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Fallobst sieht anders aus Klitschko trifft auf würdigen Herausforderer

Der Herausforderer Pulex ist nur vier Zentimeter kleiner als Klitschko.

Der Herausforderer Pulex ist nur vier Zentimeter kleiner als Klitschko.

(Foto: REUTERS)

Wenn Wladimir Klitschko heute in Hamburg gegen den Bulgaren Kubrat Pulev in den Ring steigt, trifft er auf einen technisch hervorragenden Boxer. Ein Schlag dürfte den Kampfverlauf entscheidend beeinflussen.

Kubrat Pulev ist Klitschkos Pflichtherausforderer beim Weltverband IBF. Ein Status, der nicht zwingend für boxerische Klasse steht. Auch Alex Leapai, Klitschkos letzter Gegner im April dieses Jahres, war die Nr. 1 der Rangliste - wenngleich bei der Konkurrenz-Organisation WBO. Im Ring war der Neuseeländer dem Champion dann hoffnungslos unterlegen, brachte in fünf Runden praktisch keinen einzigen Treffer ins Ziel. Nach mehreren Niederschlägen bewahrte ihn der Ringrichter vor größeren Schäden.

Eine derart einseitige Angelegenheit ist beim heutigen Kampf (22.10 Uhr live auf RTL und im n-tv.de-Liveticker) nicht zu erwarten. Pulev steht nicht nur in den Ranglisten der Weltverbände ganz weit oben. In der unabhängigen Boxrec-Weltrangliste liegt er direkt hinter Klitschko auf Rang 2. Und auch das Fachmagazin "The Ring" führt den Bulgaren als ersten Herausforderer des seit 2006 amtierenden Weltmeisters.

Anders als Leapai hat sich Pulev das Recht, um die Krone im Schwergewicht zu kämpfen, redlich verdient. Mit Tony Thompson, Alexander Dimitrenko und Alexander Ustinov hat er drei Gegner aus der erweiterten Weltspitze geschlagen. Auch viele seiner früheren Kontrahenten waren gestandene Boxer. Aufbaugegner zwar - aber kein Fallobst.

Kaum Größenvorteile

Technisch ist die "Kobra", wie sich Pulev seiner schnellen Hände wegen nennt, einer der besten Boxer, denen Klitschko in den letzten Jahren begegnet ist. Der 33-Jährige hat vor seiner Profikarriere über 300 Amateurkämpfe absolviert, gewann 2005 bei den Weltmeisterschaften die Bronzemedaille. Pulev verfügt über eine exzellente linke Führhand, mit der er seine Gegner auf Distanz hält und das Geschehen im Ring diktiert. Mit dem Jab bereitet er seine rechte Gerade vor, die zwar recht schnell daherkommt, allerdings wenig K.o.-Gefahr ausstrahlt. Nur elf seiner 20 Kämpfe hat Pulev vorzeitig entschieden. Mit Dimitrenko und Ustinov hat er zwar gleich zwei 2-Meter-Hünen vor dem Schlussgong aus dem Weg geräumt. Beide fielen aber mehr durch eigene Schwäche um, als dass die "Kobra" sie spektakulär gefällt hätte.

Pulevs große Stärke ist also nicht seine Power, sondern seine Technik. Gegen den Weltmeister dürfte sich zunächst vor allem ein Duell der Führhände entwickeln. Denn auch für Klitschko ist die linke Führhand der Schlüssel zum Erfolg. Mit ihr bereitet der Ukrainer seine torpedoartige rechte Gerade vor und hält sich die Gegner vom Leib. Es wird spannend zu sehen sein, welchem Kämpfer es zuerst gelingt, den Jab gewinnbringend zu etablieren. Der Führhand-Showdown wird den Kampfverlauf entscheidend beeinflussen. Die physischen Voraussetzungen werden dabei eine geringere Rolle spielen als bei früheren Klitschko-Kämpfen. Pulev ist mit 1,94 Meter lediglich vier Zentimeter kleiner als "Dr. Steelhammer". Auch in puncto Reichweite liegen beide Kontrahenten nah beieinander.

Sowohl Pulev als auch Klitschko werden versuchen, sich den Gegner mit der langen Linken zurechtzulegen, um diesen dann mit der rechten Schlaghand zu erschüttern. Zugleich aber müssen beide das Gefühl für die richtige Distanz beweisen, um Konterattacken zu vermeiden. Das heißt: Beide müssen entweder rechtzeitig nach hinten ausweichen, um ihr Kinn aus der Schusslinie zu nehmen. Oder sie müssen auf schnellen Beinen nach rechts ausweichen, damit der Weg für die Rechte des Gegners zu weit wird. Dieses "Rechts-Rausgehen" birgt für Pulev jedoch ein großes Risiko. Die "Kobra" könnte so genau in Klitschkos linken Haken laufen - neben der rechten Gerade die beste K.o.-Waffe des Ukrainers. Pulev wird also versuchen, Klitschkos Offensiv-Aktionen schon frühzeitig mit eigenen Treffern zu unterbinden, um im Anschluss in sichere Ringgefilde abzutauchen.

Probleme mit der Deckung

In Sachen Schlagkraft liegen die Vorteile wie bereits angedeutet klar auf Seiten Klitschkos. Der 38-Jährige hat in beiden Fäusten genug Dampf, um seine Kontrahenten ins Land der Träume zu befördern. Mit einem lockerleichten K.o.-Triumph des Titelverteidigers ist jedoch nicht zu rechnen. Pulev hat vor allem gegen Thompson und Ustinov gezeigt, dass er harte Treffer wegstecken kann, ohne mit der Wimper zu zucken.

Dass die "Kobra" ihre Nehmerfähigkeiten bereits bewiesen hat, legt aber auch eine große Schwäche Pulevs offen - die löchrige Deckung. Der ehemalige Europameister war in seinen Kämpfen gegen namhaftere Gegner relativ einfach zu treffen. Im 12-Runden-Gefecht gegen Thompson (den Klitschko bereits zwei Mal dominant geschlagen hatte) boxte ihn der Amerikaner in der Anfangsphase mit recht einfachen Mitteln aus. Er nutze Pulevs zu offene Verteidigung und landete jede Menge Treffer. Erst als der 42-Jährige müde wurde, riss Pulev mit seinem Jab das Geschehen an sich und siegte am Ende noch deutlich nach Punkten.

Gegen den Weltmeister wird der Bulgare in Sachen Deckung weitaus wachsamer sein müssen. Die vielen Knockout-Opfer von "Dr. Steelhammer" sollten Warnung genug sein. Schafft es der Herausforderer jedoch, aus einer stabilen Defensive mit seiner linken Führhand zu punkten und mit Klitschko auf Augenhöhe über die erste Hälfte des Kampfes zu kommen, könnte sich ein hochinteressantes Duell entwickeln.

Quelle: ntv.de, sport.de

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