Fußball

Achterbahn oder CL-Achtungserfolg? Inter prüft selbstbewusste Bayern

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(Foto: dpa)

Die Saison des FC Bayern München gleicht einer Achterbahnfahrt, auf jedes Hoch folgt ein Tief. Heute trifft die Mannschaft von Trainer van Gaal im Achtelfinale auf Inter Mailand. Es ist die Neuauflage des Finales der vergangenen Saison - damals verlor der deutsche Rekordmeister.

Der FC Bayern hat die Wochen der Wahrheit ausgerufen. Weil die im Fußball angeblich auf dem Platz liegt, haben die Münchner am Samstag auch überzeugend mit 3:1 beim FSV Mainz gewonnen. Zu den Wochen der Wahrheit gehört aber auch, die Wahrheit auszusprechen. Also stellte Sportdirektor Christian Nerlinger im Aktuellen Sportstudio für alle Andersdenkenden noch einmal etwas richtig: "Ich glaube nicht, dass es fair ist, diese Saison des FC Bayern zum jetzigen Zeitpunkt zu verdammen."

Platz drei in der Liga, Vorschlussrunde im DFB-Pokal und Achtelfinale in der Champions League – das ist in der Tat eine Ausbeute, die theoretisch sogar noch das Triple möglich erscheinen lässt. Heute geht es ab 20.45 Uhr (n-tv.de Liveticker) im Hinspiel des Achtelfinales zu Inter Mailand, dem Titelverteidiger. Es folgen das Bundesligaspiel gegen Tabellenführer Borussia Dortmund am Samstag und in der kommenden Woche das Pokalspiel gegen den FC Schalke 04. Drei Partien, in denen die Bayern alles verspielen, aber auch noch fast alles gewinnen können.

Dass Nerlinger trotzdem richtigstellen musste, was objektiv nicht falsch sein kann, haben sich die Bayern selbst zuzuschreiben. Es liegt am für Bundesliga-Verhältnisse exorbitant teuren Kader und dem Münchner Selbstverständnis, das den FC Bayern als Nabel des deutschen Fußballs versteht. Es liegt an der – in der Endabrechnung – grandiosen Vorsaison mit dem Gewinn der Meisterschaft, des Pokals und der Teilnahme am Endspiel der Champions League. Und daran, dass die Münchner in dieser Spielzeit zahlreiche "Ausschlägen nach unten" folgen ließen, wie es Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nennt.

Auf jedes Hoch folgte bislang ein Tief

Die Bayern bauen besonders auf ihre Superstars Franck Ribéry ...

Die Bayern bauen besonders auf ihre Superstars Franck Ribéry ...

(Foto: REUTERS)

Die Saison der Bayern gleicht einer wilden Achterbahnfahrt, auf jedes Hoch folgte bislang ein Tief und auf dieses nicht zwingend ein Befreiungsschlag. So rasant geriet der Ritt durch die Spielzeit bisher, dass Kapitän Mark van Bommel über Bord und eine Männerfreundschaft in der Münchner Chefetage zu Bruch ging. Erfolgscoach Louis van Gaal stand nicht zum ersten Mal vor dem Rauswurf. Die spannende Frage ist nun auch aus Münchner Sicht, ob der Sieg gegen Mainz nur ein erneuter Auswuchs der bayrischen Labilität oder der Aufbruch in neue Stabilität ist. Die würde sich jetzt, in den Wochen der Wahrheit, gerade rechtzeitig zurückmelden.

... und Arjen Robben.

... und Arjen Robben.

(Foto: dpa)

Für Stabilität spricht die spielerische Leichtigkeit und Dominanz, die Louis van Gaals Münchner durch personelle Umstellungen wieder entdeckt haben. In Bestbesetzung spielen die Bayern noch immer richtig gut, fast wie im Frühjahr 2010. Zur Bestbesetzung gehören vor allem der Niederländer Arjen Roben und der Franzose Franck Ribéry, zwei Weltklassespieler auf den Flügeln, die jede Verteidigung aushebeln können. Aber auch ein Thomas Müller in der offensiven Zentrale, der mit seinem unkonventionellen Stellungsspiel, seinen Ideen und der Effizienz fast aufspielt wie bei der Weltmeisterschaft in Südafrika. Ganz vorn stürmt Mario Gomez als einzige Spitze und trifft wie zu besten Stuttgarter Zeiten.

"Mit dieser Offensivabteilung können wir jeden Gegner ausspielen", schwärmt Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Zumal hinter dem Quartett wieder Bastian Schweinsteiger auf der Sechserposition denkt und lenkt. Die Position, auf der er 2010 zum Weltklassespieler reifte. So weit, so gut.

Abwehrformation als Experimentierfeld

Bleibt das Problem mit der Defensive. Die ist in dieser Spielzeit das Experimentierfeld des FC Bayern und wackelt trotzdem noch bedenklich. In den vergangenen 32 Pflichtspielen probierte van Gaal 12 verschiedene Abwehrformationen aus. Ein solides Fundament für das famose Offensivspiel seiner Mannschaft hat er noch nicht gefunden. Durch die Rückkehr der offensiven Spielwut ist die Balance fragiler denn je, schon zuvor kippte sie vor allem auswärts immer wieder. In der laufenden Saison haben die Bayern bereits zweimal eine 2:0-Pausenführung verspielt, erst im Champions-League-Gruppenspiel beim AS Rom und jüngst bei der "Mia-san-deppert"-Niederlage in Köln.

Nun scheint sich van Gaal zwar mit Anatoli Timoschtschuk und Nationalspieler Holger Badstuber auf ein Innenverteidigerpaar festgelegt zu haben. Doch Badstuber erforscht seit seiner WM-Nominierung, wie tief ein Formloch eigentlich sein kann, weshalb der gelernte Mittelfeldspieler Timoschtschuk der bessere Innenverteidiger ist. Winter-Neuzugang Luiz Gustavo auf links ist ebenfalls nur zeitweise umgeschult, er wurde eigentlich als neuer Nebenmann von Schweinsteiger verpflichtet und ist in der Bayern-Abwehr noch Nebendarsteller. Die einzige Konstante bleibt Kapitän Philipp Lahm auf rechts. Einer hui, drei eher pfui – das klingt arg labil.

Deshalb schreckt van Gaal auch vor Operationen am offenen Abwehrherzen nicht zurück. In Mainz rückte Luiz Gustavo von links in der Abwehr ins defensive Mittelfeld, ehe er in der Abwehrzentrale landete. Dafür musste Danijel Pranjic, der an der Seite von Schweinsteiger begonnen hatte, am Ende in der Abwehr aushelfen – und sah beim Gegentor gar nicht gut aus.

Angriff tatsächlich bessere Verteidigung

Inter hat den Vorrunden-Toptorjäger Samuel Eto'o (7 Treffer) im Team.

Inter hat den Vorrunden-Toptorjäger Samuel Eto'o (7 Treffer) im Team.

(Foto: dpa)

Angriff scheint also für die Münchner zurzeit tatsächlich die beste Verteidigung zu sein, fast wie bei Werder Bremen in seinen besseren Zeiten. Das sieht auch Uli Hoeneß so: "Wenn man so eine überragende Offensive hat, wie wir sie in den letzten zwei Spielen hatten, ist man in der Abwehr relativ entlastet." Ob Hoeneß bewusst verdrängt hat, dass in Inters Angriff ebenfalls Ausnahmekönner wie Wesley Sneijder und Samuel Eto’o spielen? Und dass im Champions-League-Finale der Vorsaison mit den noch von José Mourinho trainierten Mailändern das deutlich defensivere Team souverän triumphierte?

Hoeneß wird eher daran gedacht haben, dass Franck Ribery damals nicht dabei war und Mario Gomez‘ Torgefahr im Mai 2010 noch als irgendwo in Stuttgart verschollen galt. Christian Nerlinger jedenfalls plagen offiziell keine Zweifel. "Wir haben uns in den letzten Spielen sehr gut präsentiert und fahren mit Selbstvertrauen nach Mailand. Wenn es drauf ankommt, ist die Mannschaft da." Wochen der Wahrheit oder Pfeifen im Walde? Heute Abend wissen die Mailänder mehr.

Voraussichtliche Aufstellungen:

Mailand: Julio Cesar – Maicon, Lucio, Ranocchia, Chivu – Zanetti, Cambiasso, Thiago Motta – Stankovic, Sneijder – Eto’o

München: Kraft – Lahm, Timoschtschuk, Badstuber, Luiz Gustavo – Schweinsteiger, Pranjic (Kroos) – Ribery, Müller, Robben – Gomez

Schiedsrichter: Viktor Kassai (Ungarn)

Quelle: ntv.de

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