Sport

Weltklasse-Snooker in Berlin Die Künstler bitten zum Duell

13 Jahre mussten deutsche Snookerfans warten, um die Weltelite endlich auch hierzulande wieder um Weltranglistenpunkte kämpfen zu sehen. Geschadet hat es der Popularität des Gentleman-Sports nicht. Der Zuschauerandrang in Berlin bricht Rekorde - obwohl der größte deutsche Snookerstar nach wie vor kein Spieler, sondern ein TV-Kommentator ist.

Ronnie O'Sullivan trägt wegen seiner zügigen Spielweise den Spitznamen "The Rocket". In Berlin wird die Rakete nicht zünden.

Ronnie O'Sullivan trägt wegen seiner zügigen Spielweise den Spitznamen "The Rocket". In Berlin wird die Rakete nicht zünden.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Wiederbelebung des professionellen Snookersports in Deutschland hatte noch gar nicht begonnen, da wurde die Euphorie schon wieder gedämpft. Ronnie O'Sullivan, dreifacher Weltmeister und von vielen Fans wegen seiner offensiv-aggressiven Spielweise vergöttert, sagte seine Teilnahme am German Masters kurz vor dem Start ab. Sein Rückzug, mutmaßlich chronischer Reiseunlust geschuldet, war ein Schock und verärgerte auch den Snooker-Weltverband. Der Engländer war fest als Star eingeplant für das erste deutsche Ranglistenturnier seit einer kleinen Ewigkeit. Er war einer der Hauptgründe dafür, dass im Vorfeld mehr als 14.000 Tickets verkauft wurden, ein Zuschauerrekord auf der Snooker-Profitour.

Die gute Nachricht ist, dass es Berlin auch ohne den launischen Publikumsliebling aus England nicht an Stars und Sympathieträgern mangelt. John Higgins, der Weltranglisten-Erste aus Schottland gibt sich die Ehre, Chinas Toptalent und Volksheld Ding Junhui ebenfalls. Und auch der junge Australier Neil Robertson, amtierender Weltmeister und eine Art Popstar des vornehmen Snookersports, ist im Tempodrom vor 2500 Zuschauern dabei.

Am Mittwochabend allerdings, als um kurz nach 20 Uhr im Tempodrom auf fünf Tischen gleichzeitig die ersten Kugeln aneinanderklackten, gehörte das gleißend helle Rampenlicht zunächst Talenten und Hinterbänklern. Mit der Eröffnung der Wildcard-Runde des German Masters endete für deutsche Fans der vornehmsten und anspruchsvollsten aller Billardvarianten eine gut 13 Jahre währende Durststrecke, in der sie sich mit Schaukämpfen und Einladungsturnieren begnügen mussten. Nun geht es endlich wieder um etwas. Um 300.000 Euro Preisgeld und die begehrten Weltranglistenpunkte. Als Bonbon für die Fans sind die fünf Spieltische nicht mit Sichtblenden voneinander getrennt und deshalb von jedem Platz einsehbar.

Finale vor 100 Fans

Als das German Masters hierzulande letztmals als Wertungsturnier ausgetragen wurde, hieß es noch German Open. Das Finale fand, damals im Dezember 1997, in einem beschaulichen Hotel im beschaulichen Bingen am Rhein statt. In einem Saal, der nur 200 Zuschauern Platz bot und trotzdem viel zu groß war, erinnert sich Rolf Kalb. Der 51-Jährige muss es wissen, er ist Deutschlands "Mr. Snooker".

John Higgins ist mit zwei Siegen in Deutschland der Rekordgewinner - auch wenn sein letzter Erfolg 13 Jahre her ist.

John Higgins ist mit zwei Siegen in Deutschland der Rekordgewinner - auch wenn sein letzter Erfolg 13 Jahre her ist.

(Foto: REUTERS)

Für den Sender Eurosport kommentiert er seit einem Jahrzehnt die Profi-Turniere der Main Tour und die WM. Dass sich die Duelle an den sattgrünen Tischen in Deutschland als TV-Sport wachsender Beliebtheit erfreuen, obwohl es keine Deutschen in der Weltspitze gab und gibt, darf er durchaus als persönlichen Erfolg verbuchen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nennt ihn den "Verständlichermacher des Snookersports in Deutschland",  weil er während der oft stundenlangen Spiele immer wieder eine kleine Regelkunde für etwaige Neulinge einstreut.

Großartige Spannungsbögen

Die Faszination des durchaus komplexen Gentleman-Sports, dessen Akteure in feinem Zwirn antreten und ihre virtuosen Strategie- und Taktikduelle in fast schon meditativer Ruhe absolvieren, resultiert für Kalb aus den "kleinen und großen Dramen, die sich am Ende zu einem großartigen Spannungsbogen vereinigen". Wenn Eurosport überträgt und Kalb kommentiert, schalten bis zu einer Million Zuschauer ein. Snooker ist der perfekte TV-Sport.

Der Chinese Ding Junhui gewann vor zwei Wochen das prestigeträchtige Masters in London.

Der Chinese Ding Junhui gewann vor zwei Wochen das prestigeträchtige Masters in London.

(Foto: REUTERS)

Aus Berlin berichtet Kalb seit 10 Uhr live. Bis zum Finale am Sonntag hat Eurosport über 27 Stunden Sendezeit eingeplant. "Ich selber fühle mich ein bisschen wie ein kleines Kind vor Weihnachten - da bin ich ehrlich", hat Kalb in seiner letzten Eurosport-Kolumne vor dem Turnierstart frohlockt. Als er am Mittwochabend in Berlin die fünf Auftaktpartien ansagte, durfte er ausnahmsweise auch zwei Landsleute ankündigen. Von Dauer ist das Vergnügen nicht. Der erst 13-jährige Schüler Pawel Leyk und der deutsche Snookermeister Stefan Kasper waren gegen ihre erfahrenen Gegner chancenlos.

Münstermann oder Milkins

Die letzte deutsche Hoffnung in Berlin war deshalb Lasse Münstermann. Der Göttinger wartet mit 31 Jahren noch immer auf den Durchbruch, den Sprung unter die besten 96 Spieler der Main Tour. Sein Gegner in der Qualifikation hieß Robert Milkins, ein 34-jähriger Engländer, die Nummer 36 der Welt. Unschlagbar ist der für Münstermann trotzdem nicht, glaubt John Higgins. Er mischte sich am Mittwoch entspannt unter die gut 500 Zuschauer, posierte für Fanfotos, gab Autogramme und auch einen freundlichen Kommentar zu Münstermann ab: "Lasse ist ein sehr guter Spieler. Er hat eine gute Chance, zu gewinnen." Allein, er nutzte sie nicht. Münstermann gewann zwar den ersten Frame, Milkins aber alle anderen. Am Freitagmorgen ist er damit erster Gegner von Higgins in Berlin.

Quelle: ntv.de

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