WM-Aus gegen Fahrlehrer Beaton Hat Fallon Sherrock die Premier League verspielt?
20.12.2021, 06:35 Uhr
Fallon Sherrock ist bei der Darts-WM diesmal schon in Runde eins gegen Steve Beaton ausgeschieden.
(Foto: picture alliance / empics)
Die Erfahrung des Rekord-WM-Teilnehmers Steve Beaton ist zu viel für "Darts-Queen" Fallon Sherrock. Der 57-jährige Fahrschulbesitzer aus Coventry wird zum Partycrasher für das euphorische Publikum bei der Darts-WM im "Ally Pally" und könnte Sherrock die Premier-League-Teilnahme verhageln.
"Ich spüre es, wenn sie beginnen, nervös zu werden, wenn sie zu viel nachdenken, während sie gegen mich spielen." Das hat Fallon Sherrock, die aktuell beste Dartspielerin der Welt, vor Beginn der Weltmeisterschaft im Podcast "Checkout" über ihre männlichen Gegner gesagt. "Bei manchen Spielern merkt man es vor allem gegen Ende der Partien, dass sie zu viel nachdenken, wenn sie gegen eine Frau spielen."
So war es auch vor zwei Jahren, als Fallon Sherrock bei der Darts-WM in Anlehnung an den Austragungsort zur "Queen of the Alexandra Palace" wurde. Damals besiegte Sherrock als erste Frau in der WM-Geschichte einen Mann, den aktuellen Junioren-Weltmeister Ted Evetts. In der zweiten Runde musste mit Mensur Suljovic sogar ein Spieler aus der erweiterten Weltspitze dran glauben.
Zwei Jahre später wollte die 27-jährige Engländerin einen ähnlichen Lauf hinlegen, doch statt eines möglichen Drittrunden-Krachers gegen Weltmeister Gerwyn Price ist für Sherrock schon nach Runde eins Schluss. Im Spiel gegen den von vielen Fans und Spielern verehrten Steve Beaton hat sie es am Sonntagabend mit einem Mann zu tun, dessen beste Jahre zwar schon lange zurückliegen, der aber anders als viele von Sherrocks Konkurrenten offenbar nicht zu viel nachgedacht hat.
Beaton lässt sich nicht beeindrucken
Selbst Sherrocks Traumstart - sie geht im ersten Satz schnell mit 2:0 in Führung - kann den "Bronzed Adonis", der zum 31. Mal (!) in Folge an der Darts-WM teilnimmt, nicht beeindrucken. Mit viel Mühe holt er sich sein erstes Leg zum 1:2 und lässt einen starken 99er-Checkout zum Ausgleich folgen. Danach bringt er Sherrock mit einem 126er-Checkout zum Satzgewinn endgültig ins Grübeln. Sie lächelt ungläubig, während Beaton bewusst cool ohne jegliche Mimik in die Pause geht.
In Satz zwei meldet sich Sherrock zurück, nachdem Beaton einen Dart auf Bulls-Eye zum Satzgewinn auslässt. Sherrock "checkt" 40 Punkte souverän über die Doppel 20 zum 1:1 in den Sätzen. Doch Beaton ist immer noch kein Funken Nervosität anzumerken. Der dritte Satz ist eine klare Sache zugunsten des 57-jährigen Fahrlehrers aus dem englischen Coventry. Weil Beaton im nächsten Satz aber die Konsequenz auf die Doppel vermissen lässt, geht die Partie in den Entscheidungssatz.
"Ich hatte schlaflose Nächte"
Der "Bronzed Adonis" startet mit einer 180 und nimmt das Momentum mit durch den Satz. Beim Stand von 2:2 in den Sätzen und 2:1 in den Legs für Beaton steht die "Darts-Queen" unter Druck, kann aber nicht standhalten. Beaton macht 68 Punkte mit drei Darts aus und wird zum Partycrasher. "Fallon hat sehr gut gespielt, sie ist unerbittlich. Ich wollte unbedingt ein Entscheidungsleg vermeiden", sagt Beaton im Anschluss auf der Pressekonferenz "nach einem seiner härtesten Spiele" in seiner langen Karriere. "Natürlich war ich nervös. Ich hatte schlaflose Nächte. Ich habe immer gesagt, es gibt keinen Grund, warum eine Frau nicht so gut wie ein Mann spielen kann. Fallon hat das wieder unter Beweis gestellt."
Trotz der Niederlage präsentiert sich Sherrock im Anschluss kämpferisch. "Steve hat gut gespielt. Ich habe phasenweise gezeigt, was ich kann, am Ende hat es aber nicht gereicht. Ich kämpfe immer bis zum Schluss. Manchmal schaffe ich es nicht, manchmal schon, aufgeben werde ich nie."
Eine neue Chance bei der Weltmeisterschaft dürfte sie nächstes Jahr wieder bekommen. Auf der extra für Spielerinnen eingeführten Women's Series ist Sherrock neben Lisa Ashton die mit Abstand stärkste Akteurin. Zwei WM-Startplätze will die PDC auch in Zukunft für Frauen bereithalten.
Doch ihr Ziel ist längst ein anderes. Sherrock will sich im Januar bei der Qualifikation für die Profi-Tour unbedingt die Spielberechtigung für alle Turniere der Professional Darts Corporation (PDC) sichern. "Ich möchte regelmäßig auf der PDC-Tour spielen. Das würde mein Spiel noch stärker machen", sagte sie zuletzt im "Checkout"-Podcast.
Spielt Sherrock bald Premier League?
Bevor Mitte Januar die wichtige Qualifikation ansteht, wird Sherrock aber zunächst gespannt auf den 3. Januar blicken. Am Abend des WM-Finals wird traditionell das Starterfeld für die vor allem finanziell lukrative Premier League Darts bekannt gegeben. Nur die Top Vier der Weltrangliste haben einen Platz sicher, die übrigen sechs Startplätze vergeben die PDC und der übertragende Sender Sky Sports.
Da die Premier League eine reine Show-Veranstaltung ist und die Ergebnisse nicht in die Rangliste zählen, hat Sherrock wegen ihrer immensen Zugkraft und der guten Vermarktbarkeit Außenseiterchancen auf die Teilnahme. "Natürlich möchte ich in der Premier League spielen. Ich würde entspannt in jede Partie gehen und es einfach genießen, es ist ja kein Ranglistenturnier."
Über eine Nominierung oder Nicht-Nominierung der "Queen of the Palace" wird unter Fans, Experten und Spielern heftig gestritten. Während TV-Experte und Ex-WM-Halbfinalist Wayne Mardle Sherrocks Premier-League-Teilnahme am eindrücklichsten fordert, hält der amtierende Weltmeister und Weltranglistenerste Gerwyn Price die Idee für "kompletten Blödsinn". Laut Peter Wright, Weltmeister 2020 und derzeit Weltranglistenzweiter, verdiene Sherrock dagegen einen Premier-League-Platz. "Sie inspiriert Frauen-Darts und den Nachwuchs an den Schulen. Die Premier League ist die größte Darts-Show der Welt."
Premier League mit oder ohne Sherrock? Das Erstrundenaus bei der WM gegen Steve Beaton dürfte ihr nicht geholfen haben. In Runde drei der Darts-WM hätte Sherrock ihrem Kritiker Gerwyn Price im direkten Duell ihre Premier-League-Tauglichkeit beweisen können. Stattdessen wird es der Titelverteidiger möglicherweise mit Steve Beaton zu tun bekommen.
Was ist sonst noch los bei der Darts-WM?
Aus deutscher Sicht stand der fünfte Tag bei der Darts-WM ganz im Zeichen des deutsch-deutschen Duells. Florian Hempel, Ex-Handball-Profi in der zweiten und dritten Liga, setzte sich bei seinem WM-Debüt gegen Martin Schindler glatt mit 3:0 durch. Mehr zum Duell der beiden Trainingspartner lesen Sie hier.
Mit Jonny Clayton hat sich einer der Mitfavoriten auf den Titelgewinn nur mit Mühe in die dritte WM-Runde gespielt. Gegen den 19-jährigen Iren Keane Barry siegte der Waliser knapp mit 3:2. Clayton, der in diesem Jahr gleich vier große Turniere gewonnen hatte, könnte im nächsten Spiel auf Gabriel Clemens warten. Deutschlands bester Spieler muss dafür aber am Donnerstagabend erst sein Auftaktspiel gewinnen.
Dass die WM auch für gesetzte Spieler früh zu Ende sein kann, hatte am Sonntagnachmittag das Aus von Stephen Bunting gezeigt. Der Engländer, der im Vorjahr noch überraschend ins Halbfinale eingezogen war, unterlag seinem Landsmann Ross Smith knapp mit 2:3.
In einem ähnlich umkämpften Erstrundenspiel hatte sich zuvor Alan Soutar gegen den Brasilianer Diogo Portela mit 3:2 durchgesetzt. Soutar, der mit 43-Jahren sein Debüt im "Ally Pally" feiert, arbeitet als Feuerwehrmann und bildet in seiner Freizeit Blindenhunde aus. Für Darttraining ist offenbar dennoch genug Zeit übrig, wie sein Einzug in die nächste Runde zeigt.
Am heutigen Montag gibt es ausnahmsweise keine Spiele am Nachmittag, abends allerdings feiert einer der erfolgreichsten Dartprofis aller Zeiten sein WM-Comeback. Der fünffache Weltmeister Raymond van Barneveld trifft auf Lourence Ilagan von den Philippinen. "Barney", in den Niederlanden ein Volksheld, hatte vor zwei Jahren nach einem peinlichen WM-Aus seine Karriere beendet, nur um ein Jahr später einen Neuanlauf zu wagen. Nach einem mehr als ordentlichen Comeback-Jahr auf der Profitour ist van Barneveld in seinem Erstrundenspiel am Abend klarer Favorit.
"Barney" selbst träumt davon, die WM noch ein weiteres Mal zu gewinnen, weiß aber um die Schwere der Aufgabe. "Ich weiß nicht, ob es realistisch ist. Fakt ist aber, ich habe die Qualität, um die besten Spieler der Welt zu schlagen", äußerte sich der Niederländer vor dem Turnier im "Checkout"-Podcast. "Wenn ich nicht daran glauben würde, die WM zu gewinnen, würde ich nicht nach London fahren."
Quelle: ntv.de