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Zum 60. von Norbert SchrammHarlekin tanzt auf dem Eis und durchs Leben

07.04.2020, 07:06 Uhr
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Fröhlich, zumindest nach außen: Schramm auf dem Eis. (Foto: imago images/Thomas Zimmermann)

Norbert Schramm wird zweimal Europameister und zweimal Weltmeister, dann verliert er während der WM die Lust auf den Eiskunstlauf. Das Leben nach der Karriere ist so einzigartig wie sein Abschied vom Leistungssport. Nun wird er 60 Jahre alt.

"Freiberuflich tätiger Lebenskünstler" nennt er sich selbst. Und mit genau dieser Attitüde und Schlittschuhen an den Füßen hat Norbert Schramm irgendwie immer wieder die Kurve gekriegt, wenn es ihn aus der Eisbahn zu tragen drohte. Ein Leben mit vielen Irrungen, Wirrungen, Pirouetten und Drehungen - auf und neben dem Eis. Am Dienstag wird der einstige "Prince Charming" des deutschen Eiskunstlaufs 60 Jahre alt.

Sein Publikum kannte ihn lange nur als Harlekin, der Dänemarks Königin Margrethe mit Blumen bezirzte und mit Katarina Witt einen deutsch-deutschen Walzer aufs Parkett legte. Dabei aber auch Erfolge feierte, von denen nachfolgende Generationen deutscher Läufer nur träumen konnten. Europameister 1982 und 1983, in beiden Jahren auch Vize-Weltmeister - seither unerreicht.

Karriereende während der Weltmeisterschaft

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Auch nach dem Karriereende zog es ihn aufs Eis, hier mit Tänzerinnen des russischen Eiszirkus. (Foto: imago images/Plusphoto)

Die beispiellosen Umstände seines Karriereendes ließen indes schon ahnen, dass er die Rolle des fröhlichen Kufenkaspers auf der Eisfläche nur gespielt hatte, wenn auch faszinierend überzeugend. Während des noch laufenden Wettbewerbs bei den Weltmeisterschaften 1984 in Ottawa fuhr Schramm zur Schiedsrichterin an die Bande, machte artig einen Diener und stiefelte vom Eis. "Von einer Sekunde auf die andere hatte das alles keinen Sinn mehr für mich", sagte der gebürtige Franke seinerzeit. Was folgte, war eine wilde Vita, Schramm blieb ein Hansdampf in allen Gassen. Mit zwei Gesichtern.

Ganz los vom Eis kam er nie. Der dreimalige deutsche Meister tourte mit "Holiday on Ice", organisierte später eine Eisshow im Europapark Rust, tanzte im Fernsehen auf Schlittschuhen ("Dancing on Ice") und war lange mit einem russischen Eiszirkus unterwegs. Doch es gab auch immer wieder Eispausen. Heirat, Geburt der heute 26 Jahre alten Tochter Bernadette-Claire, zwei Scheidungen. Eine zweijährige Auszeit in Südamerika, Pilgern auf dem Jakobsweg, ein erster Marathonlauf. Und bizarre TV-Auftritte beim "perfekten Promi-Dinner" und im RTL-Dschungelcamp, Staffel vier.

"Eine spezielle Form des Exhibitionismus"

Für den Sonnyboy der frühen achtziger Jahre nur die Fortsetzung einer Persönlichkeitsentwicklung. "Schon der Eiskunstlauf war eine spezielle Form des Exhibitionismus, das ist einfach weitergegangen", beschrieb Schramm einmal seine charakterlichen Strukturen, die ihm auch bei der Bewältigung gesundheitlicher Rückschläge halfen. Zwei Gesichtslähmungen haben leise Spuren in seinem Antlitz hinterlassen.

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Schramm im Jahr 2019. (Foto: imago images / Spöttel Picture)

Nicht glücklich macht den Olympia-Neunten von Sarajevo 1984 der Zustand der aktuellen Eiskunstlauf-Szene. "Mir gefällt die Entwicklung nicht. Der Sport ist durch das Wertungssystem, das immer schwerere Sprünge verlangt, hoch technisch geworden", sagte Schramm kürzlich im "Sport Bild"-Interview.

87 Prozent aller Deutschen kannten ihn zu seinen Glanzzeiten. Auch ohne dreifachen Axel oder gar vierfache Sprünge. Die beherrscht Deutschlands aktuelle Nummer eins Paul Fentz, doch einer breiten Sportöffentlichkeit ist der Berliner kaum ein Begriff. An Schramm aber erinnert man sich - und an seine legendäre Schaulauf-Figur, den Tango-Franz.

Quelle: ntv.de, Andreas Frank, sid

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