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Spionage-Affäre in der Formel 1 Mercedes droht Punktabzug

Die Spionage-Affäre um die Erzrivalen Ferrari und McLaren zieht immer weitere Kreise und könnte die Formel 1 in die schwerste Krise ihrer Geschichte stürzen. Wie das Fachmagazin auto, motor und sport auf seiner Onlineseite berichtet, droht jetzt sogar ein Punktabzug für McLaren-Mercedes und damit eine WM-Entscheidung am grünen Tisch. Für Hans-Joachim Stuck ist das ganze Ausmaß des Skandals derzeit überhaupt nicht absehbar. "Das ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Da wird noch sehr viel schmutzige Wäsche gewaschen", sagte der ehemalige Rennfahrer und heutige Premiere-Experte dem sid.

Sollte McLaren-Mercedes bei der Anhörung vor dem World Council des Automobil-Weltverbandes FIA am 26. Juli in Paris nachgewiesen werden, von März bis Juli 2007 im Besitz vertraulicher Daten des Konkurrenten Ferrari gewesen zu sein, könnten dem Team gemäß der FIA-Statuten nachträglich alle in diesem Zeitraum gewonnenen WM-Punkte wieder abgezogen werden.

Dem englisch-schwäbischen Rennstall blieben in diesem Fall von den bisherigen 128 WM-Punkten nur noch jene 14 Zähler erhalten, die beim Saisonauftakt am 18. März in Melbourne einfahren wurden. Laut FIA-Präsident Max Mosley könnten aber auch die Silberpfeil-Piloten Fernando Alonso (Spanien) und Lewis Hamilton (Großbritannien) ihre Punkte verlieren. Das bestätigte ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk, der als FIA-Vize-Präsident am 26. Juli der Anhörung beiwohnt, dem sid.

"Das Strafmaß lässt diese Möglichkeit zu", sagte Tomczyk. Wenn allerdings erwiesen sei, dass es sich eindeutig um eine Teamsache handele, halte er nichts davon, auch die Fahrer zu bestrafen, so Tomczyk. Der mächtigste Mann im deutschen Motorsport rechnet mit einem Urteilsspruch noch am selben Tag, "da die Anhörung ja sehr früh beginnt". Laut Tomczyk um 9.30 Uhr. Auch Stuck ist dafür, lediglich das Team zu bestrafen, falls sich die Spekulationen bestätigen sollten: "Sonst wird die Fahrer-WM zur Farce."

Mercedes ist unbesorgt

Mercedes-Sportchef Norbert Haug kann die "ganze Aufregung nicht verstehen" und ist fest von einem Freispruch überzeugt. "Wer nichts Unrechtes getan hat, der hat auch nichts zu befürchten. Unser Team hat mit diesem ganzen Thema nichts zu tun", sagte Haug dem sid. Er habe daher auch keine Angst vor der FIA-Anhörung. Haug versichert, dass das Team nie verbotenes Material genutzt habe. Das entspräche absolut nicht dem Sportsgeist von McLaren-Mercedes. "Wir wollen keine Rennen gewinnen, die auf Manipulation basieren", sagt der Mercedes-Sportchef.

Übrigens sei es das Team McLaren-Mercedes gewesen, das die FIA zur Anhörung aufgefordert habe, berichtet Haug: "Es ist in unserem Interesse, diese Sache lückenlos aufzuklären. Mercedes ist überall im Sport für Fairplay bekannt."

Der ehemalige Formel-1-Pilot Christian Danner (München) macht Ferrari schwere Vorwürfe. Das sei ein ganz billiger und bösartiger Versuch der psychologischen Kriegsführung, sagte der RTL-Experte dem sid: "Ferrari versucht jetzt verzweifelt, McLaren etwas anzuhängen. Die wollen die Situation mit unfairen Mitteln schamlos ausnutzen." Laut Danner drohe dennoch "absolut ein Punktabzug", falls die FIA den Spionage-Vorwurf nachweisen kann. Er halte dies zwar für sehr unwahrscheinlich, "aber egal, wie es ausgeht, diese Angelegenheit wird noch große Kreise ziehen".

Danners Premiere-Kollege Marc Surer hält die ganze Geschichte für eine Überreaktion. Spionage sei in der Formel 1 üblich. "Jeder schaut beim anderen ab, oder er wirbt Mitarbeiter ab. Das ist doch völlig normal", sagte der frühere Formel-1-Pilot dem sid. Die FIA sei seiner Meinung nach genötigt worden, etwas zu unternehmen, um Klarheit zu schaffen. Der Schweizer geht aber davon aus, dass die Angelegenheit eingestellt wird: "Nur wenn man beweisen kann, dass Komponenten aus den Ferrari-Unterlagen im McLaren zu finden sind, wird ein Punktabzug ein Thema. Das halte ich allerdings für sehr unwahrscheinlich.

Stepney droht Haftstrafe


Dem von Ferrari entlassenen Chefmechaniker Nigel Stepney droht nach Angaben der Gazzetta dello Sport wegen Spionage, Verbreitung industrieller Geheimnisse und Sabotage eine Strafe von bis zu vier Jahren Haft. Laut Gazzetta habe auch der McLaren-Techniker Mike Coughlan Stepney schwer belastet und bestätigt, dass ihm dieser Dossiers über den Rennstall aus Maranello zugespielt hatte.

Nach Angaben von Experten ist das weiße Pulver, das Stepney vor dem Monaco-Grand-Prix in die Ferrari-Autos geschüttet haben soll, ein Düngemittel. Mindestens ein halbes Kilo des Pulvers soll der 48-Jährige in die Autos geschüttet haben. Das Verfahren gegen Stepney wird aber erst in ein paar Monaten stattfinden.

Coughlan geht laut auto, motor und sport deshalb straffrei aus, weil er Ferrari eine eidesstattliche Erklärung gegeben hat. Wie das Fachblatt auf seiner Onlineseite kommentiert, "sieht Ferrari in dem Kuhhandel offenbar eine Chance, WM-Konkurrent McLaren-Mercedes in eine missliche Lage zu bringen".

von Ralf Loweg und Arno Wester, sid

Quelle: ntv.de

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