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Ungeliebt, heimatlos, siegreich Wie die L.A. Chargers sich durchbeißen

Die Chargers sind nicht nur beliebt.

Die Chargers sind nicht nur beliebt.

(Foto: imago/UPI Photo)

Die Footballer der Los Angeles Chargers sind das beste Auswärtsteam der NFL. Man könnte auch sagen, sie spielen in fremden Stadien so gut, weil sie ohnehin keine echte Heimat haben. In L.A. interessiert sich kaum jemand für sie. In San Diego ist das Fanlager gespalten.

Am Anfang gaben sie sich bissig und provozierten ein wenig. Als die Chargers im Sommer 2017 von San Diego nach Los Angeles umzogen, hatten sie in den sozialen Medien "The Fight for L.A." ausgerufen. Natürlich war die Marketing-Kampagne mit einem Augenzwinkern gemeint. Und dennoch: dieser Kampf um die Football-Vorherrschaft in Los Angeles war nie einer. Es war, wenn überhaupt, ein von Beginn an ungleiches Duell. Als würde ein Fliegengewicht gegen einen Superschweren in den Boxring steigen.

Playoffs in der NFL

Super Bowl

Montag, 4. Februar in Atlanta

Los Angeles Rams - New England Patriots

 

Halbfinale

Sonntag, 20 Januar

New Orleans Saints - Los Angeles Rams 23:26

Montag, 21. Januar

Kansas City Chiefs - New England Patriots 31:37

 

Viertelfinale

Samstag, 12. Januar, 22.35 Uhr
Kansas City Chiefs - Indianapolis Colts 31:13

Sonntag, 13. Januar, 02:15 Uhr
Los Angeles Rams - Dallas Cowboys 30:22

Sonntag, 13. Januar, 19:05 Uhr

New England Patriots - Los Angeles Chargers 41:28

Sonntag, 13. Januar, 22:40 Uhr

New Orleans Saints - Philadelphia Eagles 20:14

Denn in L.A. regieren die Rams, die just das Halbfinale der Playoffs erreicht haben - auch wenn sie zwischenzeitlich mal 20 Jahre lang gar nicht in der Stadt, sondern in St. Louis zu Hause waren. Aber 48 Jahre, von 1946 bis 1994, haben nun mal geprägt. Und auch wenn es bei der Rückkehr 2016 anfangs etwas dauerte, bis die Los Angelinos sich wieder mit dem Verein anfreundeten, so war der Kontakt, die Zuneigung trotz der Entfernung doch nie richtig abgerissen.

"Für die Rams war es nicht so eine große Umstellung wie für uns. Als Neuling musst du etwas mehr tun. Wir waren immer die San Diego Chargers", sagt Chargers-Runningback Melvin Gordon. Im Gegensatz zu den Rams hat sein Klub mit Los Angeles so viel zu tun wie mit der Freiheitsstatue oder dem Weißen Haus. Zwar waren die Chargers 1960 mal eine Saison in L.A., seitdem aber in San Diego zu Hause und wurden dort geliebt. "San Diego wird für mich und viele Mitspieler immer ein besonderer Ort bleiben", sagt Philip Rivers. Er ist seit 2004 Quarterback der Chargers. Und es sagt einiges aus, dass er nach wie vor in San Diego wohnt und täglich die mehrstündige Autofahrt zur Arbeit in L.A. auf sich nimmt.

Eigner stellte Stadt Ultimatum

Dass die Chargers Südkalifornien verließen und sich 160 Kilometer weiter nördlich niederließen, lag an der ungeklärten Stadionsituation in San Diego. Chargers-Besitzer Dean Spanos verfügt mit seiner Familie laut Wirtschaftsmagazin Forbes zwar über ein Vermögen von 2,4 Milliarden Dollar. Dennoch wollte er, dass die Stadt ihm ein neues Stadion mit Steuergeld finanziert. Als die Kommune sich weigerte, war sie ihr NFL-Team los.

Nur Platz für 30.000 Zuschauer: Arena der Los Angeles Galaxy.

Nur Platz für 30.000 Zuschauer: Arena der Los Angeles Galaxy.

Während die Rams in ihre alte Spielstätte, das Coliseum zurückkehrten, spielen die Chargers als einziges NFL-Team in einem Fußballstadion. Die Arena der Los Angeles Galaxy bietet nur 30.000 Zuschauern Platz und erfüllt somit bei weitem nicht die NFL-Minimalkapazität von 50.000. Doch die Chargers haben ohnehin Schwierigkeiten, selbst ihr kleines Stadion zu füllen. Von Heimspiel-Atmosphäre kann bei den Heimspielen kaum die Rede sein.

Oftmals sind mehr als die Hälfte der Ränge mit Gästefans gefüllt. Und die Frage, wie der Verein ab 2020 die 70.000 Sitze in der neuen, supermodernen Arena füllen soll, die sich die Chargers dann mit dem Rams teilen, ist mehr als berechtigt. Bei all diesen Umständen ist es durchaus etwas überraschend, dass die Mannschaft so erfolgreich spielt. Die 12:4-Siege in der Vorrunde waren zusammen mit Kansas City die beste Bilanz der American Football Conference (AFC). Die Chargers haben nur einmal auswärts - ausgerechnet bei den Rams - verloren. Sobald sie jedoch in den Flieger stiegen, sind sie immer siegreich zurückgekommen. Das beste Auswärtsteam der Liga (8:1) spielt an diesem Sonntag ab 19 Uhr unserer Zeit im Playoff-Viertelfinale bei der besten Heimmannschaft, den New England Patriots. Die haben alle acht Partien in ihrem Stadium gewonnen. Trotz dieser Bilanz und den vorhergesagten Minustemperaturen gelten die Sonnenverwöhnten Chargers nicht als Außenseiter.

Niemand wartete in L.A. auf Chargers

Warum auch? Sie haben unter anderem in Seattle, Pittsburgh, Kansas City und Baltimore gewonnen. In vier Arenen, die aufgrund der leidenschaftlichen Fans durchaus eine Hölle für jeden Gast sein können. Wer dort besteht, kann auch beim fünfmaligen Meister New England selbstbewusst antreten. Warum die Chargers auswärts so erfolgreich sind, wissen sie selbst nicht. Vielleicht liegt es ja daran, dass sie ohnehin kein echtes zu Hause haben.

Der Großraum Los Angeles ist auch ohne die Chargers bereits ein Schmelztiegel des Profisports. Zehn Vereine aus fünf Ligen sind hier zu Hause. Die Dodgers standen in den vergangenen beiden Jahren jeweils in den Endspielen der Major League Baseball. Die Lakers haben seit dieser Saison LeBron James, den derzeit besten Basketballer der Welt. Zlatan Ibrahimovic trägt seit März das Trikot der Los Angeles Angeles Galaxy. Zu den Profiklubs kommen mit der Universität of Southern California (USC) und der University of California, Los Angeles (UCLA) zwei berühmte Colleges, deren Sport-Teams seit Jahrzehnten eine treue Anhängerschaft haben.

quarterback der Los Angeles Chargers: Philip Rivers.

quarterback der Los Angeles Chargers: Philip Rivers.

(Foto: imago/Icon SMI)

Mit anderen Worten: auf die Chargers hat in L.A. niemand gewartet. Als sie dennoch im Januar 2017 ihren Umzug bekanntgaben, lautete die Schlagzeile in der Tageszeitung Los Angeles Times: "Wir wollen euch nicht." Man wisse, dass es Jahre dauern werde, bis man eine Fangemeinde aufgebaut habe, lautete die Reaktion von Manager Tom Telesco. Dean Spanos geht gar von "einer Generation" aus. In der alten Heimat, San Diego, sind die Menschen derweil in zwei Lager unterteilt. Die einen unterstützen die Chargers immer noch und fahren zu den Heimspielen gen Norden. Die anderen haben mit dem Verein abgeschlossen. "Es ist wie ein Bürgerkrieg und es wird immer schlimmer. Denn das Team ist gut", sagt Johnny Abundez der Tageszeitung "New York Times". Dave Abrams stimmt ihm zu.

Er gehört zur Anti-Chargers-Fraktion, hat all seine Fan-Utensilien verkauft und das Geld für einen guten Zweck gespendet. "Als sie weggingen, war das für mich ein Schlag in den Magen. Seitdem drücke ich immer den Gegnern die Daumen", so Abrams. Er liebe Philip Rivers und viele andere Spieler, sagt er. Aber er könne den Eigentümern nicht verzeihen. Trotz seiner Antipathie sieht Abrams natürlich, wie gut dieses Chargers-Team derzeit ist. Und das wiederum macht ihn nervös. Mehr noch. Es bringt ihn in eine Bredouille. "Meine ärgste Befürchtung ist, dass sie den Super Bowl erreichen."

Quelle: ntv.de

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