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DBB-Auswahl feiert EM-Gold Sieg über die Türkei krönt einzigartige deutsche Klassenfahrt

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Erst Welt-, jetzt Europameister! Deutschlands Basketballer schreiben Geschichte und setzen sich in einem denkwürdigen Herzschlagfinale gegen starke Türken durch. Turnier-MVP Dennis Schröder führt "das beste Team, in dem er je gespielt" hat, zu Gold. Und hat noch lange nicht genug.

Sie gehen alle etwas gemächlicher am Morgen danach, die Basketballer der Deutschen Nationalmannschaft, bevor sie ihren Charterflug aus Riga boarden. Hier Dennis Schröder mit seinen Kindern, einen Schal und Basketball signierend, während Fans Selfies mit ihm machen. Dort Daniel Theis mit seiner Familie. Daneben Franz Wagner mit Sonnenbrille, Goldmedaille und Siegesnetz aus der Xiaomi Arena als Schmuck-Accessoires um den Hals baumelnd. Johannes Thiemann, in weißem T-Shirt und mit blauem Auge, bewegt sich in Richtung Gate. Isaac Bonga hat noch immer nicht aufgehört, Dreier zu treffen.

Deutschland ist Europameister, der Pokal ist auch irgendwo. Die Stimmung ist entspannt, zufrieden, glücklich. Mission: erfüllt. Sie reden alle häufig von Familie, wann immer sie auf das Gefühl angesprochen werden, das sie im Beisein ihrer Teamkollegen haben. Und wer nicht wüsste, dass hier gerade der amtierende Welt- und Europameister die Maschine Richtung Frankfurt besteigt, könnte tatsächlich glauben, dass hier ein paar Freunde gemeinsam aus dem Urlaub zurückfliegen.

"Diese Gruppe ist wirklich etwas ganz Besonderes. Wir sagen immer: Das ist wie Klassenfahrt. Jeder liebt es, im Sommer dazuzustoßen und zusammenzuspielen. Zwei Erfolge hintereinander sind unglaublich. Wir sind ein echtes Team. Einfach eine unfassbare Truppe von Typen und Spielern. Mehr kann man wirklich nicht verlangen", sagt Schröder.

Die Momente, für die Dennis Schröder lebt

Wenige Stunden zuvor war ein unfassbar intensives, enges und hochklassiges EuroBasket-Finale zu Ende gegangen. Schröder, heulend vor überschwänglicher Freude, lag in den Armen seines alten Kumpels aus Braunschweiger Tagen, Theis. Nach und nach stießen die Teamkollegen hinzu, scharten sich um den Nationalmannschaftskapitän, der die letzten sechs Punkte für seine Farben erzielt und damit Deutschlands zweiten EM-Titel nach 1993 eingetütet hatte. Und das, obwohl er in Halbzeit eins nur einen einzigen Wurfversuch abgefeuert hatte.

"Für diese Momente lebt man. Dafür ackere ich jeden Tag", sagte der Kapitän später. "In der ersten Halbzeit habe ich kein gutes Spiel gemacht, dafür waren meine Teammates zur Stelle. Am Ende als es eng war, war ich an der Reihe. Das hat funktioniert, weil wir alle geliefert haben, als es darauf ankam." Andreas Obst' Dreier zum 74:76, Bonga zum 77:76, Theis' Dreier zum 82:81 ... es ging Schlag auf Schlag in Riga, auch weil die Türken ihre beste Partie zeigten und dem DBB alles abverlangten.

Dass blutjunge Teams auf diesem Level aber nicht gewinnen und schmerzliche Niederlagen zum Prozess dazu gehören, wurde in der Crunchtime deutlich. Veteran Shane Larkin war der einzige, der in den letzten drei Minuten den Korb fand; Sengün verfehlte einen Dreier zum Ausgleich kurz vor Schluss, während Schröder mit seinen Punkten fünf und sechs in Folge die Partie auf Eis legte.

Kollektive Anspannung auf türkischer Seite

"Um Dennis braucht man sich nie Sorgen machen. So wie er am Ende performt hat, als es darauf ankam. Das spricht Bände über seine mentale Stärke", attestierte ihm Tristan Da Silva im Gespräch mit ntv.de. "Wir haben es super gemeistert, haben nie den Kopf hängen lassen. Der Trainer hat eine Ansprache gemacht in der Pause, über unsere Ausstrahlung und unsere Körpersprache, ab da war jeder eingerastet, jeder wusste: Jetzt zählt es. Positive Energie ausstrahlen, daran glauben, das haben wir auch gemacht." Ob es je einen kleinen Zweifel gegeben habe, dass Deutschland die Partie noch gewinnt. "Nie. Kann man nicht. Darf man nicht."

Die Türken wirkten vor Tip-Off kollektiv angespannt, allen voran ihr Head Coach Ergin Ataman, der die Seitenlinie auf und ab marschierte und nach Luft rang. Sie hatten viel Druck aufgebaut, die "Dev Adam", sowohl mit ihren nahezu perfekten Auftritten in den bis dato acht Partien dieser EuroBasket, inklusive beeindruckenden Siegen gegen Serbien und Griechenland, als auch im Vorfeld des großen Finales. Nur ein Podiumsplatz in 90 Jahren wollte mit einem großen Befreiungsschlag gerächt werden.

Ataman selbst hatte mit Aussagen wie "Wir werden gewinnen", "Ich bin der beste Coach Europas", "Ich verliere keine Finals" und "Mein Team ist besser im Moment als Deutschland" die enormen Erwartungen im eigenen Land nur zusätzlich angestachelt. Tausende rabiater Türkei-Fans verwandelten die Arena in Riga in einen Hexenkessel, in dem die meisten Deutschen tatsächlich nur schwer ins Rollen kamen. Wagner, einmal mehr die treibende Kraft in Halbzeit eins, und Isaac Bonga mit seiner besten Partie im deutschen Trikot, hielten den Weltmeister in Schlagdistanz.

Die Türken kontrollierten die Partie über weite Strecken, allen voran Alperen Sengün (28 Punkte) und Cedi Osman (23) trafen, zelebrierten, taten dem DBB weh. "Sie waren unglaublich heute, viel Energie, Sengün hat uns im Post zugesetzt. Aber in diesem Spiel zählt auch Glück dazu, Momentum-Plays, die gehören dazu. Wir haben ein Play mehr gemacht am Ende", analysierte Wagner, der 18 Punkte erzielte und zwei türkische Runs mit Monsterblocks stoppte.

Schröder will noch viele Jahre dabei bleiben

Der Mann des Spiels hingegen war Bonga. Das "Schweizer Taschenmesser", das für seine elitäre Defense bekannt ist und sich spätestens mit den Leistungen bei diesem Turnier zurück auf den NBA-Radar forciert hat, erzielte 20 Punkte - mehr als jemals zuvor in einem EM-Spiel. Zwei Dreier, ein Dunk und ein essenzieller Offensiv-Rebound, allesamt im Schlussviertel, waren nur ein kleiner Teil seines unersetzlichen Beitrags. "Ich gucke immer, dass ich dem Team das gebe, was es braucht. Heute waren es big shots, als wir Punkte gebraucht haben. Ich finde wir haben es verdient, ich finde wir haben alle zusammen so hart gearbeitet."

Dieses Finale war nichts für schwache Nerven. Deutschland lag mehr als 24 Minuten in Rückstand, die Führung wechselte 15-mal, das Spiel war elfmal ausgeglichen. Mitte des Schlussviertels sah es am düstersten aus. Thiemann lag nach einem Ellbogen im Gesicht unter dem eigenen Korb und musste behandelt werden. Theis und Bonga hatten jeweils vier Fouls kassiert. Die Türkei führte mit fünf Zählern.

"Das war ein Wechselbad der Gefühle. Aber es hat gezeigt, wie diese Mannschaft ist", erklärte ein erschöpfter, aber überglücklicher Alan Ibrahimagic gegenüber ntv.de. "Immer wieder dranbleiben, kämpfen, nochmal kämpfen, dagegenhalten, sich zurückkämpfen. Wir hatten niemals Panik oder Nervosität. Andi, Bonga, Daniel haben wichtige Würfe getroffen. Wir haben irgendwie immer eine Antwort gefunden. So richtig realisieren wird man das erst in ein paar Tagen, aber erstmal bin ich nur glücklich, dass wir es geschafft haben."

Wo auch immer man hinblickte, wen auch immer man fragte, für alle überragte vor allem ein Gefühl: das der Dankbarkeit, ein Teil dieser Gruppe, ein Teil dieser Familie sein zu dürfen. Eine Familie, die im Sommer zusammenkommt, um Goldmedaillen zu gewinnen. "Es ist wie Klassenfahrt", erzählt Maodo Lo. "Das ist auch der Grund warum alle wiederkommen, jeden Sommer. Das ist irgendwie, als ob man mit Freunden so ein bisschen Basketball spielt. Dazu haben wir einfach eine Generation, in der wir richtig gut sind im Basketball, wir haben so viel Talent, so viel Qualität, so viel Tiefe. Man spielt mit seinen Freunden und hat auch noch Erfolg. Das ist einfach eine unfassbar geile Zeit gerade."

Zum Schluss wollte ntv.de, wie bereits vor zwei Jahren in Manila, von Kapitän und MVP Schröder wissen, wie er den langen Weg hierher und den Titel selbst einordnet: "Es war eine emotionale Reise die letzten Jahre. Ich hoffe die Menschen in Deutschland und weltweit sehen, was wir für den deutschen Basketball tun. Wir haben eine harte Zeit hinter uns. Mein Slogan ist immer, harte Arbeit zahlt sich aus. Als ich angefangen habe, da waren wir noch nicht so gut. Wir haben viel verändert über die Jahre, den Standard in vielerlei Hinsicht gehoben, die Ziele immer ambitionierter gestaltet. Und mittlerweile sind wir endlich an einem Punkt, an dem wir sagen können, dass wir alle einen sehr, sehr guten Job gemacht haben. Den Standard wollen wir natürlich halten, und immer weiter Medaillen und Trophäen gewinnen. Er ist mir eine Ehre und ein Privileg, Deutschland zu repräsentieren. Ich will das machen, bis ich 40 bin."

Quelle: ntv.de

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