Nationalmannschaft mit überraschender Startelf Löw bastelt dribbelwütige Flügelzange
22.06.2012, 18:21 Uhr
Nur Mario Götze (l.) bleibt auf der Bank, André Schürrle (m.) und Marco Reus spielen (r.).
(Foto: dpa)
Was Bundestrainer Joachim Löw geritten hat, dass er die DFB-Elf im Viertelfinale auf drei Positionen umbaut? Weil Mesut Özil bei der EM bislang nicht glänzen konnte? Löw experimentiert zum einzig möglichen Zeitpunkt, an den richtigen Stellen. Leidtragende der dribbelwütigen deutschen Flügelzange werden die Griechen sein.
Es ist offiziell: In der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wird Miroslav Klose im EM-Viertelfinale gegen Griechenland Mario Gomez im Sturmzentrum ersetzen. Und dass Marco Reus für Thomas Müller auf die rechte, für Lukas Podolski auf die linke Außenbahn rückt. Das mag im ersten Moment überraschend klingen, denn weder sind Verletzungen oder Sperren für diese Wechsel in der Startelf verantwortlich.
Aufstellungen
Deutschland: Neuer - Boateng, Hummels, Badstuber, Lahm - Khedira, Schweinsteiger - Reus, Özil, Schürrle - Klose
Griechenland: Sifakis - Torosidis, Sokratis, Kyriakos Papadopoulos, Tzavellas - Katsouranis, Maniatis - Salpingidis, Makos, Samaras - Gekas
Schiedsrichter: Skomina (Slowenien)
Never change a winning team? Nein. Auf ein Turnier, in dem sich eine Mannschaft höchstens eine Niederlage – und das in der Vorrunde – erlauben darf, ist diese Weisheit natürlich nicht übertragbar. Joachim Löw weiß das. Der Bundestrainer wechselt zum richtigen Zeitpunkt und auf den richtigen Positionen.
In der Verteidigung kehrt Jerome Boateng auf die rechte Abwehrseite zurück. Auch wenn Lars Bender ihn gegen Dänemark solide vertrat und nach einem 80-Meter-Lauf sogar das Siegtor erzielte - der Gegentreffer ging ebenfalls auf seine Rechnung. Er hatte nicht konsequent genug gedeckt.
Offensive gefragt
Die großen Probleme hatte die DFB-Elf bislang in der Offensive, auch wenn Mario Gomez mit seinen drei Treffern in den ersten beiden Vorrundenpartien gegen Portugal und Holland darüber hinwegtäuschen konnte. Lukas Podolski auf links ist ein guter Konterspieler, aber nicht der kombinationssicherste. Auch beim 1. FC Köln war seine Aufgabe meist, bei Ballgewinn mit hohem Tempo zurückzuschlagen. Thomas Müller geht derzeit die Genauigkeit ab, auch beim Torabschluss.
Mesut Özil konnte die drei offensiven Mitspieler mit seinen Ideen selten füttern. Das lag aber nur zum Teil am Spielmacher von Real Madrid. Er braucht die richtigen Mitstreiter.
Gegen das zu erwartende Abwehrbollwerk der "Granit-Griechen" hilft nur: Mit überraschenden Aktionen, Flinkheit und technischer Finesse in den Strafraum kommen. Podolski scheut auf dem Flügel häufig den Offensivzweikampf. Thomas Müller ist seltsam gehemmt. Und Mario Gomez ist kein "spielender" Stürmer, trotz seines fußballerisch anspruchsvollen Treffers gegen Holland, als er sich am Sechszehn-Meter-Raum mit der Hacke den Ball selbst auflegte.
Und so kommen Marco Reus und André Schürrle zu Recht in die Startelf. Eine dribbelwütige deutsche Flügelzange, die mit Miroslav Klose im Sturmzentrum spielt, die griechische Defensive durcheinanderwirbeln soll, wohl über Doppelpässe, Einzelaktionen, Fouls im Strafraum provozieren, auch das ist ein Mittel.
Kalkuliertes Risiko
Ist das Risiko zu groß? Nein, noch nicht. Joachim Löw muss jetzt experimentieren, sonst ist es zu spät. Gegen die möglichen Gegner im Halbfinale, Italien oder England, wäre eine solche, bislang nicht getestete Maßnahme halsbrecherisch. Denn diese Mannschaften spielen mit, sind überaus gefährlich im Abschluss. Griechenland dagegen wird sehr wenige Tormöglichkeiten bekommen, weil sich die Mannschaft fast nur über die Defensive definiert.
Deutschland ist der Favorit, und Deutschland muss das Spiel machen. Der in der Vorrunde beizeiten wegen Ideenmangels praktizierte Handballkreisel wird der DFB-Elf für einen Treffer nicht reichen.
Quelle: ntv.de