Spektakulärstes Comeback seit 1899 Oracle verweigert die Niederlage
26.09.2013, 14:36 Uhr
Das neuseeländsiche Boot vor der berühmten Gefängnisinsel.
(Foto: REUTERS)
Das ist nach dem Geschmack der US-Amerikaner: Aus fast aussichtsloser Lage gelingt der Triumph. Der 34. America's Cup wird als eine der spannendsten Regatten in die Geschichte eingehen. Die Dramatik hat auch die massive Kritik verdrängt. Doch die Probleme bleiben.
Die 34. Auflage des America's Cup ist für die Geschichtsbücher. Nie zuvor dauerte es länger, bis mit Oracle Team USA ein Gewinner feststand. Zudem gab es in der Bucht vor San Francisco gab es zwischen Golden Gate Bridge und der Gefängnisinsel Alcatraz eine der spektakulärsten Aufholjagden der Sportgeschichte. Und zugleich erlitt selten ein Team eine derart tragische Niederlage wie das Emirates Team New Zealand.
Die Entscheidung fiel am 19. Tag und bei der insgesamt 19. Wettfahrt. Der bisherige Rekord stammte von 1899: Damals duellierten sich J. P. Morgans "Colombia" mit Sir Thomas Liptons "Shamrock" 18 Tage lang. In der Nacht zu Donnerstag wehrte Oracle den achten Matchball der Kiwis ab und verteidigte nach zuvor hochklassigen und erbittert geführten Regatten den Cup. Der Skipper des neuseeländischen Teams, Dean Barker, sprach von "monumentale Schlachten". Teils rasten die Katamarane mit mehr als 25 Knoten aufeinander zu. Als diesjährige Herausforderer hatten die Kiwis zum fünften Mal in den vergangenen sechs Wettbewerben seit 1995 das Finale erreicht. In diesem Jahr hatten sich die Sieger von 1995 und 2000 gegen das italienische Luna Rossa Team durchgesetzt.
Mehr als eine Hand am Cup
Ins Finale gingen die Amerikaner dann mit einem Handicap - und umso heller strahlt ihr Sieg am Ende. Wegen der Manipulation ihres Bootes wurden sie noch vor der ersten Wettfahrt mit zwei Strafpunkten sowie Einzelsperren und einer 250.000-US-Dollar-Geldbuße belegt. Damit brauchten sie elf Punkte für den Gesamtsieg, während die Neuseeländer "nur" neun Wettfahrten gewinnen mussten.
In den ersten elf Regatten sah das US-Team dann die Neuseeländer aber überwiegend von hinten. In der Heimat verfolgte Schätzungen zufolge gut die Hälfte der Einwohner Neuseelands die Rennen live im Fernsehen. Und was sie sahen, konnte ihnen gefallen. Die Kiwis bauten ihren Vorsprung auf 8:1 aus und hatten eigentlich schon mehr als eine Hand am Cup. Doch dann begannen die Titelverteidiger an der Legende zu stricken. "Sie haben es doch schon fast im Sack. Was wäre das also für ein Comeback? Was wäre das für eine verdammt gute Story? Daraus ziehe ich meine Motivation", hatte Oracle-Skipper James Spithill nach dem 1:8 gesagt.
Die Wende brachte der viermalige Olympiasieger und elffache Weltmeister Ben Ainslie. Der britische Superstar wurde als neuer Taktiker an Bord des 22 Meter langen AC72-Katamarans geholt, die mit ihren 260 Quadratmeter großen steifen Segeln Geschwindigkeit jenseits von 80 Kilometer pro Stunde erreichen. Monate zuvor war er einer der Sargträger bei der Beerdigung seines verunglückten Segel-Kumpels Andrew Simpson, der während der Vorbereitung auf den America's Cup sein Leben gelassen hatte.
Regeländerungen für 35. Auflage?
Unter seiner Regie glich Oracle aus und erzwang eine alles entscheidende 19. Wettfahrt um den erstmals 1851 vor der englischen Isle of Wight ausgesegelt Cup. Am Ende verteidigte die US-Crew den 17 Kilogramm schweren Pokal. "The Auld Mug" gilt als älteste Trophäe der Sport-Welt. Ihren Namen hat sie nach dem ersten Gewinner, der Yacht "America", erhalten.
Wie seit den Anfangstagen richtet nun der Gewinner den nächsten Cup aus und steht automatisch im Finale. Alle anderen Teams müssen zuvor den Herausforderer ermitteln. Doch die Fragezeichen sind groß. Vor Beginn des Wettstreits hatte der Cup einen Tiefpunkt erreicht: Die Herausforderer-Serie zum America's Cup um den Louis Vuitton Cup war zunächst die langweiligste der Geschichte: Lediglich drei und nicht wie erhofft bis zu zwölf Teams bildeten aufgrund der enormen Kosten die überschaubare Flotte. Hinzu kamen der tödliche Trainingsunfall des Olympiasiegers Simpson, Sicherheitsdebatten, Zuschauermangel und eine unzufriedene Gastgeberstadt San Francisco.
Team Oracle, das die Regularien nach dem Sieg 2010 gegen Alinghi festlegen durfte, kündigte vor Beginn der Serie an, daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. "Sollten wir den Cup verteidigen, wird die nächste Ausgabe mit deutlich kleineren Schiffen ausgetragen werden", hatte der Teamchef der Amerikaner Sir Russell Coutts gesagt. "Die Schiffe sind zu groß."
Schümann plädiert für deutsches Team

Rund 200 Millionen Dollar soll das Budget der Amerikaner betragen haben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Oracle hatte wohl ein Budget von rund 200 Millionen Dollar zur Verfügung. Team New Zealand bekam auch mit Hilfe des Staates etwa 80 Millionen zusammen. Coutts zufolge gehen drei Prozent der Kosten einer Kampagne in das Design des Bootes und lediglich acht Prozent in den Bau. "55 Prozent sind Personalkosten, und die Teams brauchen nur deshalb so viel Personal, weil die Schiffe so groß sind."
Ein großer Kritiker der Kostenexplosion ist die deutsche Segel-Legende Jochen Schümann. Zugleich aber spricht sich der 59-Jährige für eine deutsche Kampagne beim nächsten America's Cup ausgesprochen. "Es wäre natürlich toll, wenn Deutschland auf diesem Niveau dabei sein könnte." Schümann hat die Regatta zweimal mit dem Schweizer Team Alinghi gewonnen.
Bei der Premiere der Nachwuchsregatta vor San Francisco wurde in diesem Jahr die Crew um Skipper Philipp Buhl aus Sonthofen und Steuermann Erik Heil aus Berlin Neunte im Feld der zehn Mannschaften aus acht Ländern. Nach dem Rückzug der Projektinitiatoren Sailing Team Germany und des Norddeutschen Regatta-Vereins Hamburg hatte die Nachwuchs-Crew ihre Teilnahme im Alleingang durchgesetzt und war auf sich gestellt.
Es wäre gut, "wenn Deutschland sich im Segelsport so weit entwickeln würde, dass es ein wettbewerbsfähiges America's-Cup-Team auf die Beine stellen kann. Aber da gehört nicht nur Segeln dazu, sondern auch Sponsoren, Technologie und eine ganze Entwicklungsfolge, um nicht nur dabei zu sein, sondern wirklich Siegchancen zu haben. Denn darum geht es zum Schluss. Es geht ums Gewinnen."
Es liege nun an Oracle etwas auf die Beine zu stellen, dass Investoren sagen lasse: "Ja, das ergibt Sinn. Ich investiere mein Geld in diese Sportart und bin dann ein Team."
Quelle: ntv.de, jwu/sid/dpa