DFB-Elf demontiert Argentinien Löw lässt weiter tanzen
04.07.2010, 00:57 Uhr
Einer auf allen: Per Mertesacker zeigt einen ungewöhnlichen Jubel.
(Foto: REUTERS)
Die beste deutsche Fußball-Nationalmannschaft seit Jahrzehnten spielt Argentinien im WM-Viertelfinale fast nach Belieben aus, gewinnt mit sage und schreibe 4:0 - und steht im Halbfinale bei der Weltmeisterschaft in Südafrika. Dort wartet nun am Mittwoch in Durban Europameister Spanien. Bastian Schweinsteiger ist überzeugt: "Wir sind stark genug, noch einen Schritt weiter zu machen."
Deutschland bleibt im Fußball-Rausch - nach dem Torwirbel gegen Diego Maradonas Argentinier fehlen Joachim Löws Boy- Group in Südafrika noch zwei Siege zum ganz großen Wurf. "Jetzt sind wir unter den besten Vier der Welt, aber da gehört diese Mannschaft auch hin", sagte der beeindruckte Löw nach dem 4:0 (1:0) gegen die Gauchos, dem höchsten deutschen Sieg in einem WM-Viertelfinale seit 1966 (4:0 gegen Uruguay). Und fügte hinzu: "Was die Mannschaft heute an Willen abgeliefert hat, das war Champions-Niveau." Selbst Tribünengast Angela Merkel geriet ins Schwärmen. "Es war einfach überwältigend. Das ist ein Traum", sagte die Kanzlerin, die der Mannschaft noch in der Kabine gratuliert hatte.
Angeführt vom neuen WM-Helden Thomas Müller entzauberte die deutsche Elf auch Messi & Co. und marschierte souverän zum zwölften Mal in ein WM-Halbfinale. "Wir haben noch zwei Spiele vor uns. Jetzt haben wir es selbst in der Hand, hier noch etwas ganz Großes zu erreichen", sagte Löw. "Wir sind stark genug, noch einen Schritt weiter zu machen", sagte Bastian Schweinsteiger, der zu zwei Treffern die Vorarbeit geleistet hatte, voller Selbstbewusstsein.
Nach dem Blitztor von Müller (3.) - zugleich das 200. der deutschen WM-Geschichte - machte die brillante Offensive mit einem Dreierpack durch Miroslav Klose (68./89.) und Abwehrspieler Arne Friedrich (74.) den hochverdienten Erfolg perfekt. Die Freude vor 64.100 Zuschauern im Green Point Stadion von Kapstadt wurde nur durch die zweite Gelbe Karte für den Torschützen Müller getrübt, der in der Vorschlussrunde am Mittwoch in Durban gegen Spanien gesperrt fehlen wird.
Selbstbewusst und taktisch klug
"Das ist Wahnsinn, was hier abgelaufen ist. Wenn man Argentinien mit 4:0 vom Platz fegt, dann muss man erstmal nach Worten suchen. Der Star war heute wieder die Mannschaft", gab Matchwinner Müller das Lob weiter. "Ich hoffe, dass meine Kollegen im Halbfinale alles richtig machen, dann kann ich ja im Finale wieder ein Tor machen", kündigte der Bayern-Spieler nach seinem vierten Turniertor vollmundig an.
Die DFB-Auswahl lieferte gegen Diego Maradonas hochgelobte Elf eine Demonstration der Stärke ab und fuhr ihren höchsten WM-Viertelfinalsieg seit 1966 (4:0 gegen Uruguay) ein. Im Kollektiv gelang es dabei auch, die Kreise von Lionel Messi einzuengen. Überragender Akteur des deutschen Spiels war Müller. Im Stile eines "alten Hasen" drückte der 20-jährige Youngster dem Spiel seinen Stempel auf, glänzte mit klugen Pässen und erzielte eiskalt seinen vierten Turniertreffer. Da hielt es selbst Kanzlerin Angela Merkel auf der Ehrentribüne nicht auf ihrem Sitz. Schneller als der junge Bayern-Akteur traf in einem deutschen WM-Spiel nur Ernst Lehner 1934 beim 3:2 gegen Österreich.
Doppelsechs stoppt Messi
Um Argentiniens Superstar Messi kümmerten sich abwechselnd Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira. Es gelang ihnen zwar nicht, den Weltfußballer völlig aus dem Spiel zu nehmen, doch wurde ihm durch konsequentes Pressing viel an Wirkung genommen. Das Duo Schweinsteiger/Khedira erwies sich unter den Augen des zum Viertelfinale angereisten "Capitano" Michael Ballack aber nicht nur als defensivstark, sondern auch entscheidend für den Aufbau.
Auch Klose hatte in seinem 100. DFB-Einsatz Grund zur Freude. Nachdem der Angreifer Mitte der ersten Halbzeit eine große Chance vergeben hatte, stand er zweimal goldrichtig und schloss mit seinem insgesamt 14. WM-Treffer zu dem in der ewigen Rangliste an zweiter Stelle hinter Ronaldo (15) liegenden Gerd Müller auf.
Müller trifft zum Traumstart
Nach den verbalen Scharmützeln im Vorfeld der Partie ging es auf dem Rasen gleich körperbetont zur Sache, als wollten einige die Reizschwelle des usbekischen Schiedsrichters Rawschan Irmatow testen. Gerade einmal 55 Sekunden waren gespielt, als Klose von hinten Javier Mascherano in die Beine grätschte, nach exakt zwei Minuten wurde Podolski am linken Flügel von Nicolas Otamendi zu Fall gebracht. Den fälligen Freistoß von Schweinsteiger verwertete Müller per Kopf und machte den Traumstart perfekt.
Der bisher schnellste Treffer des Turniers verlieh dem selbstbewusst gestarteten Team weitere Sicherheit, während die "Gauchos" sichtlich beeindruckt waren. Schweinsteiger und Khedira leiteten die Vorstöße des dominierenden DFB-Teams ein. In der 24. Minute schien das 2:0 perfekt. Müller setzte sich auf der rechten Seite energisch gegen zwei Abwehrspieler durch und passte nach innen auf Klose, doch der Münchner jagte den Ball aus elf Metern über die Latte.
Neuer hält die Führung fest
Erst Mitte der ersten Spielhälfte schienen die Südamerikaner den Schock des frühen Rückstandes überwunden zu haben, während im deutschen Spiel ein wenig die Struktur verloren ging. Als Gonzalo Higuain Abwehrchef Friedrich im Strafraum versetzte, drohte dem deutschen Tor erstmals Gefahr, doch Manuel Neuer tauchte reaktionsschnell in die bedrohte kurze Ecke und holte den Ball heraus (35.). Auf der Gegenseite wurden die Konter nicht mehr so entschlossen zu Ende gespielt. Podolski versuchte sein Glück aus gut 25 Metern, zielte aber knapp daneben (39.).
Zu Beginn des zweiten Durchgangs geriet die deutsche Mannschaft unter zunehmendem Druck der "Albiceleste" wiederholt in Bedrängnis. Ein Warnschuss von Angel di Maria (48.) pfiff knapp an Neuers Kasten vorbei, fünf Minuten später blockte Per Mertesacker mit dem Kopf einen Schuss von Carlos Tevez ab. Dann wurde auch Löws Elf endlich wieder aktiver. Ein energischer Einsatz von Müller, der den Ball wie einst sein Namensvetter Gerd im Liegen weiterspitzelte, leitete das 2:0 ein. Klose vollendete das Zuspiel von Podolski und leitete damit eine furiose deutsche Schlussphase mit zwei weiteren deutschen Toren ein.
Quelle: ntv.de, Klaus Bergmann und Jens Mende, dpa