Wofür stimmte der Hannover-Boss? Im Streit um das Kind-Votum wird es jetzt dreckig
13.12.2023, 13:54 Uhr
Martin Kind ist in Hannover nicht nur beliebt, bei den Anhängern der anderen Bundesliga-Klubs auch nicht.
(Foto: dpa)
Was weiß Geschäftsführer Martin Kind, was der große Rest von Hannover 96 nicht weiß? Diese Frage beschäftigt nach der DFL-Abstimmung zum Investoren-Deal plötzlich alle, die sich für Fußball interessieren. Kippt der Deal noch, was wird aus dem 79-Jährigen und wie geht es überhaupt weiter?
Das laute Schweigen von Martin Kind wird zum bedrohlichen Politikum für den deutschen Profifußball. Die Fragezeichen hinter dem Abstimmungsverhalten des Geschäftsführers von Hannover 96 beim Investoren-Deal sorgen für immer größeren Wirbel und könnten den Einstieg eines Geldgebers gefährden.
Kind will sich weiter nicht in die Karten schauen lassen und zieht mit Blick auf die geheime Abstimmung sogar die Erklärungen anderer Klubs in Zweifel. "Ob die Vereine, die jetzt erklären, sie hätten mit Nein gestimmt, wirklich so abgestimmt haben, weiß keiner", sagte der 79-Jährige der "Bild".
Kind liegt seit geraumer Zeit im Clinch mit der Klubführung des Muttervereins. Diese hatte ihn angewiesen, den Deal abzulehnen. Kind allerdings gilt als Befürworter. Da der Einstieg eines Investors bei einer weiteren Nein-Stimme oder Enthaltung geplatzt wäre, liegt der Fokus auf Kind - der sich erst im April vor Gericht seinen Verbleib als Geschäftsführer der Profi-Abteilung in der juristischen Auseinandersetzung mit dem eingetragenen Verein erstritten hatte.
Sollte der Multimillionär dem Einstieg gegen die Anweisung der Vereinsspitze des Zweitligisten zugestimmt haben, droht ein juristisches Nachspiel. Kind wurde mittlerweile vom Verein aufgefordert, sein Abstimmungsverhalten bei der Versammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) mitzuteilen. Obwohl Kind dem Verein gegenüber zur Auskunft verpflichtet ist, hat er das bis Mittwochmittag nicht getan. Das bestätigte ein Vorstandsmitglied dem SID.
Die unglaubliche Brisanz um 50+1
Eine Auflistung der "Bild" zum Abstimmungsverhalten der Klubs legt nahe, dass Kind zugestimmt habe. In der Liste werden alle zwölf Klubs aufgeführt, die nicht zugestimmt haben sollen. Darunter ist Hannover nicht zu finden. Sollte Kind allerdings bei seinem Verweis auf die geheime Abstimmung bleiben und sich nicht öffentlich erklären, wäre das Votum wohl kaum anfechtbar.
"Es war eine geheime Wahl. Die DFL hat eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. Es handelt sich um eine deutliche Mehrheit", sagte Kind bei Sport1: "Die Aussagen des Stammvereins kommentiere ich gar nicht. An Spekulationen werde ich mich nicht beteiligen."
Brisant ist in dem Fall allerdings die Erklärung der DFL aus dem Oktober des vergangenen Jahres zur "Einhaltung der 50+1-Regel unter den spezifischen Umständen in Hannover". Darin erinnert der Ligaverband an das "uneingeschränkte Weisungsrecht" des Vereins gegenüber der Geschäftsführung.
DFL weist Verantwortung von sich
Der Vereinsvorsitzende Sebastian Kramer machte der DFL dennoch Vorwürfe aufgrund der "aus der Sicht des e.V. fehlenden Klarheit bei 50+1". Es sei "möglicherweise aufgrund der aktiven Untätigkeit der DFL ein Beschluss zustande gekommen, der bei konsequenter Durchsetzung, das heißt durch Auflagen zur Umsetzung der 50+1-Regel, nicht zustande gekommen wäre", sagte Kramer der "Bild".
Dadurch sei "möglicherweise ein der DFL gefälliges Ergebnis durch diese entscheidende Stimme ermöglicht" worden. Dem Beschluss fehle damit "die Legitimation". "Wir hatten die DFL über die Weisung informiert und angeregt, die Abstimmung zu verschieben, sollte nicht sichergestellt werden können, dass das Abstimmverhalten von Herrn Kind nachvollziehbar ist", sagte Kramer: "Das Ergebnis sieht man ja nun."
Direkt nach der Versammlung hatte die DFL-Spitze Fragen nach eventuellen Ungereimtheiten mit Blick auf Kind verneint. "In dem Fall ist Herr Kind als Geschäftsführer erst einmal außenvertretungsberechtigt auf Mitgliederversammlungen der DFL", sagte Co-Geschäftsführer Steffen Merkel: "Was dann etwaige Weisungen im Innenverhältnis betrifft, sofern sie denn vorliegen, das betrifft aus unserer Sicht das Binnenverhältnis eines Klubs."
Sportrechtler sieht Deal nicht gefährdet
Sportrechtler Paul Lambertz hält den geplanten Investoren-Deal im deutschen Profifußball trotz des internen Streits bei Hannover 96 nicht für gefährdet. "Ich sehe den Investoren-Deal nicht scheitern", sagte der Jurist der Deutschen Presse-Agentur.
"Selbst wenn wir eine Pflichtverletzung von Kind hätten, sehe ich keinen Schadenersatzanspruch", meinte Lambertz und fügte hinzu: "Mit den Investoren soll nun erstmal verhandelt werden und vermutlich kommt so auch mehr Geld zu den Klubs. Dadurch gibt es keinen Schaden." Der Mutterverein habe kein verbandsrechtliches Klagerecht, allerdings könnten andere Klubs die Entscheidung anfechten.
Mehrere Fans hatten sich vor der Abstimmung gegen den Deal ausgesprochen. "Dass einige Fans den Wert des Fußballs durch einen Investoreneinstieg als gefährdet sehen, ist kein Rechtsgut, dessen Verletzung einen Schadenersatzanspruch begründen würde", sagte Lambertz.
Quelle: ntv.de, sue/dpa/sid