WM-Wunschkonzert auf n-tv.de Warum Nordkorea es schaffen kann
15.06.2010, 11:07 UhrObwohl die Nordkoreaner bei einer WM noch nicht viel gerissen haben, sind sie für jeden Gegner gefährlich. Überstehen Kims Kicker die "Todesgruppe", sind sie nicht mehr zu halten.
Ich weiß, es ist ungewöhnlich, Nordkorea zum Favoriten der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft zu erklären. Ich bin mir auch sicher, von der fachkundigen Fußball-Gemeinde nur ein Kopfschütteln zu ernten. Aber das nehme ich in Kauf und bleibe der Meinung, dass auch die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) - so die offizielle Staatsbezeichnung - bei der Titelvergabe ein wichtiges Wort mitzureden hat.
Der Nordkoreaner an sich setzt nämlich auch beim Fußball auf Kriegslist. Man hat im Kader von 23 Spielern allein 14, die den Namen Ri, Kim oder Pak tragen. Das bedeutet einen Albtraum für jeden gegnerischen Trainer. Zudem nominiert man einfach einen Stürmer als Torwart, um ihn dann als Stürmer einsetzen zu können, weil zwei Torhüter ausreichen - genial. So hätte Joachim Löw seinen aufmüpfigen Tim Wiese zuhause lassen können; dafür wäre Kevin Kuranyi als Keeper mit nach Südafrika gekommen. Blöd nur, dass Nordkoreas Trainer Kim (natürlich) Jong-hun mit diesem Coup bei der FIFA nicht durchkam.
Zudem sind die Spieler aus dem selbst ernannten Paradies - im Gegensatz zu den Kollegen der anderen Teams - kaum sensationshungrigen Journalisten ausgesetzt. Ihr Geliebter Führer Kim Jong-il hält nämlich sogar im fernen Südafrika seine schützende Hand über seine Fußballer. Private Fragen sind tabu, politische sowieso. Die Kicker aus der DVRK können sich somit voll und ganz dem Fußball hingeben und so das Feld von hinten aufrollen.
Italien-Schreck
Nordkorea war zwar bislang nur 1966 bei einer Fußball-WM dabei. Dafür hatten die Männer aus Kims Reich - damals saß Kim Jong-ils Vater Kim Il-sung auf dem Arbeiter- und Bauernthron - für riesiges Aufsehen gesorgt. In der Gruppenphase wurde einfach mal so der hohe Favorit Italien durch ein Tor von Pak (natürlich) Do-ik mit 1:0 aus dem Wettbewerb gekegelt. Im Viertelfinale setzte man den Portugiesen - sie hatten immerhin den legendären Eusebio in ihren Reihen - kräftig zu und verlor dennoch knapp mit 3:5. Nun ist nach 44 Jahren Revanche angesagt: In der Gruppe G spielt man wieder gegeneinander.
Aber bei dieser WM wird für die Nordkoreaner alles besser. Sie haben nämlich mit Jong Tae-se auch einen Star. Der 26-Jährige schnuppert kräftig die Luft des Klassenfeindes und spielt für den japanischen Klub Kawasaki Frontale. Jong trägt sogar den Beinahmen "Wayne Rooney von Nordkorea". Brasilianer, Portugiesen und Ivorer zittern bereits.
Interessant ist auch die Personalie des Trainers Kim Jong-hun - er soll 1956 geboren sein. Kim gilt als Verfechter eines defensiven Fußballs. Kritiker äußerten sogar, dass die Nordkoreaner ziemlich unansehnlich spielten - eine Verleumdung des imperialistischen Klassenfeindes. Zu Beginn der WM-Qualifikation soll Kim seinen Assistenten Jo Tong-sop die Verantwortung übertragen haben. Erst in den beiden letzten, entscheidenden Runden kehrte der Großmeister auf die Trainerbank zurück.
Nur noch Feiern
Und einen weiteren Anreiz gibt es für Nordkoreas Fußballer: In jeder Sekunde können sie sich der "Liebe" ihres Staatschefs Kim Jong-il sicher sein. Im Falle des Titelgewinns wird er seine Fußballer durch die Untertanen bis 2012 feiern lassen. Dann schließen sich nämlich die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Staatsgründer Kim Il-sung (Großer und Geliebter Führer) an.
Das kommt auch der ganzen Welt zugute: Ein feierndes Nordkorea ist allemal besser als ein mit Waffen hantierendes. Vielleicht vergisst Führer Kim dabei sein Atomwaffenprogramm. Allein schon deshalb muss Nordkorea Weltmeister werden.
Quelle: ntv.de