Neue Regeln in der Formel 1 Multitasking für Fortgeschrittene
24.03.2011, 11:23 Uhr
Heckflügel einstellen, KERS benutzen, bremsen, einlenken und die Ideallinie durch die Kurve finden: Der Job hinter dem Lenkrad ist durch die neuen Regeln nicht einfacher geworden.
Drei Dinge werden aus technischer Sicht die Saison in der Formel 1 prägen: Der verstellbare Heckflügel, KERS und die neuen Reifen von Pirelli. Allesamt höchst diffizile Angelegenheiten, die schon jetzt für Diskussionsstoff sorgen.
Schon bevor die Formel 1 an diesem Wochenende in die Saison startet, gibt es, was die Technik betrifft, ein großes Thema. Die neuen Einheitsreifen von Pirelli sorgen bereits seit den ersten Testfahrten vor zwei Wochen für reichlich Diskussionsstoff. Die Verwirrung unter den Ingenieuren ist groß - weil der Verschleiß der neuen Pneus enorm ist. Und zwar so enorm, dass die Autos der vergangenen Saison wohl nur mit vier bis fünf Boxenstopps über Renndistanzen gefahren wären.
Die 2011er-Autos werden zwar etwas pfleglicher mit dem schwarzen Gold umgehen, aber dennoch werden wir in dieser Saison wohl mindestens zwei Stopps pro Rennen sehen. Wahrscheinlicher sind drei oder sogar vier. Ferrari hat bei Fernando Alonso jedenfalls beim Testen schon Simulationen mit vier Stopps pro Rennen veranstaltet und lag damit wohl ziemlich gut. Das dürfte den Rennbetrieb durchaus spannender machen, denn im letzten Jahr war es nach dem Tankverbot doch etwas öde geworden in der Boxengasse. Ein Stopp pro Rennen, egal wo und egal welches Auto. Das dürfte auch der Grund für die Fia gewesen sein die Vorschriften für die Reifen zu ändern.
Strategie wird entscheidend
Für die Fahrer sind die neuen Räder eine echte Herausforderung. Denn sie haben wohl keinen ausufernden Grenzbereich, der in etwa einige Runden anhält. Dieser Effekt namens Fading ist wohl mit den Pirelli-Pneus Vergangenheit. Vielmehr reißt der Grip abrupt ab. Das kann, den Aussagen der Fahrer zufolge, innerhalb von ein paar hundert Metern passieren. Wer also an der Box vorbeifährt und dann keine Haftung mehr hat, der dürfte größere Probleme bekommen. Timing ist also alles. Allerdings haben die Teams im Vorfeld der Saison schon sehr viele Daten gesammelt und so dürfte so etwas bei den Top-Teams eher selten vorkommen. Die richtige Strategie wird aber aufgrund der Reifen das entscheidende Element in der neuen Saison werden.

Komplexität am Steuer: Die Piloten müssen bei 20 und mehr Schaltern den Überblick behalten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein weitere Neuerung, die für reichlich Gesprächsstoff sorgt, sind die verstellbaren Heckflügel. Die Piloten können nun über einen Drehknopf am Lenkrad den Winkel des Heckflügels während des Rennens verändern. Das bedeutet, dass ein Pilot den Flügel auf der Geraden flacher stellen kann und so die Höchstgeschwindigkeit erhöht.
Comeback von KERS
Das dürfen die Fahrer allerdings nicht nach Gutdünken machen. Das System schaltet sich nur scharf, wenn ein anderes Auto innerhalb von einer Sekunde vorne liegt. Damit es für den Überholenden nicht zu einfach wird, aktiviert sich die Elektronik erst 600 Meter vor dem Bremspunkt der Geraden. Damit muss ein Angreifer durchaus Risiko gehen, damit das Überholmanöver klappt. Hört sich kompliziert an und ist es auch. Ob sich damit mehr Spektakel veranstalten lässt, bleibt abzuwarten.
Ein Comeback feiert das Energierückgewinnungssystem KERS. Die Technik wurde bereits 2009 eingesetzte, aber im letzten Jahr gab es eine Übereinkunft unter den Teams darauf zu verzichten. Pro Runde stehen den Fahrern für 6,7 Sekunden 82 zusätzliche PS zur Verfügung, die an jeder beliebigen Stelle eingesetzt werden können. Damit sollen ebenfalls Überholvorgänge vereinfacht werden.
Vielzahl an Knöpfen
In der Premierensaison hatte das System allerdings eher die gegenteilige Wirkung. Weil nicht alle Autos mit dem System ausgerüstet waren entwickelten sich die Autos mit KERS zu fahrenden Hindernissen. Denn immer, wenn sie überholt werden sollten wurde der Knopf gedrückt und der Hintermann hatte keine Chance vorbeizukommen. Dieses Jahr werden allerdings alle Top-Teams mit KERS antreten. Das dürfte dann allerdings wieder Waffengleichheit bedeuten.
Die Fahrer sind von den neuen Möglichkeiten nur mäßig begeistert. Denn mittlerweile finden sie 20 und mehr Knöpfe und Drehregler auf ihrem Lenkrad. Das bedeutet höchste komplexe Handlungsabläufe bei Geschwindigkeiten von 300 km/h und mehr auf der Geraden. Das ist Multitasking für Fortgeschrittene, denn schließlich muss der Fahrer auch den optimalen Brems- und Einlenkpunkt treffen und auf der Ideallinie bleiben. Wahrscheinlich werden sich die schweren Fahrfehler in dieser Saison häufen. Die Vereinigung der F1-Piloten hatte vor den Tests in Barcelona gar mit einem Streik gedroht. Der ist aber mittlerweile sehr unwahrscheinlich geworden.
Diskussion um Einheitsmotor
Schließlich werden noch einige technische Details verändert, die noch in der vergangenen Saison für Diskussionen sorgten. So sind die Aerodynamikelemente Doppel-Diffusor, der F-Schacht und der verstellbare Frontflügel schon verschwunden. Die Getriebe müssen nun mindestens fünf Rennen lang halten. Bisher waren es vier.
Beschlossen wurde außerdem, dass ab 2013 der Einheitsmotor kommen soll. Dann werden wohl alle Autos einen Vierzylinder-Turbomotor bekommen. Das bereitet einigen Teams wenig Freude. Ferrari rebelliert schon offen gegen die Pläne und sucht Verbündete. Eine solche Regel würde natürlich in die Kernkompetenz vieler Teams, dem Bau von Motoren, eingreifen. Die Italiener haben beispielsweise keinerlei Erfahrung mit solch kleinen Motoren und beklagen die hohen Entwicklungskosten. Experten wie Niki Lauda, aber auch F1-Vermarkter Bernie Ecclestone, fürchten außerdem, dass der markante Sound der Formel 1 mit den Downsizing-Motoren verloren geht. Der Auto-Weltverband FIA will damit hingegen ein Signal für eine umweltfreundlichere Königsklasse aussenden.
Quelle: ntv.de