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"Fluchschanze" von Oberstdorf Wer dort siegt, verliert oft

Noriaki Kasai aus Japan prägte das Skispringen jahrzehntelang, ist aber diesmal in Oberstdorf nicht qualifiziert.

Noriaki Kasai aus Japan prägte das Skispringen jahrzehntelang, ist aber diesmal in Oberstdorf nicht qualifiziert.

(Foto: imago/Sammy Minkoff)

Schmitt, Duffner, Freund: Für deutsche Skispringer ist der Sieg beim Tournee-Auftakt in Oberstdorf selten ein gutes Omen. Die Überflieger vom Schattenberg fallen oft tief - wird es dieses Jahr wieder so laufen oder lässt der Fluch allmählich nach? Heute startet die Vierschanzentournee in die Qualifikation.

Als Markus Eisenbichler die imposante Schattenberg-Schanze erblickte, waren die Jubelbilder gleich wieder präsent. "An Oberstdorf erinnere ich mich gerne zurück. So etwas vergisst man nicht", sagte der Skisprung-Weltmeister, als er am Freitag mit leuchtenden Augen von seinem zweiten Platz vor einem Jahr erzählte. 27.000 Zuschauer jubelten ihm damals zu, es war der Start einer starken Vierschanzentournee.

Vierschanzentournee 2019/20

Oberstdorf

29. Dezember: Auftaktspringen - Sieger: Ryoyu Kobayashi (Japan)

Garmisch-Partenkirchen

1. Januar: Neujahrsspringen - Sieger: Marius Lindvik (Norwegen)

Innsbruck

3. Januar: Qualifikation (14 Uhr)

4. Januar: Bergiselspringen (14 Uhr)

Bischofshofen

5. Januar: Qualifikation (16.30 Uhr)

6. Januar: Dreikönigsspringen (17.15 Uhr)

Hätte Eisenbichler gewonnen, es hätte zumindest nach dem "Oberstdorf-Orakel" vielleicht nicht zum zweiten Rang in der Endabrechnung gereicht. Denn ein Sieg am Schattenberg erwies sich in der Vergangenheit oft genug als schlechtes Omen - vor allem für die Deutschen.

Severin Freund? Triumphierte dort 2015 als bislang letzter Deutscher und hat seitdem die Seuche. Martin Schmitt? Siegte dort dreimal nacheinander und gewann nie die Tournee. Christof Duffner? Triumphierte 1992 beim Auftakt im Allgäu und dann nie wieder. Jens Weißflog? Holte seinen letzten Tourneesieg vor allem deshalb, weil der unschlagbar scheinende Mika Laitinen einen Tag nach dem Oberstdorf-Sieg schwer stürzte.
Die Skisprung-Geschichte zeigt: Wer am Sonntag (17.30 Uhr/ARD und Eurosport) nach dem Tourneestart vorne liegt, muss sich ernsthaft Sorgen machen. Erstaunlich oft brach der Dominator der ersten von vier Schanzen mitunter dramatisch ein - und erholte sich teilweise niemals davon.

Der Fluch lässt langsam nach

Aus deutscher Sicht ist Oberstdorf gewissermaßen eine Fluchschanze. Neun deutsche Siege gab es dort seit 1992, zuletzt durch Freund, nur Sven Hannawald (2001/02) holte dann auch den Tourneesieg. Das liegt deutlich unter der schon mickrigen Gesamtquote: Elf der letzten 25 Auftaktsieger jubelten auch nach Bischofshofen.

Es ist wohl auch der Druck, der für einen deutschen Springer in und nach Oberstdorf oft übermächtig wird. "Natürlich fehlt mir der Tournee-Sieg in meiner Sammlung", hatte Martin Schmitt vor dem Auftakt 2000 gesagt: "Aber wenn ich jetzt sage, ich will gewinnen, dann fehlt mir die Lockerheit." Schmitt gewann zwar wie 1998 und 1999 in Oberstdorf, erlebte dann aber nach Platz elf im Vorjahr erneut ein Garmisch-Debakel - dem Tournee-Sieg lief er bis zum Karriereende 2014 vergeblich hinterher. Schmitts Schwarzwälder "Landsmann" Duffner hatte sich zuvor zwar in unnachahmlicher Mundart als Motto "Muesch cool bliiiebe" zugelegt. Nach seinem Überraschungserfolg 1992 in Oberstdorf war es aber mit der Coolness vorbei: Mit Platz 32 in Garmisch starb der Tourneetraum, es blieb bei diesem einzigen Weltcup-Sieg - als Trostpflaster wurde "Duffi" 1994 Team-Olympiasieger.

Andere erwischte es da schlimmer. Österreichs einstiges Toptalent Reinhard Schwarzenberger beispielsweise. 1994 siegte er in Oberstdorf in seinem allerersten Weltcup-Springen - zu viel für den 17-Jährigen: 24., 21., 19. wurde er auf den nächsten drei Stationen, 16. im Gesamtklassement - selten fiel ein Auftaktsieger tiefer. Wohl aber schmerzhafter: Der Finne Laitinen kam 1995 aus dem Nichts, gewann zwischen dem 3. und 30. Dezember fünf Weltcups. Es waren die einzigen seiner Karriere, der in Oberstdorf blieb der letzte - an Silvester brach er sich in der Probe von Garmisch sieben Rippen und das Schlüsselbein. Laitinens Tournee war beendet, der Weg frei für den bis dahin klar unterlegenen Weißflog. Immerhin: In den vergangenen Jahren scheint der Fluch etwas nachgelassen zu haben. Der Pole Kamil Stoch (2017/18) und Ryoyu Kobayashi aus Japan (2018/19) schafften nach ihrem Sieg in Oberstdorf sogar den Grand Slam. Ganz hoffnungslos wird die Lage für den Sieger von Sonntag also nicht sein.

Quelle: ntv.de, Christoph Leuchtenberg und Erik Roos, sid

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