Füchse-Boss Hanning im Interview "Geld wirft im Handball auch Tore"
13.10.2018, 16:29 Uhr
Der Macher und seine Jungs: Bob Hanning.
(Foto: imago/Christian Schroedter)
Bob Hanning bezeichnet sich selbst als handballverrückt. Der Geschäftsführer der Füchse Berlin steht viermal in der Woche um 7:30 Uhr in der Sporthalle und trainiert Jugendteams. Danach geht Hanning ins Büro und arbeitet täglich daran, dass die Füchse in der beste Handball-Liga der Welt oben mitspielen können. Mit n-tv.de spricht Hanning über die deutsche Meisterschaft, junge Talente, TV-Geld von Sky und die Chancen der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2019 im eigenen Land und in Dänemark.
n-tv.de: Herr Hanning, die Füchse Berlin haben kräftig in den Kader investiert. Wann kommt der Meistertitel im Handball nach Berlin?
Bob Hanning: Wir werden den Blick für das Machbare nicht aus den Augen verlieren. Die Füchse Berlin sind im Handball wirtschaftlich mit dem SC Freiburg in der Fußball-Bundesliga vergleichbar. Es ist vermessen zu sagen, wir müssen deutscher Meister werden. Wir kaufen auch keine Spieler ein, die über unseren finanziellen Möglichkeiten liegen. In meinem Büro hängen gegnerische Trikots aus vergangenen Saisons in der Champions League. Von den neun Klubs an unserer Wand sind fünf insolvent. Wir wollen auf dem Boden bleiben. In unserem Verein legen wir großen Wert auf die Förderung des Nachwuchses in Berlin. Das ist Teil unserer Philosophie. Die Füchse haben es geschafft mit deutlich weniger Geld als die Konkurrenz den gleichen Erfolg zu haben wie finanzkräftigere Vereine. Wir versuchen, mit Spielern wie Paul Drux, Fabian Wiede, Kevin Struck und Frederik Simak Stammkräfte für unser Team zu entwickeln. Wir wollen mehr als ein Handballverein sein.

"Unser Profi-Trainer Petkovic weiß, dass er ab nächster Woche nicht mehr bei uns arbeiten würde, wenn er unser Konzept mit jungen Spielern so nicht umsetzt."
(Foto: imago/Pressefoto Baumann)
Wie schwer ist es für deutsche Talente in der Handball-Bundesliga Fuß zu fassen?
Wir können mit den Erfolgen im Nachwuchs zufrieden sein, müssen jetzt allerdings mit dem DHB und der Liga die nächsten Schritte entwickeln, da wir sonst stagnieren. Es kommen aber viele Talente nach, die in der Nationalmannschaft eine gute Chance haben. Ich bin seit Jahrzehnten Jugendtrainer aus Leidenschaft. Mein Traum ist es, einen Verein zu kreieren, der selber den Spitzensport in der besten Handball-Liga der Welt bewältigen kann. Ich habe mit Velimir Petkovic den besten Trainer, den ich mir vorstellen kann. Ich bin sehr zufrieden. Doch eines Tages wird unser ehemaliger Jugendspieler Jaron Siewert, der zurzeit Trainer beim TuSEM Essen ist, das Bundesligateam der Füchse übernehmen. Er ist jung und ein großes Talent. Wann er die Verantwortung kriegt, kann ich noch nicht sagen. Die Füchse sind der einzige Spitzenklub, der Nachwuchsförderung als Schwerpunkt hat. Unser Profi-Trainer Petkovic weiß, dass er ab nächster Woche nicht mehr bei uns arbeiten würde, wenn er unser Konzept mit jungen Spielern so nicht umsetzt. Meine Idee ist es, etwas zu schaffen wie beim FC Barcelona. Ich möchte einen Verein, in dem eigene Leute die Führung übernehmen. Unsere Werte sollen auch gelebt werden. Ich bin eben verrückt nach Handball.
Wie entscheidend ist die Finanzkraft? Im Fußball heißt es oft, Geld schießt Tore. Ist das im Handball auch so?
Ein klares Ja. Geld wirft im Handball auch Tore. Viele Vereine haben international aufgerüstet. Da gab es auch Scheichs, die viel Geld investiert haben. Aber es ist schwer ein hohes Niveau zu halten, wenn bei den Spielern das Feuer von innen heraus nicht brennt. Leider ist das Budget eines Klubs ein Gradmesser für den Erfolg.
Reden wir über Geld. Sie stehen in der Hauptstadt bei der Sponsorensuche in Konkurrenz mit Hertha BSC, den Basketballern von Alba oder auch den Eisbären Berlin.
In Berlin spielen sportartübergreifend 128 Mannschaften in ersten und zweiten Ligen. Das gibt es nur hier. Alle großen Klubs haben in der Hauptstadt ihre Daseinsberechtigung, denn sie sind erfolgreich. Aber klar, wir stehen natürlich in Konkurrenz mit anderen Playern - auch, wenn es um Sponsoren geht. Schauen sie in unsere Bilanz: Durch Ticketverkauf bei Spielen erwirtschaften wir 20 Prozent der Einnahmen, TV-Gelder 1 Prozent, Merchandising 1 Prozent und Sponsoring 49 Prozent. Da ist sicher noch Luft nach oben. Aber ich arbeite hier nicht, damit ein Spieler auf einmal 50.000 Euro mehr im Jahr verdienen kann. Unser Ansatz konzentriert sich wirklich auf die Entwicklung eigener Talente.

"Die Beträge, die wir von Sky für die Rechte bekommen, sind lächerlich."
(Foto: imago/Matthias Koch)
Seit dem vergangenen Jahr läuft die Handball Bundesliga live im Bezahlfernsehen bei Sky. Wie wichtig war der Deal für die Entwicklung der Liga?
Ich bin Sky extrem dankbar, weil sie es geschafft haben, das Produkt Handball weiterzuentwickeln. In der Bundesliga kann jeder jeden schlagen, bei uns sehen sie die besten Spieler der Welt. Da ist Spannung garantiert. Aber die Beträge, die wir von Sky für die Handballrechte bekommen, sind im Vergleich zum Fußball lächerlich. Die Summe, die wir verdienn, kann unsere Sportart auf Dauer nicht weiterentwickeln. Die Fernseheinnahmen müssen sich in den nächsten Jahren mindestens verfünffachen, alles andere ist respektlos. Für mich war wichtig, dass Handball auch im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen ist. Das ist gelungen.
Fußball dominiert im deutschen Sport fast alles. Im Winter haben Biathlon oder Ski-Alpin gute Quoten. Es gibt bekannte Gesichter im Wintersport. Handball als Sportart Nummer 2 in Deutschland hat nur wenige Stars. Da muss schon ein Spieler mit einer berühmten Schauspielerin zusammen kommen, um es aus dem Sportteil der Zeitung zu schaffen. Wieso verkauft sich der Handball in Deutschland so unter Wert?
Leider haben sie Recht. Im DHB haben wir uns professionellere Strukturen gegeben. Das ist ein Fortschritt. Wir brauchen eine erfolgreiche Nationalmannschaft im Handball. Sonst ist alles nichts. Viele Handballvereine müssen endlich umdenken: Es wäre schön, wenn mehr Klubs erkennen, dass es manchmal wichtiger ist, einen Spieler in eine Fernsehsendung zu schicken anstatt ihn zwei Stunden in der Halle trainieren zu lassen. Die Füchse haben gerade ein Foto-Shooting mit Lidl gehabt. Die Spieler sind die Botschafter, die Gesichter des Vereins nach außen. Da ist es doch wichtig, dass wir das nutzen. Viele Vereine müssen den Mehrwert von solchen Aktionen erkennen. Da müssen wir härter an uns arbeiten und offener werden.
Im Januar 2019 findet in Dänemark und Deutschland die Handball-Weltmeisterschaft statt. Nach der enttäuschenden EM 2018 in Kroatien ist die Hoffnung auf einen Erfolg gedämpft. Sie sind nah an der Mannschaft dran, was kann Deutschland erreichen?
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft war herausragend, als sich alle einem Ziel unterworfen haben. So sind wir Europameister geworden und haben eine Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen gewonnen. Das war nur möglich, weil alle zu 100 Prozent an diesem Ziel gearbeitet haben. Die Wahrheit ist: Wir können Weltmeister werden oder auf Platz 10 landen. Die Weltspitze ist immer breiter geworden. Deutschland hat aber den Heimvorteil, der uns beflügeln wird. Nach der EM 2018 haben sich die deutschen Handballfans viel zu sehr mit dem Trainer, Christian Prokop, beschäftigt und zu wenig mit der Leistung der Mannschaft. Nun müssen sich wieder alle einem Ziel unterordnen, damit die WM erfolgreich wird. Was brauchen wir? Wenn Torhüter Silvio Heinevetter oder Andreas Wolf 40 Prozent der Bälle halten und die Abwehr als Einheit auftritt, haben wir eine Chance. Entweder machen alle Spieler und Vereine bedingungslos beim Projekt WM mit oder nicht. Dann sollten aber auch alle den Mund halten.
Nationaltrainer Prokop stand nach dem schwachen Abschneiden bei der EM sehr in der Kritik. Sind Sie zufrieden mit seiner Fehleranalyse?
Wir haben uns kritisch mit der schwachen Leistung auseinandergesetzt. Wir haben mit der Liga und Axel Kromer als Vorstand Sport viel aufgearbeitet und sind dazu gekommen, dass Prokop der richtige Trainer ist. Viele haben uns als Verband damals zum Vorwurf gemacht, dass wir dem vorherigen Bundestrainer Dagur Sigurdsson eine Ausstiegsklausel in den Vertrag geschrieben haben. Prokop haben wir einen langfristigen Vertrag gegeben. Das wurde dann auch kritisiert - von denselben Leuten. Ich stehe nicht für Populismus und stelle mich nicht hin und sage, der Trainer muss weg. In 13 Jahren bei den Füchsen habe ich einen Trainer auswechseln müssen, weil er aus seinen Fehlern nicht lernen wollte. Wir können es auch den Spielern nicht so einfachen machen. Wir waren alle überzeugt, dass der Trainer funktionieren kann. Prokop ist sehr akribisch, hoch professionell, ehrlich und will lernen - das schätze ich an ihm. Manchmal wollte er zu sehr mit dem Kopf durch die Wand. Da hat er aber viel dazugelernt.
Mit Bob Hanning sprach Hero Warrings.
Quelle: ntv.de