Geschäft mit der Little League Wie Walt Disney die Baseball-Kids ausbeutet
27.08.2018, 15:13 Uhr
Das Team aus Honolulu gewinnt in diesem Jahr den Titel in der Little League World Series - Geld gibt es dafür nicht.
(Foto: AP)
Große Bühne für die Stars von morgen. In der Little League World Series spielen die 11- bis 13-Jährigen ihren Baseball-Meister aus. Der Wettbewerb ist ein Zuschauermagnet - und finanziell lukrativ. Aber nur für Walt Disney und die Liga.
Pitcher Ka'olo Holt schleuderte nach seinem entscheidenden Wurf vor Freude den Fanghandschuh in die Höhe. Seine Mitspieler rannten umgehend auf ihn zu - und dann hüpften alle Kids vom Team Hawaii in ihren blau-gelben Trikots voller Glückseligkeit. Die Mannschaft aus Honolulu hatte soeben das Finale der Little League World Series (LLWS) gewonnen. Im Endspiel besiegte Hawaii Südkorea mit 3:0. "Das ist unglaublich und unser Team einfach fantastisch", freute sich Holt. Während er und seine Teamkollegen jubelten, rollten bei den Südkoreanern Tränen.
Szenen wie diese gibt es alljährlich im August in South Williamsport. Hier, knapp 300 Kilometer westlich von New York, wird die LLWS ausgespielt - die inoffizielle Baseball-Weltmeisterschaft für 11- bis 13-Jährige. Die Kleinstadt in Pennsylvania wird dann zur Pilgerstätte von Familien und Fans. Das Fernsehen ist auch dabei. ESPN hat in diesem Jahr 231 Partien übertragen - so viele, wie noch nie.
Die Geschichte der Baseball-Bubies begann 1947 mit lokalen Teams. Die einheimischen Maynard Midgets besiegten im Finale vor 2500 Zuschauern die Lock Haven All Stars 16:7. Ergebnis und Spielbericht standen tags darauf in landesweiten Zeitungen. Die Nation nahm Notiz von der Liga, schon bald gab es in allen 50 Bundesstaaten Little League-Programme - und das Finale wurde 1963 erstmals im Fernsehen übertragen. Mittlerweile ist die Little League eine globale Marke geworden - und weltweit gesehen das größte organisierte Kinder-Sportprogramm. Stephen Keener, Präsident der LLWS, betont stolz, dass rund um den Erdball knapp 2,5 Millionen Kids in fast 200.000 Teams und 85 Ländern Little League-Programmen angehören.
Kleine Stars als globale Marke

Mannschaften aus aller Welt reisen zum Finale nach Pennsylvania - und zahlen oftmals kräftig drauf.
(Foto: AP)
Das Finalturnier erreichen acht amerikanische sowie acht internationale Teams. 2012 war erstmals eine Mannschaft aus Afrika dabei. Für die Kinder aus Uganda, hieß es im US-Fernsehen, war es die Chance, dem Elend daheim einige Tage zu entkommen. "Viele von ihnen haben nur ein Elternteil oder sind Waisen. Im Training haben sie barfuß gespielt, so waren sie es von daheim gewohnt. Das hier ist eine komplett neue Erfahrung für die Kinder aus Uganda." Der 12-jährige Tony Okello hatte den Moment noch genau vor Augen, an dem klar war, dass sich Uganda für die LLWS qualifiziert hatte. "Wir sind ausgeflippt, über den ganzen Platz gelaufen zu unserer Fahne, waren einfach nur überglücklich."
Die schöne Geschichte der Kleinen hat jedoch auch eine Kehrseite. Während die Liga und das Fernsehen Millionen einstreichen, gehen die Hauptdarsteller leer aus. Ein Unding, findet Sportjournalist Dan Wetzel von Yahoo Sports. "Die Spieler sollten bezahlt werden. Nicht alle, sondern nur die, deren Spiele im Fernsehen gezeigt werden", so Wetzel. Dabei gehe es "nicht um Millionen oder Hunderttausende, sondern um einige Hundert Dollar pro Fernsehauftritt." Wetzel schlägt vor, das Geld direkt in einen College-Fond fließen zu lassen, um so später ein Studium finanzieren zu können. "Sie verdienen es einfach. Denn außer den Kids machen alle anderen Geld mit diesem blühenden, expandierenden Geschäft", betont der Journalist.
Die Little League Baseball, kurz LLB, ist als gemeinnütziger Verein eingetragen, wies 2012 laut Steuerbericht ein Vermögen von 78,5 Millionen Dollar auf. Sie verdient durch Sponsorengelder sechs Millionen pro Jahr, ESPN zahlt für die Übertragungsrechte bis 2022 jährlich 7,5 Millionen Dollar. Der Sportsender gehört zu 80 Prozent der Walt Disney Company - und die wiederum hatte 2017 Einnahmen von 55,14 Milliarden Dollar.
Geld könnte fürs Studium angelegt werden
Wetzel kritisiert, dass Walt Disney seine Kinderfilm-Stars wie die mittlerweile erwachsene Miley Cyrus, alias Hannah Montana, bezahlt, die gleichaltrigen Spieler, die ebenfalls im Fernsehen auftreten, bei der LLWS hingegen leer ausgehen. "Es gibt jede Menge US-Familien, die das Geld für's College sparen könnten - oder damit die Kosten ausgleichen, die ihrem Sohn bei Qualifikationsturnieren entstanden sind, um die LLWS zu erreichen", sagt Wetzel.
Die LLWS zahlt den Kindern zwar Anreise und Unterkunft - die oftmals mitreisenden Eltern müssen jedoch ins eigene Portemonnaie greifen. Und so kosteten die Familien des australischen Teams aus Queensland die heimischen Qualifikationsrunden, die Flüge nach New York sowie die zwölf Tage in Williamsport jeweils 16.000 US-Dollar. Doppelt bitter: Australien war nach zwei Niederlagen an den ersten beiden Turniertagen bereits ausgeschieden. "Keiner von uns ist reich, aber trotzdem sind alle 42 Eltern hier", sagt Clint White, dessen Sohn Mathew zum Team gehört. Allerdings, so White weiter, werde "in diesem oder im nächsten Jahr der Familienurlaub" ausfallen.
Dan Wetzel schüttelt bei solchen Stories den Kopf. "Walt Disney macht hier mitunter Geld mit Kindern aus Dritte-Welt-Ländern - und zahlt ihnen nicht einen Cent. Ich bin mir nicht sicher, ob dies in irgendeiner anderen Branche vorkommt." Die Statuten der LLWS sind streng. So ist es den Eltern untersagt, Geld durch Spendenaktionen zu sammeln. Außer Kuchen zu verkaufen sei nichts drin - und mit Kuchen verkaufen verdiene man eben nicht viel, sagt eine australische Mutter.
Das Thema ist nicht neu, eine Lösung trotzdem nicht in Sicht. Veranstalter, Fernsehsender und auch der angeblich so kinderfreundliche Walt-Disney-Konzern schalten auf stumm. Die Little League World Series ist "big business" - aber eben nur für die großen Player.
Quelle: ntv.de