Formel 1 auf Bewährung Start ins Ungewisse
26.03.2009, 17:14 UhrAlles deutet darauf hin, dass die kommende Saison in der Formel 1 ähnlich spannend beginnt, wie sie im vergangenen Jahr aufgehört hat. Wenn am Samstag nach dem Qualifying die ersten echten Rundenzeiten angezeigt werden, dürfte es einige Überraschungen geben, positive, wie negative.
Bis zur letzten Runde hatten sich McLaren-Mercedes und Ferrari bekämpft, mit dem allseits bekannten glücklichen Ausgang für die Silbernen. Nur einen Unterschied dürfte es geben: Mercedes wird allgemein als fast nicht konkurrenzfähig eingeschätzt.
Der Titelgewinn im letzten Jahr könnte das schwäbisch-britische Team zu einem hohen Preis erkauft haben. Bis zum letzten Rennen in Brasilien schraubten die Ingenieure von McLaren an dem Auto, um dem späteren Weltmeister Lewis Hamilton Vorteile zu verschaffen. Drei Wochen vor Saisonende gingen die Änderungen noch mal so weit, dass es sich bei dem MP4-23 um ein fast neues Auto handelte. Zu diesem Zeitpunkt konzentrierte Ferrari wie alle anderen Teams auch alle Kräfte auf die Entwicklung des neuen Boliden.
Alles neu im Jahr 2009
Aber auch die Italiener gehören nicht unbedingt zu den ausgemachten Favoriten zu Saisonbeginn. Zu gravierend sind die Regeländerungen im Vergleich zum vergangenen Jahr (Siehe Hintergrund-Artikel). Und zu unklar sind die Kräfteverhältnisse nach den grundlegenden Reformen des Regelwerks.
Das könnte erklären, warum Ross Brawn solche finanziellen Risiken eingegangen ist. Für einen symbolischen Kaufpreis von einem Pfund hat der 54 Jahre alte Engländer das Team erworben. Konstruktion und Entwicklung waren zu dem Zeitpunkt schon abgeschlossen. Auch das Mercedes-Triebwerk hatte sich schon mit dem Auto vereint. Er wusste wohl worauf er sich einlässt. Allerdings kommt er mit der Abfindung in Höhe von 100 Millionen Dollar höchstens bis zum Ende der Saison. Brawn GP ist daher zum Erfolg verdammt.
Nicht nur der rigide Sparkurs, was die Testfahrten angeht oder die optionale Hybridtechnik mit einhergehender Gewichtsproblematik machen den Herren über dreistellige Millionenbudgets angeht, macht zu schaffen. Es ist vielmehr die Gesamtheit der Änderungen am Paket, welche die teuer erkauften Verhältnisse so grundlegend durcheinander gewürfelt hat.
Spott für Mercedes
Die Winterergebnisse geben, wie so oft, mehr Rätsel auf, als das sie aufklären. Wer war mit wie viel Sprit im optimalen trimm unterwegs? Wer hat tiefgestapelt? Lewis Hamilton jedenfalls muss in diesen Tagen viel Spott ertragen. Sein Erzrivale und ehemaliger Team-Kollege Fernando Alonso bemerkt süffisant: "Ja, die haben einige Probleme." Hamiltons Meinung dazu kann man sich denken.
Mercedes dürfte also am kommenden Wochenende so oder so für eine Überraschung gut sein. Entweder positiv oder negativ. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug räumt im Vorfeld bereits räumt: "Wir müssen uns darauf einstellen, im letzten Drittel der Startaufstellung zu stehen." Haug ist nicht gerade für Übertreibungen bekannt. Auch nicht im Negativen.
Brawn-Team als Klassen-Primus?
In diese Lücke wollen andere stoßen. Die große Überraschung könnte das frisch aus der Taufe gehobene Team Brawn werden. Schnell aus den Trümmern des ehemaligen Honda-Teams zusammengezimmert hat die Truppe um den ehemaligen Ferrari- und Benetton-Strategen und Schumacher-Intimus bei den bisherigen Tests eine beeindruckende Performance an den Tag gelegt. Selbst BMW-Pilot Nick Heidfeld sieht die Truppe
Finanzsorgen bei Williams
Finanziell ist auch Williams vor der Saison zu den Sorgenkindern zu rechnen. Nur mit einem Vorschuss auf die Fernseheinnahmen von F1-Mogul Bernie Ecclestone waren die Engländer überhaupt in der Lage an den Start zu gehen. Die mittelfristige Finanzierung des Teams von Nico Rosberg steht auf sehr wackligen Beinen. Dieser ist dennoch von seinem Auto überzeugt. "Die können was, wir kommen noch", sagt Rosberg und gibt sich zuversichtlich. Wird auch Zeit, denn ohne wenigstens einige Achtungserfolge dürfte es schwierig werden. Spätestens für die kommende Saison.
Auch für das BMW-Sauber-Team wird sich der Druck in dieser Saison noch einmal erhöhen. Angesichts der Wirtschaftskrise hat sich die Geduld in München verringert. Der Rennstall, dem jedes Jahr großes Potenzial zugesagt wird, sollte dieses Jahr zum siegfähigen Team werden. Und das nicht nur ein mal unter optimalen Bedingungen, sondern dauerhaft. "Letztes Jahr waren wir auf Tuchfühlung. Jetzt ist es unser großes Ziel, um den Titel mitzufahren", stellt BMW-Motorsport-Direktor Mario Theissen klar. Das gilt ganz besonders für Nick Heidfeld. Der Mönchengladbacher muss seine schwache Bilanz aus der vergangenen Saison korrigieren, sonst dürfte sein Cockpit endgültig vakant werden.
Heißes Stallduell bei Ferrari
Mit Druck weiß man bei Ferrari umzugehen. Die Roten aus Maranello sind jede Saison zum Erfolg verdammt. Das könnte in dieser Saison klappen, denn der F60 scheint von Beginn an zumindest konkurrenzfähig zu sein. Einige Experten sehen die Italiener gar wieder vorne weg fahren. Spannend dürfte das Stallduell zwischen Kimi Räikkönen und Felipe Massa werden.
Für den Finnen geht es diese Saison um das Cockpit. Sollte er sich noch einmal ähnlich viele Ausfälle und Schwächphasen wie vergangene Saison leisten, dann wird er wohl seinen Platz räumen müssen. Doch alles hängt davon ab, wie das Auto funktioniert. Ganz vorne zeigte sich Ferrari im Winter nicht. Nichts weniger als das wird aber von den Roten aus Maranello erwartet.
Bleiben noch die anderen Deutschen. Jungstar Sebastian Vettel soll seiner neuen Truppe, dem Red-Bull-Team des österreichischen Milliardärs Dietrich Mateschitz, das Siegen beibringen. Könnte klappen, denn trotz der Regeländerungen dürfte er in einem stärkeren Auto als letzte Saison sitzen. "Das Potenzial ist da, aber es gibt trotzdem viel zu tun", sagt Vettel über seinen neuen Rennstall.
Damoklesschwert über Toyota
Timo Glock hat in seinem Toyota im Winter eine gute Figur gemacht. Entsprechend selbstbewusst gibt er sich für den Saisonstart: "Ich will schließlich Weltmeister werden und nicht deutscher Meister." Ob es dafür reicht, bleibt allerdings abzuwarten, doch ein Leistungsschub im Vergleich zum Vorjahr ist schon drin. Zumal man mit dem Ausstieg von Honda ein Damoklesschwert über sich schweben sieht. Toyota schreibt neuerdings Verluste und die kränkelnde japanische Wirtschaft macht es den Bossen auch nicht leichter zu Hause das Millionenbudget des meist recht erfolgfreien Teams zu erklären.
Für das Force-India-Team von Adrian Sutil dürfte auch die neue Saison eine schwierige werden. Selbst Weltmeister Hamilton bemerkte etwas mtileidig: " Ich bedauere, dass er sein wirkliches Potenzial in der Formel 1 noch nicht zeigen konnte, so wie es mir vergönnt war." Mehr als Achtungserfolge werden wohl auch mit dem Mercedes-Motor nicht drin sein. Vielleicht kann sich Sutil, mit dem sich Hamilton in der Formel 3 heiße Duelle geliefert hat, für ein stärkeres Auto empfehlen, wie es Sebastian Vettel mit seinem Sieg in Monza gelang.
Die Fans dürfte es zumindest freuen, dass sich wieder eine spannende Saison abzeichnet. Kein Michael Schumacher im Alleinflug droht. Vielmehr dürfte es zumindest zum Start richtig heiß her gehen. Man darf sich zurecht darauf freuen und sollte das auch. Denn wenn die Wirtschaftskrise länger dauert, als uns viele Politiker versprechen, könnte es die letzte F1-Saison im relativen Überfluss werden.
Quelle: ntv.de