Vor dem Spiel des Jahres Nur Burgfrieden auf Schalke
03.03.2008, 17:04 UhrDer Krisengipfel hat die Wogen geglättet, doch die Ruhe ist trügerisch: Nach der Aussprache zwischen Mirko Slomka und dem Vorstand um Präsident und Chefkritiker Josef Schnusenberg zwang sich Fußball-Bundesligist Schalke 04 zur vollen Konzentration auf das Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League am Mittwoch beim FC Porto.
Allerdings gab Coach Mirko Slomka zu erkennen, dass ihm die Diskussionen um seine Person sehr zugesetzt haben. "Es kocht schon innerlich", sagte der Coach gegenüber der "Welt" und deutete damit an, dass es ihm offenbar nicht leicht fällt, sich mit öffentlichen Äußerungen zu seiner öffentlichen Demontage zurückzuhalten. Auch in der Mannschaft rumort es vor dem Spiel des Jahres mehr denn je. Das zeigte der verbale Rundumschlag von Kapitän Marcelo Bordon.
"Es hat alles gefehlt, Aggressivität, Zweikämpfe - das ist nicht das Schalke, das ich kenne", sagte der Brasilianer und rechnete nach der 0:1-Niederlage gegen Bayern München auch schonungslos mit einigen Teamkollegen ab. Gerald Asamoah und Vicente Sanchez, die er bei seiner Abrechnung auch namentlich erwähnte, warf er mangelnde Qualität in der Defensivarbeit vor.
Keine Strafe für Bordon
Jermaine Jones, der gegen die Bayern wegen einer unnötigen Gelb-Roten Karte im Spiel bei Bayer Leverkusen (0:1) gesperrt war und im defensiven Mittelfeld schmerzlich vermisst wurde, unterstellte er unprofessionelles Verhalten: "Wir brauchen Männer auf dem Platz, nicht Leute, die blödsinnige Gelbe oder Rote Karten kriegen." Einmal in Fahrt, hatte der Kapitän der Königsblauen aber auch Slomka aufs Korn genommen. Er wolle nicht über das System diskutieren, sagte Bordon, "dann bekomme ich ein Problem".
Von einer öffentlichen Rüge für den Abwehrchef sahen die Schalker Bosse ab - zu sehr waren sie am Wochenende mit sich selbst beschäftigt, zu sehr ist vor dem Porto-Spiel Ruhe die erste Bürgerpflicht. Und zu wichtig ist Bordon.
Eine Verbannung aus dem Kader, wie sie Mladen Krstajic und Ivan Rakitic wegen der "Disko-Affäre" vor dem Champions-League-Heimspiel gegen Rosenborg Trondheim getroffen hatte, käme im Falle von Leistungsträger Bordon nach dem knappen 1:0-Hinspielsieg im "Drachenstadion" in Porto wohl eher einem Eigentor gleich.
Galgenfrist statt Ultimatum
"Wir müssen jetzt ganz klar zusammenstehen. Eine Phase, die kritisch ist, können wir nur gemeinsam meistern. Wir dürfen jetzt auf keinen Fall den Hammer rausholen", meinte Manager Andreas Müller. Der Schalker Ex-Profi war mit seinem Vorstandskollegen, Geschäftsführer Peter Peters, am Sonntagnachmittag nach anderthalb Stunden zu einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Slomka und Schnusenberg gestoßen. Eine "sehr offene, sehr deutliche und sehr ehrliche Unterredung" habe es zwischen dem Trainer und dem Präsidenten gegeben, die nötig gewesen sei, um die "Atmosphäre zu bereinigen".
Ergebnisse, die mit einem Schlag für Ruhe gesorgt hätten, konnten die Schalker Bosse nicht präsentieren, denn Slomka erhielt nur eine Galgenfrist. "Es gab und gibt keinerlei Ultimatum für den Trainer", betonte Schnusenberg zwar. Doch der mächtige Aufsichtsrats-Boss Clemens Tönnies stellte auch klar: "Wenn uns der Himmel auf den Kopf fällt, müssen wir natürlich umdenken."
Tönnies hatte im Mai 2006 als treibende Kraft der Entmachtung von Manager Rudi Assauer gezeigt, wie viel Macht er auf Schalke besitzt und wie konsequent er auch schwierige Entscheidungen vorantreiben kann. Sollte der Vizemeister in Porto nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel sang- und klanglos ausscheiden, wäre eine Entlassung Slomkas im Vergleich zum Sturz des Schalke-Denkmals Assauer nur ein winzig kleiner Vorfall.
von Jörg Mebus und Thomas Lipinski, sid
Quelle: ntv.de