Triumphe, Abstürze und Kurioses Legendäres aus 69 Vierschanzentourneen
26.12.2021, 13:17 Uhr
Sven Hannawald beim Training von Bischofshofen 2002. Einen Tag darauf war alles überstanden.
(Foto: picture alliance/AP Photo)
Die Vierschanzentournee ist eines der faszinierendsten und zugleich traditionsreichsten Events des Wintersportzirkus. In wenigen Tragen startet die Tournee in ihre 70. Auflage. Gut möglich, dass die besten Skispringer der Welt auch in dieser Saison historische Momente produzieren.
Mythos Vierschanzentournee. Beim alljährlich nach Weihnachten beginnenden Traditionsevent der Skispringer ist schon häufig Geschichte geschrieben worden. Nun steht in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen ab dem 29. Dezember die 70. Ausgabe auf dem Programm. Ein Blick zurück:
Historischer Triumph
Am 6. Januar 2002 krönte Sven Hannawald vorzeitig seine Karriere. Der heute 47-Jährige gewann als erster Athlet alle vier Springen und trug sich damit ins Geschichtsbuch ein. Bei RTL sahen Millionen Menschen zu und an den eiskalten Anlagen warteten zahlreiche Fans schon ab dem Morgengrauen auf ihre Helden. Mit dem Vierfachsieg blieb Hannawald aber nicht alleine: 2017/18 wiederholte der Pole Kamil Stoch, der im Auslauf prompt von Hannawald umarmt wurde, das Kunststück. Ein Jahr nach Stoch schaffte es auch der Japaner Ryoyu Kobayashi.
Hannawalds Erinnerungen an das letzte Springen in Bischofshofen sind durchaus gemischt: "Mir war alles scheißegal. Ob ich gewinne oder nicht, ob ich 50 oder 100 oder 150 Meter springe, das spielte keine Rolle für mich. Ich wollte einfach nur, dass es vorbei ist", sagte Hannawald "Sport Bild". In diesem Winter jährt sich der Vierfachsieg zum 20. Mal. Seitdem hat kein weiterer deutscher Springer mehr den Gesamtsieg bei dem Traditionsevent erobert.
Bei der 70. Auflage stehen die Chancen allerdings mal wieder gut: Weltmeister Karl Geiger startet als Gesamtweltcupführender in die Tournee, die er bereits einmal als Zweiter abgeschlossen hat. Deutschlands bester Skispringer Karl Geiger glaubt an ein Ende der deutschen Flaute bei der Vierschanzentournee. "Schon in den vergangenen Jahren hat immer einer der deutschen Springer vorne mitgemischt, deshalb stehen die Chancen sehr gut. Deswegen glaube ich, dass wir die Tournee mal knacken werden", sagte der 28 Jahre alte Oberstdorfer in einem Interview der "Augsburger Allgemeinen".
Der Kanzler gratulierte blitzschnell
Sven Hannawald staunte kürzlich in der "Sport Bild", wie schnell das Büro des Kanzlers war: "Kanzler Gerhard Schröder war der Schnellste." Hannawald schilderte, wie er um 15.56 Uhr seinen letzten Sprung in Bischofshofen gemacht habe und schon eine Minute später das Fax des SPD-Politikers beim übertragenden TV-Sender RTL eingegangen ist. "Eine Sekunde nach der Landung muss da jemand auf den Knopf gedrückt haben", sagte Hannawald.
Nach acht Sprüngen punktgleich
Die Ausgabe 2005/06 ist deshalb in die Geschichtsbücher eingegangen, weil sich der Finne Janne Ahonen und der Tscheche Jakub Janda nach acht Sprüngen den Gesamtsieg teilen mussten. Das gab es davor und danach nie bei der Tournee. Auf jeweils 1081,5 Punkte kamen Tournee-Rekordsieger Ahonen und sein Rivale Janda. "Es gibt zwei Gesamtsieger und zwei 33 000 Euro teure Autos als Siegespreis", teilte der damalige Tournee-Sprecher mit. Auf einen geteilten Sieg in diesem Jahr könnten die Organisatoren sicher verzichten, denn erstmals gibt es 100000 Schweizer Franken (rund 96 000 Euro) als Siegerpreisgeld.
Die Tournee steigt (fast) immer
Wegen eines Föhnsturms am berühmt-berüchtigten Innsbrucker Bergisel musste im Januar 2008 erstmals ein Tournee-Springen abgesagt werden. Nachgeholt wurde es kurz darauf in Bischofshofen, wo in jenem Jahr zwei Wettbewerbe abgehalten wurden. Immer wieder gab es auch Springen, wo wetter- und windbedingt nur ein Durchgang ausgetragen werden konnte. Dass es bei einer Vierschanzentournee nur drei Springen gab, ist noch nicht passiert.
Zuschauer fehlen schon wieder
Die Vierschanzentournee ist historisch auch ein - meistens fair ausgetragener - stimmungsvoller Länderkampf zwischen Deutschland und Österreich, vor allem im engen Kessel auf dem Innsbrucker Bergisel herrscht in normalen Jahren eine atemberaubende Atmosphäre. Doch in diesem Jahr ist alles wieder anders: Zum zweiten Mal in Folge findet die Tournee komplett ohne Zuschauer statt. Nach Oberstdorf (29. Dezember) und Garmisch-Partenkirchen (1. Januar) werden auch die Springen in Innsbruck am 4. Januar und Bischofshofen am 6. Januar ohne Publikum steigen, wie der Österreichische Skiverband (ÖSV) erst am Donnerstag mitteilte. "Wir bedauern diese Entscheidung für die Fans und Aktiven, wollen aber die Regierung bei ihren Bemühungen bestmöglich unterstützen", schrieben die Veranstalter. Zunächst war mit 4000 (Innsbruck) beziehungsweise 3500 (Bischofshofen) Zuschauern geplant worden.
Schwere Stürze
Das Finale 2015 in Bischofshofen wurde ein besonders tragisches. In der Qualifikation stürzte der Amerikaner Nicholas Fairall so schwer, dass er notoperiert werden musste und danach in den Rollstuhl gezwungen wurde. Am Folgetag erwischte es Olympiasieger Simon Ammann aus der Schweiz. Ammann erlitt eine Gehirnerschütterung und musste ins Krankenhaus gebracht werden, seine Karriere setzte der Routinier aber fort. Er ist heute noch aktiv.
Ein Skispringer von der Insel
"Eddie the Eagle", der mit bürgerlichem Namen Michael Edwards heißt, ist Kult. In den Achtzigerjahren sah der Brite eine TV-Übertragung der Tournee im Fernsehen und nahm sich daraufhin vor, selbst mal an dem Traditionsevent teilzunehmen. Der kleine Mann mit den dicken Brillengläsern hatte beinahe ein Abo auf den letzten Platz, doch seine Geschichte verkaufte sich hervorragend. 1989 stürzte er in Innsbruck, danach endete seine Karriere relativ abrupt.
Drei Siege und dann Abreise
An Yukio Kasaya aus Japan gab es bei der Tournee 1971/72 kein Vorbeikommen. Er gewann nacheinander die Springen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck. Doch dann reiste Japans Team vorzeitig ab, um sich auf die Olympischen Spiele in Sapporo vorzubereiten. Die Chance auf den historischen Vierfachsieg ließ Kasaya verstreichen, stattdessen staubte der Norweger Ingolf Mork den Gesamttriumph ohne Einzelsieg ab.
Quelle: ntv.de, ter/dpa