Fußball

Kremers-Zwillinge werden 70 "Für'n BVB haben wir uns nicht umgezogen"

Die Kremers-Zwillinge Erwin und Helmut ließen sich ihre Flausen nie austreiben. Auf Schalke wurden die beiden Fußballer zu Legenden.

Die Kremers-Zwillinge Erwin und Helmut ließen sich ihre Flausen nie austreiben. Auf Schalke wurden die beiden Fußballer zu Legenden.

(Foto: imago images / Sven Simon)

In ihrer Heimatstadt Mönchengladbach finden Erwin und Helmut Kremers fußballerisch nicht ihr Glück. Auf Schalke dagegen werden sie zu Legenden. Doch mit den Knappen verbinden die Zwillinge nicht nur gute Erinnerungen.

Man musste schon ganz genau hinsehen. Die beiden Kremers Zwillinge Erwin und Helmut waren nicht leicht voneinander zu unterscheiden. Ein Muttermal im Gesicht von Erwin war für viele der einzige Anhaltspunkt. Und dann natürlich auf dem Platz, die Spielweise. Erwin wusste schon immer ganz genau, was da zu tun ist: "Einmal gehe ich rechts vorbei, dann wieder links, dann wieder spiele ich den Ball durch die Beine oder mache einen Doppelpass mit einem Schalker Mitspieler. Ich variiere ganz bewusst, so dass es meine Kontrahenten besonders schwer haben. Man muss immer wieder etwas Neues bringen im Showgeschäft."

Damals in Gladbach musste Erwin Kremers noch Lehrgeld bezahlen. Ganz frisch in der Fußball-Branche unterwegs bot ihm Trainer Hennes Weisweiler eine Prämie von 100 Mark, wenn er denn endlich einmal ein Tor mit dem Kopf erzielen würde. Das war ihm zuvor nie gelungen. Doch schon beim nächsten Spiel landete ein Kopfball von Kremers im Netz. Leichtverdiente 100 Mark dachte er, doch Weisweiler rührte sich nicht. Als er ihn ein paar Tage später direkt darauf ansprach, reagierte der Trainer sauer: "Pass auf, du bist angeschossen worden, für so einen Scheiß kriegst du keine Mark!"

In ihrer Heimatstadt Mönchengladbach hatten die beiden Kremers-Zwillinge keine Zukunft mehr. Und so wechselten sie nach Offenbach. Bei den Kickers spielte sich vor allem Erwin in den Vordergrund. Recht bald zeigte Schalke 04 Interesse, ihn zu verpflichten. Erwin war nicht abgeneigt, bat aber eindringlich, dass man seinen Bruder Helmut bitte gleich mit transferieren solle. Schalkes Manager Günter Siebert ließ sich nicht lumpen: "Ach, komm’, hab’ ich gesagt, die 125.000 Mark haben wir auch noch."

Helmut kann Erwin nicht helfen

Zum Verwechseln ähnlich - die Zwillinge (m. und r.).

Zum Verwechseln ähnlich - die Zwillinge (m. und r.).

(Foto: imago images / Horstmüller)

Auf Schalke erlebten die Kremers-Zwillinge ein ständiges Auf und Ab. Nach dem Meineid-Skandal war der Verein nicht mehr derselbe. Doch es reichte für beide, um sich sehr schnell in das Notizbüchlein von Bundestrainer Helmut Schön zu spielen. Alles wäre für Erwin Kremers auch 1974 gut gegangen, wäre da nicht in allerletzter Sekunde sein Temperament dazwischen gekommen. Helmut Kremers verflucht bis heute, dass er in diesen Minuten nicht mit seinem Bruder auf dem Platz stand. Er hätte ihm so gerne geholfen und vor diesem Unglück bewahrt.

Am 34. Spieltag musste Erwin Kremers nach einer ziemlich ruppig geführten Partie auf dem Kaiserslauterer Betzenberg nur noch die allerletzten Sekunden überstehen, dann wäre die Saison 1973/74 endgültig zu Ende gewesen und der Europameister von 1972 hätte mit der deutschen Nationalmannschaft die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft im eigenen Land begonnen. Doch beim aussichtslosen Stand von 4:0 für die Lauterer konnte sich Kremers in der 90. Minute nicht mehr beherrschen. Mit hochrotem Kopf brüllte er Schiedsrichter Max Klauser an: "Halt das Maul, du blöde Sau!"

Dieser drehte ein wenig an einem imaginären Hörgerät, klopfte sich auf die Ohren und fragte anschließend in aller Ruhe bei dem immer noch fuchsteufelswilden Schalker nach, ob er denn da gerade richtig gehört habe. Es wäre ja so furchtbar laut auf dem Betzenberg und da könne man sich schon mal verhören. Die goldene Brücke für Kremers war ausgelegt. Doch anstatt langsam wieder runterzukommen und einmal kräftig durchzuatmen, setzte Kremers noch einen oben drauf: "Taub bist du also auch noch, du blöde Sau!" Sein Trainer Ivica Horvat kommentierte den Platzverweis bittersüß: "Jetzt hat der Erwin endlich einen Unparteiischen gefunden, der sich nicht scheut, ihn vom Platz zu schicken. Das habe ich seit Wochen vorausgesagt." Erwin Kremers wurde daraufhin aus dem Nationalmannschaftskader für die WM 1974 geworfen und bestritt in der Folge nie wieder ein Länderspiel für Deutschland.

 "Das Beste an Schalke ist die Autobahnauffahrt nach München"

Doch ihre Flausen ließen sich die beiden auch danach nicht komplett austreiben. In der Spielzeit 1975/76 sollte der ehemalige Meistertrainer Max Merkel die Knappen ganz nach oben führen, doch die Mannschaft konnte mit dem gebürtigen Wiener nichts anfangen - und Max Merkel nicht mit den Schalkern. Legendär aus dieser Zeit ist des Trainers Spruch über die Königsblauen: "Das Beste an Schalke ist die Autobahnauffahrt nach München." Und da auch die Kremers-Zwillinge keine allzu großen Merkel-Fans waren, ließen sie sich eines Tages etwas Besonderes für ihren Coach einfallen. In einer Nacht- und Nebelaktion entwendeten sie alle vier Reifen von Merkels Wagen. Das Gesicht ihres Übungsleiters am nächsten Morgen entschädigte die Mannschaft für vieles. Die herbeibestellten Boulevard-Fotografen schossen unter dem Gelächter der Spieler Fotos des auf Backsteinen aufgebockten BMWs.

1994 ließ sich Helmut Kremers zum Schalke-Präsidenten wählen. Da die Amtszeit des Fleischfabrikanten Bernd Tönnies ("Jedes zwölfte Kotelett, das in Deutschland auf den Tisch kommt, stammt aus meinem Unternehmen") aufgrund seines Todes nur knapp fünf Monate währte, trat man bereits am 12. September 1994 im Sportparadies erneut zusammen. Doch auch Helmut Kremers war nicht lange Präsident. Mit den drei Monaten seiner Amtszeit verbinden beide Brüder keine guten Erinnerungen. Helmut: "Ich war der Meinung, dem Klub viel geben zu können. Aber die ganzen Verantwortlichen waren geschockt, als ich gewählt worden bin. Alle waren gegen mich." Schon zuvor hatte Ex-Präsident Günter Eichberg gegen Helmut verbal geschossen: "Kremers wäre als linker Verteidiger heute für Schalke immer noch wertvoller als im Präsidium." Nach der Wahl erhielt Helmut Kremers Morddrohungen und trat schnell zurück.

Das erste Tor im neuen Westfalenstadion schoss ein Schalker

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Dass der frühere Profi überhaupt ins Amt gewählt worden war, hatte er vor allem seinem Bruder zu verdanken. Erwin flüsterte ihm vor der Mitgliederversammlung den entscheidenden Satz zu, den Helmut dann mit voller Inbrunst vor den Schalkern zum Besten gab: "Wenn wir früher gegen Dortmund gespielt haben, haben wir uns vorher gar nicht umgezogen." Doch als der neu gewählte Präsident zum Abschluss "Blau und weiß, wie lieb ich dich" anstimmen wollte, begannen die Mitglieder stattdessen aus vollen Kehlen zu singen: "Wir scheißen auf den BVB!" Dieser schlechte Start war auch gleich der Anfang vom Ende der kurzen Amtszeit des Helmut Kremers.

Übrigens - noch ein Funfact: Das erste Bundesliga-Tor im neuen Dortmunder Westfalenstadion schoss ausgerechnet ein Schalker. Weil zur damaligen Zeit in Bochum das Stadion an der Castroper Straße zum Ruhrstadion umgebaut wurde, trug der VfL seine Spiele im Herner Stadion Schloss Strünkede aus. Doch die Partie am 2. April 1976 zwischen dem VfL Bochum und dem FC Schalke 04 fand aus Kapazitäts- und Sicherheitsaspekten im Westfalenstadion statt. Und da der BVB zu dieser Zeit in der 2. Bundesliga spielte, war es Erwin Kremers vergönnt, das erste Bundesligator im neuen Westfalenstadion zu erzielen. Die Begegnung endete übrigens mit einem 4:1-Sieg für den S04. Also wahrlich kein schöner Auftakt für die neue Spielstätte der Schwarz-Gelben - doch ganz im Sinne der beiden Kremers-Zwillinge.

Heute feiern die beiden launigen Bundesligastars ihren 70. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch und Glück auf, lieber Erwin und Helmut Kremers!

Quelle: ntv.de

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