Märchen gegen alle Widerstände Wie ein schwarzes Mädchen den weißen Sport erobert
24.12.2023, 07:46 Uhr
Hofft, dass künftig mehr schwarze Kids sich Schlittschuhe von ihren Eltern wünschen: US-Nationalspielerin Laila Edwards.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Als sie im TV Partien der Frauen-Nationalmannschaft verfolgte, sah Laila Edwards nie eine schwarze Spielerin. In der Kabine war sie stets die einzige Afroamerikanerin. Nun ist Edwards Amerikas erste schwarze Eishockey-Nationalspielerin - und will vor allem Vorbild sein.
Jackie Robinson bedarf in der US-Sportgeschichte keiner großen Erklärung. Sein Name ist der Inbegriff für einen Pionier. Für jemanden, der Historisches geleistet hat. Robinson war am 15. April 1947 der erste Schwarze, der in der Major League Baseball spielte.
Sein Debüt für die Brooklyn Dodgers kam einer Revolution gleich. Baseball war zu jener Zeit Amerikas Lieblingssport - allerdings auch strikt getrennt. Die besten Weißen spielten in der MLB, die besten Schwarzen in der Negro League. Dann kam Robinson und durchbrach die sogenannte "color barrier".
Ehre, Stolz und Wehmut
Etwas Ähnliches hat vor einigen Wochen auch Laila Edwards geschafft. Knapp 76,5 Jahre nach Robinson. Die 19-Jährige war die erste Schwarze in der US-Eishockeynationalmannschaft der Frauen. Am 11. November debütierte Edwards beim 5:2-Sieg in Los Angeles gegen Kanada. Sie sprach anschließend davon, dass es "eine Ehre" gewesen, und sie "dankbar und stolz" sei.
Allerdings schwang bei ihr auch hörbar Wehmut mit. So schön und so historisch das alles gewesen sei, so traurig sei sie zugleich, dass es so lange gedauert habe, bis eine Schwarze endlich das Nationaltrikot tragen durfte, meinte Edwards.
Viele Erfolge, wenig Vielfalt
Blake Boldon hätte 2012 bereits diejenige sein können, die Geschichte schreibt. Die Verteidigerin wurde ins WM-Vorbereitungs-Trainingslager eingeladen. Und nach den Meinungen vieler Experten hätte Bolton damals auch den Sprung in den finalen Kader schaffen müssen, wurde aber dennoch nicht nominiert. Ein Jahr später erlebte sie all das noch einmal. Anschließend passierte zehn Jahre lang nichts - dann kam Laila Edwards. Ihr Idol: Blake Boldon.
Seit 1990 gibt es Eishockey-Weltmeisterschaft für Frauen. Damals zählten die USA rund 6000 registrierte Spielerinnen. Mittlerweile ist die Zahl auf 88.000 gestiegen und die USA sind neben Kanada die dominierende Nation, haben zweimal Olympiagold und zehn Weltmeisterschaften gewonnen. Was jedoch in den vergangenen 33 Jahren nahezu gleich geblieben ist: die fehlende Vielfalt.
Eishockey statt Eiskunstlauf - "zum Glück"
Eishockey gilt immer noch - uns zwar bei Frauen und Männern - als weißer Sport. Der Prozentanteil an Schwarzen liegt im unteren einstelligen Bereich. "Als ich aufgewachsen bin, habe ich immer die Spiele der Nationalmannschaft geguckt und es wirklich genossen", erinnert sich Edwards. Was fehlte: "Jemand, der so aussieht wie ich."
Als Fünfjährige begann sie einst mit Eishockey. Eigentlich habe sie Eiskunstläuferin werden wollen, sagt Edwards, aber der Vater, ein Eishockeyspieler, hatte andere Pläne mit ihr. "Zum Glück", sagt sie heute. Edwards fiel früh auf, dass sie stets die einzige Schwarze in der Umkleide war - und dass es ein Schubladendenken gegenüber Menschen mit ihrer Hautfarbe gibt.
Weißer Sport Eishockey für schwarze Kinder greifbarer?
Als sie zum Beispiel in einen großen Sportkomplex kam, zeigte ihr die Person am Empfang sofort den Weg zur Basketballhalle. Ein großes, schwarzes Mädchen - das konnte anscheinend ja nur eine Basketballerin sein. So ist es schließlich schon immer gewesen. Edwards hat natürlich auch die überraschten oder mitunter gar verblüfften Blicke wahrgenommen, als sie dann selbstbewusst antwortete, dass sie hier sei, "um Eishockey zu spielen".
In den Tagen nach ihrem Debüt bekam die Stürmerin viele Nachrichten. Nachrichten voller Dankbarkeit. Nachrichten, die ihr das Gefühl gaben, "einen Unterschied zu machen." Denn durch sie und ihren ersten Auftritt im US-Nationaltrikot ist dieser so weiße Sport Eishockey nun vielleicht auch für schwarze Kinder ein bisschen greifbarer geworden - und somit realistischer.
Inspiration für schwarze Mädchen und Jungen
Edwards habe eine Plattform erschaffen und könne diese nun nutzen, damit vielleicht Jugendliche, die niemals daran dachten, Eishockey zu spielen, zu ihren Eltern gehen und fragen, ob sie ein paar Schlittschuhe bekommen könnten, sagt Mark Johnson. Er trainiert Edwards an der University of Wisconsin, wo die Teenagerin in ihrem zweiten Jahr spielt.
Edwards weiß um ihre Vorbildrolle - und nimmt diese an. Sie möchte eine Inspiration für alle Mädchen und Jungen sein, sagt sie, vor allem aber für schwarze Mädchen und Jungen. "Sie sollen mich sehen und sagen, 'wenn sie das schafft, kann ich es auch schaffen.'"
Nächstes Ziel: WM-Geschichte schreiben
In der Geschichte des Frauen-Eishockeys hat es schon einige Pionierinnen gegeben. Die Kanadierin Angela James wurde 2008 als erste Schwarze in die Eishockey-Hall-of-Fame aufgenommen. Ihre Landsfrau Sarah Nurse gewann 2022 als erste Schwarze Olympiagold. Julie Chu war 2002 in Salt Lake City die erste Spielerin der US-Nationalmannschaft mit asiatischer Abstammung bei Winterspielen, Abby Roque vergangenes Jahr in Peking die indigene Pionierin.
Seit einigen Wochen steht auch der Name Laila Edwards auf dieser Liste. Und sie könnte schon bald wieder Geschichte schreiben - als erste Schwarze der US-Nationalmannschaft bei einer Weltmeisterschaft. Es wäre sogar ein Heimspiel für sie. Das Turnier wird vom 3. bis 14. April in Utica im US-Bundesstaat New York ausgetragen.
Quelle: ntv.de