Runde Sache DFB-Pokalsieg "Eintracht braucht einen überragenden Trapp"
03.06.2023, 13:05 Uhr
Auf Kevin Trapp wird es ankommen, sagt "Charly" Körbel.
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Wieder steht RB Leipzig im DFB-Pokalfinale. Und doch soll die Trophäe in der Vitrine von Frankfurt landen, geht es nach den Eintracht-Fans. Es sei ein 50:50-Spiel, sagt SGE-Legende "Charly" Körbel im Interview mit ntv.de. Aber die Eintracht habe Glasner, Kolo-Muani, Trapp - und den "Fan-Faktor".
ntv.de: Herr Körbel, Platz sieben in der Bundesliga bedeutet Conference League. Das dritte Jahr in Folge heißt es damit "Eintracht International". Dennoch: Nach der phänomenalen Hinrunde, die beste seit fast 30 Jahren, wäre mehr drin gewesen. Wie fällt ihr Bundesliga-Saisonfazit aus?

Rekordspieler der Bundesliga und UEFA-Pokalsieger mit Eintracht Frankfurt: Karl-Heinz "Charly" Körbel.
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Karl-Heinz "Charly" Körbel: Das lässt sich in diesem Sinne noch nicht abschließend ziehen. Klar haben alle nach der Hinrunde gedacht, dass die Eintracht wieder Champions League spielt. Es gab sogar vereinzelte Stimmen, die gesagt haben, dass wir den Bayern die Meisterschaft streitig machen können. Am Ende bedeutet Platz sieben aber auch: Die Eintracht spielt wieder international! Und das ist wirklich Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass die Relegation gegen Nürnberg noch keine zehn Jahre her ist. Persönlich erinnert mich die Saison an die 1987/88: Da gab es in der Bundesliga auch Schwächephasen, aber am Ende haben wir den Pokalsieg gefeiert!
Klingt nach einem guten Omen! Hier sind weitere: Die SGE gewinnt 1980 den UEFA-Cup und ein Jahr darauf wird sie DFB-Pokalsieger. 2022 triumphiert Frankfurt in der Europa League und 2023 …
(Lacht) … wird sie Pokalsieger. Vielleicht. Es gibt auch Parallelen zu 2018: Da war das Pokal-Endspiel die letzte Partie von Trainer Niko Kovac. Diesmal ist es das letzte Spiel von Coach Oliver Glasner.
Der Gegner im Endspiel heißt allerdings nicht Bayern München, erscheint mit RB Leipzig aber genauso übermächtig, wenn man die reinen Zahlen betrachtet: Platz drei in der Abschlusstabelle, wieder Königsklasse, zuletzt sogar bei den Bayern gewonnen.
Vor einem Monat hätte ich noch gesagt, dass Leipzig klarer Favorit ist. Doch die Eintracht hat zum Saisonende wieder in die Spur gefunden. Der Sieg im letzten Spiel gegen den SC Freiburg, der auch noch in die Champions League wollte, war wichtig. Zum einen spielt die SGE damit auch im kommenden Jahr international. Der Druck, dass das Pokal-Endspiel ein "Do-or-Die"-Spiel wird, ist auf einen Schlag weg. Zum anderen hat der Sieg der Mannschaft gezeigt, was in ihr steckt, welche Power sie auf den Rasen bringen kann. Die Mannschaft kann nun ganz befreit im Berliner Olympiastadion aufspielen, die Partie, die Atmosphäre genießen.
Wieso kam die Trendwende in der Bundesliga so spät?
Wenn wir das wüssten ... Wichtig ist aber eigentlich auch nur, dass es sie gegeben hat. Plötzlich greift ein Rädchen wieder ins andere. Vielleicht hat die Entscheidung, sich von Glasner zum Saisonende zu trennen, den Ausschlag gegeben? Vielleicht war es nur Spielglück, das zurückgekehrt ist? Fakt ist, dass die Mannschaft befreiter auftritt.
Befreiter, ja. Aber auch das Lazarett hat sich ausgedünnt. Im Pokalfinale könnten sowohl Jesper Lindström, als auch Junior Dina Ebimbe sowie Philipp Max von Anfang an spielen. Das war vor zwei Wochen noch kein Thema. Der Kader ist wieder breiter geworden, auch in der Abwehr.
Karl-Heinz "Charly" Körbel spielte von 1972 bis 1991 für Eintracht Frankfurt und ist mit 602 absolvierten Bundesligapartien der Rekordspieler der Liga. Sechs Mal trug er das deutsche Nationaltrikot. Mit der Eintracht gewann er vier Mal den DFB-Pokal (1974, 1975, 1981, 1988) und den UEFA-Cup (1980). In den 1990ern saß er bei den Frankfurtern auch auf der Trainerbank. Heute leitet er die Eintracht-Frankfurt-Fußballschule.
Und auch das ist positiv! Leipzig muss sich auf mehrere Konstellationen einstellen: Lenz oder Max, Rode oder Ebimbe, Ebimbe oder Buta. Und in der Abwehr können N'Dicka, Tuta und Toure die Dreierkette geben, oder N'Dicka, Hasebe und Tuta. Das macht die Eintracht schwerer ausrechenbar.
Wer könnte aus Frankfurter Sicht denn der Matchwinner werden?
(Lacht) Da fallen mir viele ein, hängt auch davon ab, wer von Glasner eingewechselt wird. Aber klar ist: Die Eintracht braucht einen überragenden Kevin Trapp, der einen sehr, sehr guten Tag erwischen muss. Leipzig ist bei Standards stark, egal ob Ecken oder Freistöße. Die Spitzen sind pfeilschnell und treffsicher. Aber steht Trapp hinten sicher, gibt er seinen Vorderleuten auch den nötigen Rückhalt und das Selbstvertrauen, das du gegen RB brauchst.
Eigentlich klingt Frankfurt gegen Leipzig doch nach dem französischen Nationalstürmer-Duell Randal Kolo Muani gegen Christopher Nkunku. Letzterer hat in der Liga ein Tor mehr erzielt als Kolo Muani. Der ist wiederum mit Abstand bester Scorer der Bundesliga gewesen. Wer kann dem Spiel seinen Stempel aufdrücken?
Chancen dazu werden auf jeden Fall beide bekommen. Dafür sind sie einfach zu gut. Kolo Muani macht aus Nichts ein Tor. Bei Nkunku ist es ähnlich. Eine 90-minütige Komplettüberwachung ist nicht möglich. Bei Kolo Muani hoffe ich, dass er auch mal zwei bis drei Gegner aus dem Spiel nimmt, sodass andere Frankfurter vorne mehr Platz bekommen. Platz, den dann beispielsweise ein Kamada, ein Lindström oder auch ein Buta oder Götze nutzen können.
Stichwort: freie Räume. Die wird es im Olympiastadion nicht geben. Die Frankfurter Fans rechnen damit, dass sie eindeutig in der Mehrzahl sein werden. Es kursieren sogar Zahlen, die von 50.000 Eintracht-Fans im Stadion sprechen. Welche Rolle spielen die Fans bei diesem Endspiel?
Eintracht Frankfurt und der Fan-Faktor: Vielleicht werden es so viele. Vielleicht auch weniger. Vielleicht sehen wir Bilder, die uns an Barcelona letztes Jahr erinnern. Wer weiß? Fakt ist: Die Eintracht-Fans sind eine Macht! Sie werden alles geben. Stimmgewaltig, Choreo. Von der ersten Minute bis zur absolut letzten. Sie werden wie in der gesamten Europa-League-Saison zum 12. Mann der Eintracht. Da kann Leipzig nicht mithalten!
Was erwarten Sie für ein Spiel?
Das Spiel wird hart umkämpft sein. Leipzig hat Respekt vor uns. Und das nicht nur, weil wir eine Pokal-Mannschaft sind. Zur Erinnerung: In der Hinrunde haben wir RB zu Hause 4:0 geschlagen. Und auch noch nie zu Hause gegen Leipzig verloren.
Und Frankfurt hat das Heimrecht im Olympiastadion bekommen …
Wieder so ein gutes Omen: 2018 war es genauso. Vom Spiel her wird es diesmal aber enger. Ein vorsichtiges Abtasten erwarte ich nicht. Ich denke, dass beide Teams versuchen werden, tief zu pressen, Fehler provozieren wollen, um daraus ihre Chancen zu kreieren. Ich denke aber auch, dass wir mehr als nur 90 Minuten sehen werden. Also Verlängerung und vielleicht sogar ein Elfmeterschießen sollte man einplanen. Die Nerven der Fans werden es auf alle Fälle nicht leicht haben.
Und wer gewinnt das Ding am Ende?
(Lacht) Ich verstehe die Frage nicht … Nein, im Ernst: Die Chancen stehen 50:50. Es kann ein einziger Fehler entscheidend sein, egal ob von den Spielern, vom Schiri oder dem VAR. Ich hoffe einfach, dass die Eintracht ihr Pokal-Gesicht zeigt, siegt und wieder einen Pokalsieg feiern kann. Von mir aus im Elfmeterschießen und mit Trapp als großem Helden! Das wäre auch der perfekte Abschied für Oliver Glasner. Die Mannschaft, das weiß ich aus vielen Gesprächen, will ihm dieses Geschenk machen. Und ich hoffe, dass es gelingt. Es wäre schon Wahnsinn: Die Eintracht holt in der zweiten Glasner-Saison die zweite Trophäe. Das wäre eine runde Sache!
Mit Karl-Heinz "Charly" Körbel sprach Thomas Badtke
Quelle: ntv.de