Dementi, Kritik, Widersprüche Beckenbauers WM-Bonus immer mysteriöser
14.09.2016, 20:24 Uhr
Die WM-Organisation war für Franz Beckenbauer Chefsache. Ein Ehrenamt war sie offenbar nicht.
(Foto: AP)
Ein üppiges Millionensalär erhält Franz Beckenbauer als Chefplaner der mutmaßlich gekauften Fußball-WM 2006, obwohl er angeblich ehrenamtlich tätig war. Der verheimlichte Bonus wirft viele Fragen auf, bei deren Beantwortung sich auch der DFB in Widersprüche verstrickt.
Das verschleierte Millionen-Honorar an WM-Organisator Franz Beckenbauer sorgt für eine weitere Entfremdung zwischen dem tief gefallenen "Kaiser" und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) - und wirft in der weiter schwelenden Affäre um die mutmaßlich gekaufte Fußball-WM 2006 viele neue Fragen auch an den DFB auf. Nach der Enthüllung von Zahlungen über insgesamt 5,5 Millionen Euro an Beckenbauer war DFB-Präsident Reinhard Grindel zunächst so deutlich wie noch nie seit Beginn der Affäre auf Distanz zur wohl bedeutendsten Figur des deutschen Fußballs gegangen.
"Für mich", sagte Grindel auf dem Uefa-Kongress in Athen mit Blick auf Beckenbauers angeblich bisher unbekannte Nebeneinnahmen, "ist dieser ärgerliche Vorgang ein neuerlicher Beleg, dass das Organisationskomitee der WM 2006 auf Abschottung gesetzt hat, dass dort keine Transparenz geherrscht hat und die Öffentlichkeit in Teilen auch getäuscht worden ist. Das verurteile ich."
Und Grindel wurde noch deutlicher: "Es war bekannt, dass Franz Beckenbauer im Umfeld der WM 2006 als Werbeträger für Oddset tätig war. Es war uns bis Montagnachmittag nicht bekannt, dass er dafür die beachtliche Summe von 5,5 Millionen aus dem Topf für die Organisation der WM 2006 erhalten hat. Man kann vor diesem Hintergrund sicher nicht davon sprechen, dass seine Tätigkeit im OK ehrenamtlich war." Für ihn sei "völlig unverständlich", warum die Mitglieder des damaligen Organisationskomitees diese These über einen so langen Zeitraum vertreten hätten.
Auch Beckenbauer selbst hatte immer wieder den Eindruck erweckt, unentgeltlich zu arbeiten. Noch unmittelbar vor WM-Anpfiff ließ er sich im Berliner "Tagesspiegel" mit den Worten zitieren: "Beim Fußball halten zu viele die Hand auf."
Widersprüche beim DFB
Äußerst unverständlich ist laut "Spiegel" allerdings auch die Darstellung Grindels, bis Montag die Höhe der Zahlung nicht gekannt zu haben. Das Nachrichtenmagazin hatte den DFB zu Wochenbeginn mit der jahrelang verheimlichten Millionenzahlung konfrontiert. Erst dann rückte der Verband in einer Stellungnahme notgedrungen von der bisherigen Behauptung ab, Beckenbauer habe als OK-Chef ehrenamtlich gearbeitet.
Allerdings heißt es in dieser DFB-Stellungnahme, "der beschriebene Sachverhalt" sei "im Rahmen der Freshfields-Untersuchung erneut überprüft (...) und als nicht zu beanstanden und ordnungsgemäß abgewickelt beurteilt" worden. Der "Spiegel" zitiert weiter: "Nach Abschluss der Untersuchungen" sei "der Sachverhalt (...) auf Rückfrage auch im DFB-Vorstand angesprochen" worden – also mit der DFB-Spitze.
Auch eine weitere Behauptung des DFB steht laut "Spiegel" auf wackligen Füßen. So habe die für Oddset verantwortliche Lotto-Gesellschaft Bayern in einer Stellungnahme erklärt, dass Beckenbauers Werbetätigkeit nicht wie vom DFB behauptet Inhalt des Vertrags "Nationaler Förderer" gewesen sei. Vielmehr sei die "Tätigkeit von Franz Beckenbauer als Werbefigur für Oddset" im Rahmen eines "2002 von allen Bundesländern" vereinbarten Staatsvertrags erfolgt, der dem DFB Mittel aus den Oddset-Sportwetten sichern sollte – also in einem separaten Einzelvertrag. Daraus schlussfolgert der "Spiegel", dass Beckenbauer nicht aus den Oddset-Zahlung als WM-Förderer hätte bezahlt werden dürfen, was aber geschehen ist.
Schily widerspricht
Widersprüchliche Aussagen gibt es auch zur DFB-Darstellung, dass der Präsidialausschuss des WM-Organisationskomitees "vertragliche Vereinbarungen zwischen dem DFB und Franz Beckenbauer als Werbeträger" im Juli 2003 "beraten und beschlossen" habe. Das bestritt der damalige Bundesinnenminister und Ausschuss-Angehörige Otto Schily gegenüber dem Sport Informations-Dienst.
"Nach meiner Erinnerung hat der Aufsichtsrat des OK der Fußball-WM 2006 keine Beschlüsse über Zahlungen an Franz Beckenbauer gefasst", teilte Schily schriftlich mit. Der DFB publizierte daraufhin am Mittwoch das Protokoll und die Teilnehmerliste der betreffenden Sitzung, darunter befand sich auch der Name von Otto Schily.
Weitere Zahlung an Beckenbauer?
Laut Protokoll hatte der damalige Vize-Präsident des Organisationskomitees Horst R. Schmidt bei dem Treffen zwei Bereiche dargestellt, "in denen ein unentgeltliches Tätigwerden von Franz Beckenbauer nicht erwartet werden kann". Neben einer marktüblichen Vergütung für werbliches Auftreten für den späteren nationalen WM-Förderer Oddset werden in dem Protokoll unter Punkt 2 mögliche Provisionen für Beckenbauers Rechteagentur SKK durch das OK für die Akquirierung von Werbepartnern genannt.
Ob das ein Hinweis für mögliche weitere Geldflüsse an Beckenbauer ist, war zunächst unklar. Der DFB teilte auf Anfrage mit, dass man derzeit von weiteren Zahlungen keine Kenntnisse habe. Eine Reaktion von Beckenbauer zu der Protokollveröffentlichung lag zunächst nicht vor.
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa