Ab jetzt wettbewerbsfähig Die kürzeste Saison, die Schalke 04 je hatte
04.02.2023, 07:29 Uhr
Kann losgehen!
(Foto: Maik Hölter/TEAM2sportphoto)
Der FC Schalke 04 nutzt die winterliche Transferphase, um im Kader zahlreiche Korrekturen vorzunehmen. Sechs neue Spieler kommen, ein Talent aus der U23 macht ebenso Hoffnung wie die Rückkehr verletzter Leistungsträger. Das Problem indes: Der Spielplan der Fußball-Bundesliga meint es nicht gut.
Rund um die Stadt Gelsenkirchen gibt es Baustellen, die sind so gigantisch, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass sie jemals verschwinden. Betroffen sind etwa die Pendler auf der A43, die täglich am Kreuz Herne vorbeischleichen, dort, wo die A42 kreuzt, die einige der Reisenden linksseitig nach nur wenigen Kilometern wiederum an einer der größten Baustellen im deutschen Fußball vorbeiführt: dem FC Schalke 04. Auch dort wurden in den vergangenen Wochen hart gearbeitet und auch dort geht's darum, die Dinge wieder vernünftig ans Laufen zu bekommen. Doch so viel Zeit, wie die Malocher am Kreuz veranschlagt bekamen, hatten sie auf Schalke nicht. Der "Deadline Day" am 31. Januar hatte Baustopp knallhart terminiert.
Zeit für eine erste Bilanz: Sechs Fachkräfte hat sich der klappernde Riese aus dem Ruhrgebiet für ein halbes Jahr ausgeliehen. Nur Konkurrent FC Augsburg war mit sieben Neuzugängen noch fleißiger auf dem Transfermarkt. Die Leiharbeiter sollen helfen, den zweiten Abstiegs-GAU binnen zwei Jahren zu verhindern. 48 Punkte-Klumpen gibt es in den noch ausstehenden 16 Runden in der Fußball-Bundesliga noch zu schürfen und in die eigene Lore zu legen. Möglich ist da vieles noch. In der Theorie. In der Praxis ist das mindestens eine Mammutaufgabe für die Gelsenkirchener. Und um das Mammut in dieser Aufgabe zu entdecken, reicht ein einfacher Blick auf die Zahlen. Nach 18 Spieltagen stehen zehn Punkte auf dem Konto. Es gab nur zwei Siege und mickrige 14 Tore. Die Schalker bräuchten also in der zweiten Serie die Bilanz eines Europa-League-Anwärters, um den Abstieg zu verhindern. Dass das Jahr mit einem von neun Punkten und einem Torverhältnis von 1:9 gestartet ist? Nun ja.
Auswärts ist Schalke ein Wolf ohne Zähne
Den umgekehrten Fall haben die Schalker bereits erlebt. Vor ziemlich genau drei Jahren begann der gnadenlose Absturz. Nach einer starken Hinrunde unter Trainer David Wagner und einem überzeugenden Start in die zweite Halbserie, Borussia Mönchengladbach wurde mit 2:0 besiegt, ging plötzlich nichts mehr. Wäre das Polster nicht so groß gewesen, die Königsblauen wären ungebremst in die 2. Bundesliga abgerauscht, was schließlich mit einem Jahr Verzögerung geschah. Kein einziges Spiel wurde mehr gewonnen.
Zurück ins Hier und Jetzt. Aufholjagd ist das Stichwort. Und starten soll sie mit dem massiv umgebauten Kader ausgerechnet gegen jenen Gegner, bei dem es das letzte Erstliga-Halleluja vor dem Absturz gab. Und auch hier ist das Mammut in der Aufgabe in den Zahlen schnell zu entlarven: Seit dem 23. November 2019 haben die Schalker auswärts im Oberhaus nicht mehr gewonnen. Sie sind so gefährlich, wie ein Wolf ohne Zähne. Um die Dimension dieser Serie von 36 verzweifelten Versuchen nochmal klarer zu machen: Corona war zu diesem Zeitpunkt noch ein weitgehend unbekanntes Virus in China.
Die Zeiten ändern sich. Die Pandemie ist über die Welt hinweggedonnert. Die Impfungen sind gekommen, das Virus ist mutiert, die Masken gefallen. Schalke hat in dieser Zeit acht Trainer verschlissen und eine Masse an Transfers gestemmt, die man quantitativ sonst nur vom FC Chelsea kennt. Auch in diesem Winter haben die "Blues" mit den Fuffis wie die Wilden um sich geworfen, die Logik hinter den Transfers erschließt sich aber vermutlich nur Eingeweihten. 330 Millionen Euro haben das eigene Konto verlassen, von den Schalkern sind dagegen bloß niedliche 450.000 Euro an Leihgebühren (laut transfermarkt.de) an diverse Klubs überwiesen worden. Aber das zumindest mit einem Plan. Angepasst an jenen von Thomas Reis.
"Wir sind jetzt wettbewerbsfähig"
Seit Oktober des vergangenen Jahres ist er der Hoffnungsträger. Der fast einzige. Mit dem VfL Bochum hatte er zwei "Wunder" in Folge geschafft, Aufstieg und Klassenerhalt. Auf Schalke soll er Zeit bekommen, diese Dinge zu wiederholen, hatte Sportvorstand Peter Knäbel zuletzt betont. Bedeutet: Der Klub würde mit Reis auch in die 2. Liga gehen. Ein anderes Szenario wird präferiert: einfach oben bleiben. Und nach der Hälfte der Saison sieht man sich in der Lage, dieses Ziel zu erreichen. "Wir sind jetzt wettbewerbsfähig", befindet Sportvorstand Peter Knäbel, auch ein bemerkenswertes Eingeständnis, dass man im vergangenen Sommer vieles falsch gemacht hatte.
Mit dem Innenverteidiger Moritz Jenz von Celtic Glasgow sowie den Mittelfeldspielern Éder Balanta (aus Brügge) und Niklas Tauer (Mainz) wähnten nun Spieler im Kader, die mit dem klappernden Riesen mehr Stabilität geben. Der lahmende Angriff soll durch Flügelspieler Tim Skarke (von Union) und Stoßstürmer Michael Frey (Antwerpen) flexibler werden. Knäbel sieht in den Neuzugängen allesamt Spieler, "die uns Dynamik geben". Dynamik, das war zumindest in Bochum Reis' Schlüssel für die teilweise spektakuläre Spielweise. "Ich bin froh, dass sich der Kader verändert hat und sich jetzt keiner mehr herausnehmen kann", bekannte der Coach am Donnerstag nach dem Ende der Transferfrist. "Schön ist, dass einige Spieler zurückgekommen sind. Es stellt sich jetzt schon anders auf. Da ist schon auch Qualität dazu gekommen."
Tatsächlich könnten gegen Mönchengladbach nicht nur alle sechs Leihspieler in der Startelf stehen, sondern mit dem schnellen Flügelstürmer und U23-Aufsteiger Soichiro Kozuki, mit Spielmacher Rodrigo Zalazar und dem Abräumer Alex Král drei weitere Spieler, die in der Hinrunde gar keine Rolle gespielt hatten oder lange verletzt waren. Zudem ist Ralf Fährmann die neue Nummer eins. Bedeutet: fast eine gesamte "neue" Elf steht Reis zur Verfügung. Zeitnah soll auch der offensivstarke Außenverteidiger Thomas Ouwejan zurückkehren. Während am Autobahnkreuz Herne noch bis 2025 gebaut wird, folgt für Schalke schon am Abend in Mönchengladbach die erste Materialprüfung, ehe es danach zu den intensiven Stresstests gegen den VfL Wolfsburg und bei Union Berlin kommt: Pfusch am Bau oder tragfähiges Fundament?
Quelle: ntv.de, tno