Zukunft nach Bierhoff-Aus Die schonungslose Analyse eines traurigen Desasters


Der Blick geht nicht mehr in eine gemeinsame Zukunft: Oliver Bierhoff und Bundestrainer Hansi Flick.
(Foto: picture alliance / HJS-Sportfotos)
Das vorzeitige Aus von Oliver Bierhoff kam dann doch für alle überraschend. Aber offenbar hatte der scheidende Geschäftsführer der Nationalmannschaft das Interesse an einer ehrlichen Analyse verloren. Das müssen nun andere tun - für die Zukunft eines DFB am Boden!
Jetzt ist er also weg! Noch vor dem gemeinsamen Krisengipfel, der für Mittwochvormittag angesetzt war, hat Oliver Bierhoff hingeworfen. Das mögen all diejenigen befürworten, die in den letzten Tagen schnelle Handlungen und Ergebnisse einforderten, doch es bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück. Denn das Interesse an einer echten Aufarbeitung und an zielgerichteten und nachhaltigen Veränderungen im Sinne des deutschen Fußballs scheint bei Oliver Bierhoff offensichtlich schon länger nicht mehr vorhanden gewesen zu sein. Schade. Denn im Nachhinein kann man durchaus von acht verlorenen Jahren nach dem verdienten Titelgewinn bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien sprechen.
Sportlich waren die Ergebnisse ohnehin dürftig bis erschreckend - aber vor allem drumherum hat sich der deutsche Fußball in eine Sackgasse begeben. Die Bilder bei dieser WM auf den Rängen sprechen eine eindeutige und traurige Sprache. Während die übrige Welt begeistert ein sportliches Fest feiert, saßen und sitzen die deutschen Anhänger betrübt und desillusioniert zu Hause auf ihrer Couch - und schauen mehrheitlich gar nicht mehr hin. Das ist auch das Ergebnis einer komplett falschen Ausrichtung um "Die Mannschaft" drumherum.
Fahrlässig falsche Akzente gesetzt
Bei der kommerziellen Ausschlachtung der Melkkuh Nationalmannschaft wurden fahrlässig vollkommen falsche Akzente gesetzt, die zwangsläufig zu einer Entfremdung der eigenen Fans führte. Und genau diese Entzweiung hatte zuletzt katastrophale Züge angenommen. Die von Bierhoff beauftragte und von Agenturen ausgearbeitete Marketing-Inszenierung einer leider häufig seelenlosen Elf offenbarte in den Jahren nach dem WM-Titelgewinn von 2014 immer mehr das entstandene Vakuum innerhalb des DFB. All dies hat in seiner Konsequenz auch zu den verheerenden sportlichen Ergebnissen der Nationalmannschaft in den letzten Jahren geführt.
Nun hat Oliver Bierhoff mit seinem Rücktritt einen ersten Schritt zu einem Neuanfang beim DFB gemacht. Und da die Zeit drängt, wird man wohl in den nächsten Tagen weitere neue Personalien präsentieren müssen. Vermutlich kann man aber leider nicht darauf setzen, dass sich der DFB bereits vor diesem Turnier mit einem schlechten Abschneiden und den daraus folgenden Konsequenzen beschäftigt hat. Und so wird man sich aller Voraussicht nach gedanklich damit abfinden müssen, dass die immer selben Namen gehandelt werden dürften.
"Weniger labern, mehr machen!"
Das lässt im Umkehrschluss leider befürchten, dass die angekündigte Analyse und General-Abrechnung erstens ziemlich dürftig und vor allem äußerst unbefriedigend, weil wenig nachhaltig ausfallen dürfte. Denn was der DFB und die deutsche Nationalmannschaft nun eigentlich dringend benötigen würden, wäre die konsequente Trennung der sportlichen Ausrichtung der A-Nationalmannschaft von all den Diskussionen innerhalb und um den DFB drumherum. Hansi Flick muss Bundestrainer bleiben - und ab sofort mit klarem Blick und einer eingespielten Achse das Ziel EM 2024 im eigenen Land verfolgen.
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Und dann müsste man sich beim DFB etwas mehr Zeit lassen, für eine ehrliche und offene Analyse und Aufarbeitung der letzten Jahre. Denn klar ist auch, dass der Verband diese Diskussion nicht im eigenen Saft, sondern unter Beteiligung unterschiedlicher Experten und Fachleute aus den verschiedensten Bereichen führen sollte. Denn von außen betrachtet wird immer mehr deutlich, dass die Probleme innerhalb des DFB noch viel gravierender sind als auf dem grünen Rasen - und das soll, wie jeder weiß, schon was heißen.
Man kann sich nur wünschen, dass sich die führenden Beteiligten in den nächsten Tagen nicht vom medialen und öffentlichen Druck zu Schnellschüssen verleiten lassen. In Zukunft muss endlich wieder eine konsequente und zielgerichtete Arbeit ohne viel Schnickschnack drumherum beim DFB erkennbar sein - auf und abseits des Platzes. Das Motto dieses neuen DFB im Hinblick auf die schnell nahende EM 2024 könnte dabei lauten: "Weniger labern, mehr machen!" Die Fans würden diesen Weg sicherlich honorieren.
Quelle: ntv.de