Fußball-WM 2010

DFB-Kicker im Einzellob Großes Kino mit Schweinsteiger

Sagen wir es so: Die deutschen Fußballer spielen im Viertelfinale gegen Argentinien nicht schlecht. Und Schweinsteiger zeigt, wie man als Großmaul stilvoll durchs Leben geht.

Provozierend überragend: Bastian Schweinsteiger.

Provozierend überragend: Bastian Schweinsteiger.

(Foto: dpa)

Es gibt zwei Arten, als Großmaul stilvoll durchs Leben zu gehen. Entweder du reißt die Klappe auf und verstehst es, mit Würde zu verlieren. Oder du reißt die Klappe auf und gewinnst. Bastian Schweinsteiger hatte vor dem Viertelfinale der Weltmeisterschaft die Argentinier provoziert: "Wie sie gestikulieren und versuchen, den Schiedsrichter zu beeinflussen. Das gehört sich nicht, das ist respektlos."

Das war vielleicht nicht die feine Art. Doch Schweinsteiger und die deutschen Fußballer haben sich für die zweite Variante entschieden und damit ganz großes Kino abgeliefert. VIER!ZU!NULL! Sie merken, es hat uns gefallen. Die deutschen Spieler in der Stilkritik.

Manuel Neuer: Schlechtes Omen: Der 24 Jahre alte Schalker trug in seinem zehnten Spiel für Deutschland wieder sein borussiadortmundgelbes Trikot wie beim 0:1 gegen Serbien in der Vorrunde. Und dazu – wie gegen Serbien – auch seine borussiadortmundgelbe Hose. Was sagt uns das? Nichts. Vielleicht wollte er einfach nur provozieren. Und sonst? Sehr gut. Hielt, was es zu halten gab. Und das ist nicht das Schlechteste, was man über einen Torhüter sagen kann. Wenn es nach uns geht, kann er im Halbfinale auch im rosafarbenen Trikot auflaufen, das der VfL Bochum in der vergangen Saison bisweilen auf fremden Plätzen zur Schau trug.

Philipp Lahm: Der Kapitän agierte in seinem 70. Länderspiel (Jubiläum?) provozierend gut, war gewohnt zuverlässig in der Defensive und glänzte vor allem nach dem Seitenwechsel mit guten Aktionen nach vorne. Das ist nicht das Schlechteste, was man über einen Rechtsverteidiger sagen kann. Hatte anfangs mit dem Argentinier Angel di Maria so seine Probleme. Die hatte dann, nachdem di Maria die Seite gewechselt hatte, der Kollege Boateng.

Per Mertesacker: Zeigte in der 55. Minute provozierend lässige Nehmerqualitäten. Blockte einen durchaus fulminanten Schuss von Carlos Tevez mit dem Kopf ab, wankte, fiel aber nicht - und klatschte danach mit seinem Torhüter Manuel Neuer ab. Beides, blocken und klatschen, sehr provokativ. Und der Bremer Innenverteidiger war in seiner 67. Partie für die DFB-Elf nach einer Stunde, wir haben es genau gesehen, in der gegnerischen Hälfte. Der Gipfel! Und sonst? Hat noch etwas Luft nach oben. Ein wenig. Obwohl: Klärte einige Male bei Standards der Argentinier gut mit dem Kopf. Insgesamt noch souveräner als gegen England und viel souveräner als gegen Ghana.

Tor für Deutschland: Diego Friedrich. Das gab's noch nie.

Tor für Deutschland: Diego Friedrich. Das gab's noch nie.

(Foto: AP)

Arne Friedrich: Dieeeeeeeeeeeeeeeeeeegooooooooooooooo!!!!!!! Pardon. Aber wenn Innenverteidiger Arne Friedrich, der in der nächste Saison für den VfL Wolfsburg spielt, in seinem 77. Länderspiel sein erstes Tor erzielt und das im Viertelfinale gegen Argentinien, dann ist ein wenig Begeisterung schon angemessen. Wir nennen ihn eh nur noch Diego, seit er beim 4:1 im Achtelfinale gegen England zuerst Jermaine Defoe und dann Gareth Barry im eigenen Strafraum austanzte. Jetzt sagen wir: Der wahre Diego heißt Friedrich. Kleine Provokation. Und sonst? Sehr zuverlässig, auch wenn ihn Argentiniens Gonzalo Higuain zweimal überlief. Sei's drum.

Jerome Boateng: Hatte in seinem achten Länderspiel mit Angel di Maria einen Gegner, der durchaus Fußball spielen kann und wohl auch deshalb in der kommenden Saison für Real Madrid aufläuft. Machte seine Sache gut, also Boateng, auch wenn er bisweilen ein paar Probleme hatte. Sei's drum. Wurde in der 72. Minute für Marcell Jansen ausgewechselt, aber nicht, weil er so schlecht war, sondern weil es da schon 2:0 stand, er einfach platt war und Bundestrainer Joachim Löw die Offensive stärken wollte. Und Jansen? Machte nichts mehr falsch.

Sami Khedira: Der Stuttgarter glänzte in seiner zehnten Begegnung für die deutsche Mannschaft nicht ganz so hell wie sein Doppelsechserkollege Bastian Schweinsteiger. Das lag aber vor allem daran, dass Schweinsteiger so gut war. Und wenn eine deutsche Mannschaft in einem Viertelfinale bei einer Weltmeisterschaft gegen Argentinien kein einziges Tor kassiert, dann kann das Team im defensiven Mittelfeld so schlecht nicht aufgestellt gewesen sein. Also auch Khedira nicht. Zumal er sich durchaus auch konstruktiv am Spielaufbau beteiligte. Wurde nach 78 Minuten für Toni Kroos ausgewechselt, aber nicht, weil er schlecht war, sondern weil es da schon 3:0 stand. Und Kroos? Keine Ahnung.

Bastian Schweinsteiger: Provozierend überragend. Trat in seinem Länderspiel Nummer 79 von Beginn an wie einer auf, der sich fest vorgenommen hat, das Spiel seines Lebens zu machen. Nun haben wir nicht alle seine 78 anderen Partien für Deutschland auf dem Schirm – aber es war eine seiner besten. Ach was soll's. Am Tag der Superlative sagen wir einfach: Es war sein bestes. Nicht nur, weil er das 3:0 durch Diego Friedrich in Weltklassemanier vorbereitete, für alle Argentinier eine Frechheit erster Güte. Und das ist nicht das Schlechteste, was man über einen Provokateur sagen kann. Hatte, das nur am Rande, die meisten Ballkontakte aller Spieler. 84. Das sind sieben mehr als Lionel Messi.

Da dreht er ab: Thomas Müller nach dem 1:0.

Da dreht er ab: Thomas Müller nach dem 1:0.

(Foto: AP)

Thomas Müller: Köpfte in seinem siebten Länderspiel mit dem jugendlichen Leichtsinn seiner 20 Jahre nach drei Minuten nach einem von seinem Münchner Vereinskollegen Bastian Schweinsteiger geschossenen Freistoß den Ball ins Tor. Sein vierter Treffer bei dieser Weltmeisterschaft, der 200. WM-Treffer einer DFB-Auswahl insgesamt. Eine unverschämte Provokation, aber er ist ja noch so jung. Bereitete das 2:0 durch Miroslav Klose im Liegen mit vor. Unverschämt! Doof für Müller und die deutsche Mannschaft: Er darf im Halbfinale nicht mitspielen. Zweite Gelbe Karte. Wurde sechs Minuten vor dem Ende der Partie für Pjotr Trochowski ausgewechselt. Aber nicht, weil er so schlecht war, sondern weil er einfach platt war und sich zudem so den wohlverdienten Sonderapplaus abholen konnte.

Mesut Özil: Der Bremer setzte in seiner 15. Begegnung im DFB-Dress nicht die großen Akzente, zumindest nicht in der Form, wie er es bei dieser Weltmeisterschaft schon gezeigt hat. Sorgte aber dennoch für tolle Momente. Zum Beispiel, als er das 4:0 durch Miroslav Klose mit einer wunderbaren Flanke vorbereitete. Argentiniens Lionel Messi dürfte neidisch zugeschaut haben.

Lukas Podolski: Arbeitete, und das sei gleich zu Beginn erwähnt, in seinem 78. Länderspiel häufig nach hinten – und das auch noch erfolgreich. Die Kölner müssen weiterhin damit leben, dass in Südafrika ein völlig anderer Podolski spielt als zu Hause. Kam vielleicht auch deswegen offensiv nicht so ganz zum Zug. Allerdings: Er war oft nur unfair zu bremsen, wie vor dem 1:0, als er seinen Gegenspieler Nicolas Otamendi zu einem Foul provozierte. Passte in der 68. Minute klug und selbstlos auf Miroslav Klose, der gar nicht anders konnte, als das 2:0 zu erzielen.

Miroslav Klose: Vergab nach 24 Minuten in seinem 100. Länderspiel (Jubiläum!) nach schöner Vorarbeit von Thomas Müller in leichter Rücklage eine sehr große Chance zum 2:0. Wahrscheinlich wollte der höfliche Herr Klose die Argentinier nicht noch mehr reizen. Allerdings stand Klose wirklich sehr frei vor dem argentinischen Torwart Sergio Romero. Sei's drum. Schließlich sorgte er in der zweiten Halbzeit für das 4:0. Im Viertelfinale! Gegen Argentinien! Erzielte seine WM-Tore Nummer 13 und 14 – und ist damit nur ein Tor vom Brasilianer Ronaldo entfernt, der mit 15 Treffern bei Weltmeisterschaften die ewig genannte Torjägerliste anführt. Apropos genannt. Ronaldo trug den Spitznamen il fenomeno. Und ein Phänomen ist dieser Miroslav Klose mit Fug und Recht auch. Das kann nicht derselbe sein, der in der vergangenen Saison beim FC Bayern München meist auf der Bank saß.

Quelle: ntv.de

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