Hängepartie nach Relegationschaos DFB droht ein Prozess-Marathon
19.05.2012, 17:09 Uhr
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Nach sieben Verhandlung stand am Freitag nur fest: ein Urteil gibt es erst am Montag.
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Knapp sieben Stunden Verhandlung, kein Urteil: Der Protest von Hertha BSC gegen die Wertung des Relegationsrückspiels bei Fortuna Düsseldorf (2:2) wird nach der Vertagung auf Montag zur Hängepartie. Beide Seiten geben sich vor dem richtungsweisenden Urteilsspruch siegessicher. Allerdings: Hertha entschuldigt sich schonmal für wildgewordene Spieler, Düsseldorf sagt seine Mallorca-Fahrt ab - und trainiert lieber wieder.

Trotz des enormen Zeitdrucks vertagte DFB-Sportgerichtschef Hans E. Lorenz den Urteilsspruch. Zu widersprüchlich waren die Aussagen und Anträge während der Marathonverhandlung.
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Als die Anwälte beider Parteien nach knapp siebenstündiger Verhandlung in der Abenddämmerung den DFB-Hauptsitz im Frankfurter Stadtwaldt verließen, hatte jeder von ihnen ein siegessicheres Lächeln auf den Lippen. Am Montagnachmittag (ab 15.00 Uhr) aber kann es erst einmal nur einen geben, der sich als Gewinner eines Musterprozesses fühlen darf, in dem es um mehr geht als einen Bundesliga-Abstieg von Hertha BSC oder die Erstliga-Zugehörigkeit von Fortuna Düsseldorf.
Dass das von Freitag auf Montag vertagte Urteil eine immense Tragweite in puncto Fankultur haben wird, weiß auch Hertha-Anwalt Christoph Schickhardt. "Es sollte davon ein Signal ausgehen, bevor es irgendwann Tote gibt. Es geht darum, den Spielbetrieb vor Verrohung, Anarchie und Gewalt zu sichern. Vielleicht ist das die letzte Chance", sagte Schickhardt. In seinem flammenden Plädoyer hatte der 57-Jährige wegen der chaotischen Umstände "mit historischen Maßstäben" im Relegationsrückspiel (2:2) in Düsseldorf die Ansetzung eines Wiederholungsspiels gefordert: "Dazu bedarf es keines Blutvergießens", fügte Schickhardt an.
Kontrollausschuss gegen Wiederholungsspiel
Allerdings empfahl der DFB-Kontrollausschuss in Person des Vorsitzenden Anton Nachreiner dem Sportgericht, den Hertha-Protest abzuschmettern. Wohl auch, weil der als wichtigster Zeuge geladene Schiedsrichter Wolfgang Stark unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er nach der 20-minütigen Spielunterbrechung "ohne Druck der Polizei" wieder angepfiffen habe. Damit wurde das Argument der Berliner entkräftet, Stark habe die Partie auf Anraten der Sicherheitskräfte lediglich wieder fortgesetzt, um eine weitere Eskalation zu verhindern.
Fortuna-Anwalt Horst Kletke hat keinen Zweifel daran, dass das Spiel "ordnungsgemäß" zu Ende geführt worden sei. "Wir können positiv nach vorne gucken", meinte Kletke mit Blick auf den Tag der Entscheidung. Im Fall einer Niederlage in erster Instanz haben allerdings beide Parteien noch die Chance, das DFB-Bundesgericht anzurufen. Und dieses Szenario erscheint sehr wahrscheinlich. Ein Gerichts-Marathon droht - und das Wochen nach Beendigung der Bundesliga-Saison.
"Regelwerk nur noch Makulatur"
Die Hertha-Seite indes beruft sich auf die "psychologische Schwächung" ihrer Profis nach der Unterbrechung, die wegen des vorzeitigen Platzsturms Tausender Düsseldorf-Fans notwendig geworden war. Nach dem Wiederanpfiff sei es für die Gästespieler "nur noch um die Rettung der eigenen Haut" gegangen, behauptete Schickhardt und sprach von irregulären Begleitumständen während der anderthalbminütigen Nachspielzeit.
Nicht zuletzt, weil Eckfahnen fehlten und ein voreiliger Düsseldorfer Fan den Elfmeterpunkt ausgebuddelt und als Trophäe mitgenommen hatte. "Zu einem ordentlichen Spielbetrieb gehört ein vollständiger Spielaufbau. Das Regelwerk war nur noch Makulatur", erklärte Schickhardt.
Allerdings geriet die Hertha auch extrem ins Zwielicht und bat deshalb für das Fehlverhalten einiger Spieler um Entschuldigung. "Wir entschuldigen uns offiziell und ausdrücklich für alle Verfehlungen unserer Spieler bei allen Beteiligten, insbesondere auch bei den Schiedsrichtern."
Der Hertha-Profi Lewan Kobiaschwili soll Stark nach dem Abpfiff des chaotischen Spiels in den Nacken geschlagen haben. Im Zeugenstand berichtete Stark am Freitag von einer "Hetzjagd" auf das Schiedsrichtergespann und üblen Beschimpfungen seitens der Berliner Spieler. Für ein Wiederholungsspiel sind die Ausraster jedoch irrelevant, da sie sich erst nach Spielende ereigneten.
Ruhe wichtiger als Eile
Persönliche Urteile werden nicht vor Mitte kommender Woche erwartet, zunächst geht es um die wichtigere Frage: Wiederholungsspiel oder nicht? Der Sportgerichts-Vorsitzende Hans E. Lorenz verteidigte die Vertagung von Freitag auf Montag. "Es gab kontroverse Anträge. Wir wollten nichts übers Knie brechen. Das muss in Ruhe entschieden werden", sagte der Berufsrichter und machte damit die Bedeutung des Urteils deutlich.
Lorenz verwies andererseits auf den "ungeheuren Zeitdruck" für das Gremium, da die Saison ja eigentlich "schon längst abgeschlossen" sei. Deshalb wollten die Fortuna-Spieler auch zu ihrer Mannschaftstour nach Mallorca starten, die sie am Samstag absagten. Stattdessen nahmen sie wieder das Training auf.
Quelle: ntv.de, Ulrike Weinrich und Jan Mies, sid