Gefährliches Spiel Sex-Geschäft in Peking blüht
20.08.2008, 15:27 UhrDas Angebot kommt unvermittelt: "Sex?!", fragt die Prostituierte auffordernd, während sie aus einer Seitenstraße im Vergnügungsviertel Sanlitun auf zwei ausländische Olympia-Touristen zugeht. "Wie viel soll es kosten?", fragt einer der verdutzten Ausländer interessehalber. "500 Yuan", sagt die Frau charmant lächelnd. Umgerechnet 50 Euro. "Für Euch beide zusammen", fügt sie hinzu. Die attraktive Chinesin scheint Ende 20, Anfang 30 - selbstbewusst, erfahren. Sie nimmt die Hand des Ausländers, hält sie zum ersten Körperkontakt fest. "Na kommt schon." Ins Hotel, zu den Ausländern nach Hause oder auch bei ihr. "Egal wo."
Zwar haben die Sittenwächter das Pekinger Nachtleben vor Olympia "gesäubert" und einschlägige Bars geschlossen, doch auch das älteste Gewerbe der Welt ist olympisch schwer im Geschäft - nur nicht so auffällig wie sonst. Normalerweise wird jeder Ausländer, der am Eingang zur Sanlitun-Barstraße aus dem Taxi steigt, von Prostituierten oder Zuhältern mit "Lady-Bar!", "Massage!" oder "Sex!" bombardiert. Während der Spiele hat sich das Geschäft in die Nebenstraßen und Clubs verlagert. Die Meile erscheint nicht mehr ganz so sündig, ist aber kein bisschen unschuldiger geworden.
Polizei nicht streng gegenüber Ausländer
Ob sie nicht Angst habe, nachts allein auf der Straße? Gebe es nicht jemanden, der sie beschützt? "Ich arbeite alleine", sagt die Frau bestimmt. Sie senkt den Preis: "300 Yuan." Ob die Polizei jetzt mit Olympia nicht besonders streng sei, will der Ausländer weiter wissen. "Die kümmern sich nur um Chinesen, nicht um euch Ausländer", sagt sie, lässt die Hand nicht los. Nur 20 Meter weiter stehen zwei Soldaten am Eingang eines diplomatischen Wohngebiets. Sie schauen zu, sollen ja nur über den Eingang wachen und nicht über Prostitution.
Massen von Fußballfans schieben sich nach dem 3:0-Sieg von Argentinien gegen Brasilien im nahe gelegenen Arbeiterstadion durch die Barstraße. In den Clubs spielen Musikgruppen, vor den Türen klirren die Bierflaschen, grölen die Fans. Ein bulliger ausländischer Türsteher blockiert den Eingang zum Nachtclub "China Doll", bringt den Reichen und Schönen das Schlangestehen bei. "200 Yuan bitte", fordert eine freundliche Chinesin von Männern für den Eintritt. 20 Euro. Am Wochenende können es auch 500 Yuan werden.
Hübsche Frauen kommen auch umsonst rein - oder Olympiasieger, von denen einige sogar mit Medaille gesehen wurden. Vielen Gästen hängt der gelbe Olympia-Pass um den Hals. Die Musik wummert. Mädchen in kurzen schwarz-türkisen Kleidchen mit goldenen Rüschen servieren Qingdao-Bier für 50 Yuan (5 Euro). Solche Preise sind nur etwas für wohlhabende Nachtschwärmer - zu teuer für einfache Prostituierte, gerade recht aber für die teuren Freundinnen und Nebenfrauen reicher Chinesen, die auf ihren Marktwert bedacht sind.
Aids gefährlicher als die Polizei
Dabei ist Prostitution in China eigentlich verboten. Den Frauen wie ihren Kunden drohen sogar Umerziehungslager. Gelegentlich steckt die Polizei jetzt auch Ausländer für ein paar Tage in Haft, wenn sie bei Razzien in Bordellen oder Massagesalons aufgegriffen werden. Gefahr droht aber weniger durch die Polizei, die noch oft genug wegschaut, als vielmehr durch Aids. Nachdem die Immunschwäche in China gefährlich lange ignoriert worden war, ist heute Unwissenheit und der häufig wechselnde Geschlechtsverkehr der Hauptgrund für die stark steigende Zahl der Ansteckungen in China.
"Wo ist Suzie Wong?", fragt ein Olympia-Tourist suchend nach dem Weg zum Glück. Die teure Bar am Chaoyang-Park bietet ebenfalls viele attraktive Frauen. "Du sprichst drei an und hast einen Treffer", sagt lachend ein Kenner der Szene. "Halbprofis" vielleicht - jene Schönheiten, die tagsüber einem normalen Job nachgehen, sich aber abends ihre teuren Gucci-Taschen und Designer-Klamotten finanzieren. Oder auf den "großen Fang" hoffen - reicher Chinese oder Ausländer. Ein gefährliches Spiel: Heute sind 700.000 Chinesen mit Aids infiziert. Es wäre ein Erfolg, wenn es in zwei Jahren nur doppelt soviel wären, wie die Regierung anstrebt. Doch könnten es nach UN-Schätzungen dann einige Millionen sein.
Für die mehr als 10.000 Athleten im olympischen Dorf und die Olympia-Gäste in Hotels sind deswegen kostenlos einige hunderttausend Kondome bereitgestellt worden - auch wenn viele Sportler sie noch vergeblich suchen. Ungeschützter Verkehr steckt heute hinter jeder zweiten Infektion in Peking. "Play safe", geh' auf Nummer sicher, ist für viele in der Hauptstadt aber immer noch kein Thema. Immer häufiger infizieren sich auch ausländische Studenten oder Geschäftsleute, weil sie sich naiv und ohne Kondom auf ein kleines Abenteuer eingelassen haben. "Ich habe zunehmend mehr solche Fälle", berichtet ein Arzt einer Ausländer-Klinik. "Dumm gelaufen."
Andreas Landwehr, dpa
Quelle: ntv.de