Alptraum des BOCOG "Freies Tibet" in Peking
06.08.2008, 09:42 UhrDie von der chinesischen Regierung befürchteten Aktionen haben schon begonnen. Zwei Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele enthüllten vier Ausländer in der Nähe des Olympia-Stadions in Peking zwei riesige Plakate mit der Aufschrift "Tibet wird frei sein" und "Eine Welt, ein Traum: Freies Tibet". Die Polizei nahm die Demonstranten fest.
Die Menschenrechtsgruppe "Studenten für ein freies Tibet" veröffentlichte Bilder, die zeigten, wie die Demonstranten aus den USA und Großbritannien vor dem als Vogelnest bekannten Stadion tibetische Flaggen und die beiden Banner an einem Strommast befestigten. Die Transparente seien eine Stunde lang zu sehen gewesen, hieß es.
"Illegal versammelt"
Die chinesischen Olympia-Organisatoren verurteilten den Protest aufs Schärfste. Die vier Ausländer hätten sich "illegal versammelt", kritisierte der Pressesprecher des Organisationskomitees BOCOG, Sun Weide. "Was das Demonstrations- und Versammlungsrecht angeht, gibt es in China klare Richtlinien und Gesetze, und wir verlangen auch von Ausländern, dass sie sich daran halten."
In Tibet waren im März bei der Niederschlagung anti-chinesischer Proteste nach Angaben von Exiltibetern 203 Menschen ums Leben gekommen. Die chinesische Regierung sprach von rund zwanzig Toten und warf den Tibetern vor, die Olympischen Spiele torpedieren zu wollen. Der Fackellauf war daraufhin von Protesten gegen die Tibet-Politik Chinas überschattet gewesen.
Das BOCOG will auch gegen Sportler vorgehen, die während der Eröffnungsfeier am Freitag politisch demonstrieren. "Wenn bei der Eröffnungsfeier irgendetwas gezeigt wird oder Losungen skandiert werden, würde das gegen die Olympische Charta und den olympischen Geist verstoßen. Ich glaube schon, dass wir dann Maßnahmen ergreifen", sagte Zhang Heping, verantwortlicher BOCOG-Direktor für Eröffnungs- und Schlussfeier. Wie diese Maßnahmen aussehen, sagte er nicht.
US-Fahnenträger von 2006 darf nicht einreisen
Eisschnelllauf-Olympiasieger und Darfur-Aktivist Joey Cheek wurde von der chinesischen Regierung ein Visum für die Reise zu den Olympischen Spielen verweigert. Wie die Organisation "Team Darfur", die Cheek mitbegründete, bekanntgab, sei ein Visa-Antrag nur einen Tag vor Reiseantritt ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden.
"Ungeachtet der Tatsache, dass ich immer positiv über die olympischen Ideale gesprochen, nie zu einem Boykott aufgerufen oder Sportler aufgefordert habe, gegen IOC-Regeln zu verstoßen, wurde der Visa-Antrag weniger als 24 Stunden vor meinem geplanten Reiseantritt abgelehnt", sagte der 500-m-Goldmedaillengewinner von 2006, der bei der Abschlussfeier in Turin die US-Fahne getragen hatte: "Die Verweigerung meines Antrages ist ein Teil des systematischen Vorgehens der chinesischen Regierung, um Sportler einzuschüchtern, die sich für die unschuldigen Menschen in Darfur einsetzen."
Schlüsselrolle in Darfur
China kommt international eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung des Konflikts in der sudanesischen Kriegsregion Darfur zu. Das Reich der Mitte ist Sudans größter Öl-Abnehmer und zugleich der größte Waffenlieferant des afrikanischen Landes.
Regierungsnahe Milizen vertreiben in der Provinz Darfur seit Jahren die einheimische Bevölkerung. Internationale Experten schätzen, dass es bislang mehr als 200.000 Tote gegeben hat.
"Wir wollen Bescheid wissen"
Auch Journalisten bekommen die Zensur der Behörden immer stärker zu spüren. Unangemeldete Filmaufnahmen auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" im Zentrum Pekings sind während der Olympischen Spiele verboten. "Auf dem Tian'anmen-Platz werden während der Spiele viele Aufführungen stattfinden. Wir wollen Bescheid wissen, wenn Medien darüber berichten", sagte BOCOG-Pressesprecher Sun. "Sollte jemand unangemeldet filmen, wird es Leute geben, die sich damit befassen."
Die Nachrichtenagentur AFP meldet, die Behörden wollten Journalisten "ermutigen", sich 24 Stunden vorher anzumelden, wenn sie auf dem Tian'anmen-Platz Interviews oder Fotos machen wollen. Ihnen werde dann ein chinesischer Begleiter zur Seite gestellt. Zunächst habe es geheißen, die Regelung sei für Journalisten zwingend.
Der Tian'anmen ist ein Symbol für die Unterdrückung der Demokratiebewegung in China. Am 4. Juni 1989 war es auf dem Platz zu Studentenprotesten gekommen, in deren Verlauf etwa 3000 Menschen getötet wurden.
IOC muss Spiele kritisch überprüfen
Volker Beck, Fraktionschef und menschenrechtspolitischer Sprecher der Grünen kritisierte bei n-tv, dass das IOC "die Zeichen der Zeit verschlafen hat und nicht frühzeitig darauf achtete, dass belastbare Zusagen von den Chinesen zu erhalten". Beck findet es schon "fast skandalös", dass Herr Rogge sich zufrieden geben will mit einem größtmöglichen Zugang zum Internet. Vereinbart worden sei allerdings ein freier Zugang und die Pressefreiheit für ausländische Journalisten. In dem Gespräch stellt der Grünen-Politiker in Frage, ob es sinnvoll war, die Spiele nach China zu holen. "Diese Frage muss sich das IOC selbst stellen, wenn es die Spiele analysiert: Was hat sie konkret für die Dissidenten, für die Menschen vor Ort bewegt?" Das IOC müsse sich fragen, ob es sich auszahlt, "tatsächlich in Länder zu gehen, wo die Menschenrechte nicht geachtet werden".
Quelle: ntv.de