Gräfe muss Karriere beenden Der DFB ignoriert das Flehen aus der Liga
26.05.2021, 20:15 Uhr
Abschied mit Superstar: Manuel Gräfe muss die Bundesligabühne verlassen.
(Foto: MoMue)
Manuel Gräfe ist einer der besten Schiedsrichter des Landes. Das Problem: Er ist zu alt. Zumindest in den Augen des DFB. Der Verband lässt sich auch von den Appellen aus der Liga nicht erweichen: Manuel Gräfes Karriere ist beendet.
Manuel Gräfe war am Ende glücklich: "Man kann ja fast nicht besser aufhören. Das war ja fast wie bei einem Spieler. Das als Schiri, das war schon phänomenal", sagte der Berliner gerührt, wenige Minuten nachdem die Profis von Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund den Schiedsrichter gemeinsam und klatschend durch ein Spalier ins Ende seiner Laufbahn schickte. Nach 289 Bundesligaspielen verabschiedete sich einer der besten Schiedsrichter des Landes in den sportlichen Ruhestand. Unfreiwillig, daran ließ Gräfe selbst keinen Zweifel. Der 1,97-Meter-Hüne hat die Altersgrenze des DFB erreicht, mit 47 Jahren muss Schluss sein.
Und ein Zurück gibt es nicht, wie der "Kicker" berichtet, hat die Sportliche Leitung der DFB-Schiedsrichter am Dienstag die Situation um Gräfe beraten, "alle Perspektiven und Argumente noch einmal diskutiert und erörtert" - und dann die Schiedsrichterlisten für die kommende Saison aufgestellt: Ohne Gräfe, sowie die ebenfalls aus Altersgründen ausscheidenden Guido Winkmann und Markus Schmidt. "Der zentrale Leitgedanke ist die systemische und strukturelle Weiterentwicklung der Schiedsrichter insgesamt", heißt es. Wie der "Kicker" berichtet, sei das DFB-Präsidium der Einschätzung der Schiedsrichter-Bosse um Lutz Michael Fröhlich gefolgt. Für Gräfe bedeutet das gegen viele Widerstände aus der Liga endgültig das Karriereende.
"Eigentlich ist es ein Witz"
In den vergangenen Wochen hatten sich Spieler, Trainer und Manager dafür ausgesprochen, dass für Gräfe eine Ausnahme von der strikten Altersregel gemacht wird. Erst am Freitag reihte sich BVB-Sportchef Michael Zorc "gern ein in die große Schar von Verantwortlichen, Trainern, Spielern und Fans, die den DFB bitten möchte, das eigene Handeln zu reflektieren. Dass einer der angesehensten Schiedsrichter Deutschlands gegen den Widerstand der breiten Masse nur deshalb in den Zwangsruhestand geschickt wird, weil sein Alter irgendwann um Mitternacht von 47 auf 48 schaltet, halte ich für wenig professionell. Eigentlich ist es ein Witz."
Die Kommission Fußball der DFL, u.a. bestehend aus hochkarätigen Klubvertretern wie Max Eberl, Fredi Bobic, Jörg Schmadtke, Sebastian Kehl oder Hasan Salihamidzic, so schreibt es der "Kicker" zog sogar ein gemeinsames Positionspapier in Erwägung, um den DFB zum Aufheben der Altersgrenze zu bewegen. Abgesendet wurde es nie, es hätte wohl auch nichts mehr bewirkt.
"Die Sportliche Leitung hat uns mitgeteilt, dass sie sich gut aufgestellt sehen", sagte Gräfe im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF im Hinblick auf den Schiedsrichter-Nachwuchs und die Fluktuation. Doch wenn man gut aufgestellt sei, könne man "erst recht über die Altersgrenze nachdenken", findet der Referee: "Ich bin grundsätzlich ein Freund davon, dass es nach Leistung gehen sollte." Gräfe fühlt sich weiterhin fit und verwies süffisant auf die 120 Minuten, über die er ein intensives Pokal-Halbfinale zwischen Werder Bremen und RB Leipzig geleitet hatte. Da "hatte ich nicht den Eindruck, dass ich nicht mehr hinterherkomme". Er selbst hätte gerne "noch weitergemacht. Wir wären dem DFB sogar entgegengekommen und haben gesagt, von mir aus können wir uns auch verständigen auf ein Jahr, das hätte man miteinander besprechen können", so Gräfe.
"Retourkutsche"
Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc hoffte bis zuletzt auf einen Sinneswandel beim DFB: "Ich würde mich freuen, wenn die morgige Verabschiedung in Dortmund vom DFB wieder einkassiert werden könnte. Es wäre eine der besseren Entscheidungen des Verbandes und ein Zeichen, dass man in Frankfurt auf die Menschen hört." Dies lehnt der Deutsche Fußball-Bund ab.
"Tendenziell glaube ich eher nicht", sagte Gräfe jüngst noch selbst zu den Chancen, dass für ihn doch noch eine Ausnahme gemacht wird. Das Beharren auf seinem Ausscheiden stuft er auch als "sportpolitische oder persönliche Retourkutsche" für kritische Äußerungen gegenüber den fürs Schiedsrichterwesen Verantwortlichen beim DFB ein. "Es geht immer noch zu wenig nach Leistung", sagte Gräfe Anfang 2020 dem "Kicker". Demnach würden Ansetzungen "zu oft immer noch nach Politischem, Regionalem oder Persönlichem" entschieden. "Dieses Anreiz-Prinzip, dass sich Leistung positiv und negativ auch in der Anzahl der Ansetzungen bemerkbar macht, greift leider immer noch nicht", so Gräfe. Ihm sei es "um die Sache" gegangen, um ein besseres Schiedsrichterwesen und um eine bessere 'Marke Bundesliga' - das nutzt dem Fußball und so habe ich mich auch immer verstanden." Als Dienstleister des Fußballs. Doch damit habe er sich "nicht immer nur Freunde gemacht in diesem Verband".
Die einstigen Weltmeister Mats Hummels und Thomas Müller würdigten Gräfe. Hummels lobte dessen ruhige Art: Gräfe versuche nicht, sich in den Vordergrund zu stellen, sondern sehe das Spiel. Bayern-Profi Müller fügte hinzu: "Lieber Manuel, es war mir eine Ehre, bis dann." Die Fotos, die am 34. Spieltag auf dem rasen des Dortmunder Stadions entstanden - Gräfe im Reigen der Spieler, Gräfe im Arm von Superstar Erling Haaland, Gräfe, der Gefeierte - es sind Abschiedsbilder.
Quelle: ntv.de, ter