meinen Job zu machen." Alonso erklärte: "Ich möchte zu diesem Thema nichts sagen." Er sei hier, um den Grand Prix zu fahren.
Vorwürfe gegen Alonso und de la Rosa
Das Fachmagazin "auto motor und sport" ("ams") hatte am Donnerstag in seiner Internet-Ausgabe berichtet, Alonso und de la Rosa seien in den undurchsichtigen Skandal verwickelt. Der Testfahrer habe dem Titelverteidiger per eMail Informationen über den neuen Ferrari zukommen lassen. Beide McLaren- Mercedes-Piloten hätten Anfang der Woche nach Aufforderung der FIA dazu schon Stellung bezogen.
De la Rosa soll die Informationen über Abstimmungsdaten des roten Renners vom inzwischen suspendierten ehemaligen McLaren-Chefdesigner Mike Coughlan schon kurz nach Saisonbeginn zugespielt bekommen haben. Beide kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Arrows gut. Coughlan wiederum soll das brisante Material im Frühjahr vom ebenfalls freigestellten früheren Ferrari-Chefmechaniker Nigel Stepney erhalten haben.
Aufgedeckt worden war die Affäre nur, weil Coughlans Frau die Dokumente in einem Copyshop vervielfältigen wollte. Einem Angestellten kam das so seltsam vor, dass er die Angelegenheit publik machte.
von Elmar Dreher, dpa
Quelle: ntv.de